Die unerträgliche Langeweile des Kompromisses

Ausgewählte Kritikpunkte am Regierungsprogramm 2025-2029 von ÖVP, SPÖ und Neos

Die gute Nachricht ist, dass wir eine Regierung ohne Beteiligung und Kanzlerschaft der FPÖ haben. Bis es so weit war, hat es so lange wie noch nie gedauert. Die schlechte Nachricht ist, dass dies schließlich nur deshalb doch noch möglich wurde, weil alle Beteiligten Kompromisse eingingen, um sich auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. Große Reformvorhaben waren auf dieser Basis nicht möglich.

Fehlende Steuergerechtigkeit

Für die Sozialdemokratie hat das zur Folge, dass das Regierungsprogramm keine wesentlichen Impulse für eine gerechtere Verteilung setzt. Es konnte mit Mühe eine erweiterte Bankenabgabe, ein Beitrag von Energiekonzernen aus ihren Übergewinnen sowie ein höherer Beitrag von Immobilienkonzernen bei der Grunderwerbssteuer durchgesetzt werden.

Die von der SPÖ im Wahlkampf geforderten Beiträge von den sehr Vermögenden, d.h. eine Vermögens- sowie eine Erbschaftssteuer kommen nicht. Insbesondere die Ablehnung einer Erbschaftssteuer durch die Koalitionspartner ist unverständlich, da diese kein leninistisches Enteignungsprogramm ist, sondern eine klassische Forderung des Liberalismus. Da die Erbschaftssteuer von den Erben zu bezahlen wäre, träfe sie also leistungsloses Einkommen, was daher seit jeher eine liberale Forderung ist. Außerdem wären die Freibeträge so hoch, dass die ererbte Wohnung oder das vermachte Einfamilienhaus nicht davon betroffen wäre. Auch bei Familienunternehmen wäre sichergestellt, dass im Erbfalle die Fortführung des Unternehmens nicht gefährdet wäre. Da sich jedoch die Koalitionspartner der SPÖ darauf versteifen, dass Vermögende auf keinen Fall einen gerechteren Beitrag zu unserem Steuersystem leisten, wird leider darauf verzichtet, von dieser Seite einen wertvollen Beitrag zur Budgetkonsolidierung zu erhalten.

Weil ein EU-Sanktionsverfahren unbedingt vermieden werden soll, muss also die breite Mehrheit der Bevölkerung den Großteil der Einsparungen von 6,4 Milliarden 2025 und 8,7 Milliarden 2026 stemmen. Die Banken sollen rund 500 Millionen, die Energiekonzerne rund 200 Mio., große Immobilientransaktionen bei der Grunderwerbssteuer ebenfalls rund 200 Mio. zu diesem Budgetpfad beitragen. Welchen Beitrag eine Widmungsabgabe und die Anhebung der Stiftungseingangssteuer und des Stiftungseingangssteueräquivalents auf 3,5 Prozent sowie der Zwischensteuer auf Stiftungen auf 27,5 Prozent leisten sollen, ist nicht genau budgetiert. Das Gleiche gilt auch für die Betrugsbekämpfung durch einen verbesserten Informationsaustausch, wo Steuerschlupflöcher durch eine Expert:innenkommission geschlossen werden sollen.

Obwohl mit dem AK-Wirtschaftsexperten Markus Marterbauer erfreulicherweise ein solider Keynesianer, der durch das Studium von Thomas Piketty auch stärker Umverteilungsmaßnahmen in den Blick genommen hat, im Finanzministerium sitzt, darf man keine großen Fortschritte bei der Steuergerechtigkeit erwarten. Die Koalitionspartner ÖVP und Neos werden diesbezüglich nichts zulassen. Wie das laufen wird, hat sein Vorstoß bei einer Sonderabgabe für Stromerzeuger gezeigt. Diese Pläne wurden sofort von den Koalitionspartnern abgewürgt.

Dass Wohnen leistbarer werden soll und gegen etwas gegen die Teuerung unternommen werden soll, ist natürlich zu begrüßen. Ob hier aber tatsächlich wirksame Instrumente zum Einsatz kommen werden, bleibt offen. Beispielsweise fehlt bisher bei der Mietpreisbremse eine notwendige Regulierung im freien Bereich, die allerdings 2028 kommen soll.

Auf Menschenrechte wird gepfiffen

Beim Thema Asyl ist das Regierungsprogramm durchgehend rechts geframt. Wer von irregulärer Migration spricht, der ist den Rechtsextremen auf dem Leim gegangen. Es fehlt nicht viel und man kann gleich von Remigration sprechen.

Daher ist es kein Wunder, dass die von der ÖVP geprägten Pläne menschenrechtlich mehr als bedenklich sind. So sollen z.B. die Asylanträge im Inland auf null reduziert werden, indem man sich auf eine Notfallklausel beruft. Auch der Familiennachzug soll mit sofortiger Wirkung vorübergehend gestoppt werden. Es ist mehr als fragwürdig, dass dies im Einklang mit Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) möglich ist.

Weiters sollen Rückkehrverfahrenszentren geschaffen werden. Ist hier der Unterschied tatsächlich so groß zur Beschilderung von Traiskirchen mit „Ausreisezentrum“, wie sie von Kickl im Jahre 2019 vorgenommen wurde? All diese Forderungen verstärken einen Diskurs, der Flüchtlinge nur mehr als Gefahr für Leib und Leben wahrnehmen lässt, die Problematik, die hinter Flucht steckt, aber kaum mehr erkennen lässt.

Einzig beim Thema Integration gibt es ein paar Lichtblicke, wie z.B. die bessere Integration in den Arbeitsmarkt. Ob allerdings die Bestrafung von Eltern, die angeblich zu wenig mit der Schule kooperieren, der richtige Weg ist, darf bezweifelt werden.

AK-Einschätzung

Zu allen anderen Kapiteln im Regierungsprogramm möchte ich an dieser Stelle nicht Stellung nehmen. Es sei nur erwähnt, dass bei der Bekämpfung des Klimawandels kein besonderer Ehrgeiz an den Tag gelegt wird. Einige Maßnahmen sind völlig unverständlich, z.B. die Abschaffung der Umsatzsteuerbefreiung für PV-Anlagen und die Einbeziehung von Elektrofahrzeugen in die motorbezogene Versicherungssteuer. Man kann sich über die weiteren Kapitel gut durch die Einschätzung der Arbeiterkammer informieren: https://wien.arbeiterkammer.at/service/presse/AK-Einschaetzung-Regierungsprogramm.pdf

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