Ist der Kapitalismus am Ende (3)

1. Dezember 2016

Im dritten Teil seines Buches möchte Mason seinen LeserInnen zeigen, wie der Übergang in den Postkapitalismus gelingen kann. Mason greift auf zwei historische Beispiele großer Übergänge zurück, um für die Planung dieser Transition Leitlinien aufzustellen: Aufstieg des Kapitalismus in der Neuzeit und die Sowjetunion. „Bei vernetzungder Planung des Übergangs von einem Wirtschaftssystem zu einem anderen können wir uns also nur auf Erfahrungen mit zwei sehr unterschiedlichen Vorgängen stützen: dem Aufstieg des Kapitalismus und dem Zusammenbruch der Sowjetunion.“ (S.284)

 

Ende der Sowjetunion und Cyberstalinismus

Die Geschichte der Sowjetunion von der russischen Revolution 1917 bis zum Zusammenbruch 1989 hat bei Mason die wesentlich schlechteren Karten, um als Modell des Übergangs in den Postkapitalismus zu dienen. Mit der Planwirtschaft hätten die russischen Revolutionäre auf ein Pferd gesetzt, dass durch Supercomputer heute umsetzbar wäre, aber durch die Einschränkung individueller Freiheiten nicht empfehlenswert sei. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Umsetzung eines „Cyberstalinismus“, wie sie etwa von Paul Cockshott und Allin Cottrell entwickelt wurden, sind für Mason abschreckend. „Ihr Modell ist der bisher beste Beleg dafür, dass jeder Versuch, den Postkapitalismus durch staatliche Planung und Unterdrückung des Markts zu erreichen, zum Scheitern verurteilt ist“ (S.302), schreibt er.

 

Shakespeare und der Aufstieg des Kapitalismus

Ein besseres Modell der Transition ist für Mason der langsame Aufstieg des Kapitalismus in der Neuzeit, wie er sich z.B. in den Dramen von Shakespeare widerspiegelt. Denn daran zeige sich, wie verschiedene Ebenen zusammenwirken, um diesen Übergang möglich zu machen. Vier Faktoren hätten den Ausschlag gegeben, warum das System der Verpflichtungen des Feudalismus der kapitalistischen Produktion weichen musste: Die landwirtschaftlichen Flächen wurden nicht effizient genutzt; die Pestepidemie führt zu einem Rückgang der Bevölkerung und daher zu einem Druck auf die Produktivität; die Eroberung Amerikas erschließt dem Abendland neue Reichtümer und Siedlungsraum; die Druckerpresse revolutioniert den Zugang zu Wissen und Bildung.

 

Klimawandel, Demografie und Migration

Wenn es nicht eine Menge drängender Probleme gäbe, die schnell einer Lösung bedürfen, könnte man sich mit dem Übergang Zeit lassen. Welcher Art sind diese Herausforderungen? Nun, Mason hält für die dringendsten Herausforderungen unserer Zeit den Klimawandel, die demografische Entwicklung, die Staatsverschuldung und die Migration. „Gäbe es den Klimawandel nicht, so könnte man sich einen Übergang zum Postkapitalismus vorstellen, der durch graduelle, spontane Entwicklung des wirtschaftlichen Austauschs außerhalb des Marktes und der Allemendeproduktion vorangetrieben wird … Die äußeren Schocks machen jedoch zentralisierte, strategische und rasche Eingriffe erforderlich.“ (S.334f.) Hinsichtlich des Klimawandels kann man Mason zustimmen, dass uns die Zeit davonläuft und der Kapitalismus in seiner neoliberalen Ausprägung zu langsam reagiert.

 

Beim Thema alternde Gesellschaft und Staatsverschuldung folgt Mason den Diagnosen neoliberaler Propheten – die im Interesse des Finanzkapitals die staatliche Pensionsvorsorge und den Staat krank reden –, obwohl er sonst dem Neoliberalismus wenig Zuneigung entgegenbringt. Z.B. bleibt er beim Thema Pensionssicherung auf die Entwicklung in Gestalt der demografischen Abhängigkeitsquote fixiert, statt etwa progressive Ansätze wie die wirtschaftliche Abhängigkeitsquote heranzuziehen: Das Verhältnis der Über-65-Jährigen zum Rest der Bevölkerung ist nicht entscheidend, sondern wie das Verhältnis von Beitragszahlern und Leistungsempfängern aussieht. Selbstverständlich kann man jedoch Mason beipflichten, dass die Automatisierung eine Bedrohung für die Finanzierung des Sozialstaates darstellt, wenn dieser zu einem großen Arbeitsplatzverlust führt. Und ein neoliberales Regime der Umverteilung von den Löhnen zu den Gewinnen und der steuerlichen Entlastung der Vermögenden treibt die Staatsverschuldung in die Höhe.

 

Das „Projekt Null“

Das alles wäre ein gutes Thema für einen eigenen Artikel, ist aber nicht ausschlaggebend für eine Beurteilung der Bedeutung von Masons Buch. Deshalb wende ich mich dem Schlusskapitel zu, wo Mason seine Leitlinien vorstellt, wie die Transition in eine postkapitalistische Gesellschaft in Angriff genommen werden sollte. Er nennt dies „Projekt Null“. Wohin dieses Projekt führen soll, ist klar: „Seine Ziele sind eine Energieversorgung mit Null-Emissionen, die Erzeugung von Maschinen, Produkten und Dienstleistungen mit Null-Grenzkosten und die weitgehende Beseitigung der Arbeit.“ (S.340)

 

Die Leitlinien, denen es folgen soll, bleiben sehr abstrakt und blutleer. Das erste Prinzip lautet: Vorschläge im kleinen Maßstab testen und daraus eine „soziale Technologie“ entwickeln. Das zweite Prinzip fordert: ökologische Nachhaltigkeit des Wachstums. Das dritte Prinzip beinhaltet die menschliche Transition durch Ausnützung der Netzwerke. Das vierte Prinzip lautet: „Das Problem muss aus allen Richtungen in Angriff genommen werden.“ (S.342) Nicht nur Staaten, Unternehmen und politische Parteien, sondern auch der Einzelne oder „Schwärme von Individuen“ könnten die Veränderungen vorantreiben. „Das fünfte Prinzip für einen erfolgreichen Übergang zum Postkapitalismus lautet, dass wir die Wirkung der Information maximieren müssen.“ (S.343)

 

Bevor etwas praktisch umgesetzt wird, sollte es anhand einer Computersimulation durchgespielt werden. Die aktuellen volkswirtschaftlichen Simulationen seien noch mit einer Modelleisenbahn vergleichbar. Durch ein Netzwerk, wo eine quelloffene Simulation des gegenwärtigen Wirtschaftssystems erstellt wird, könnte sich das rasch ändern. „Sind wir erst einmal in der Lage, die wirtschaftliche Realität auf diese Art zu erfassen, so können wir einschneidende Veränderungen nachvollziehbar planen“ (S.348), ist Mason optimistisch, dass der Übergang in den Postkapitalismus durch Befragung von Supercomputern auf nicht im Blindflug erfolgen muss. Wo liegt da aber der große Unterschied zu den „Cyberstalinisten“, die Mason ablehnt?

 

Als schwierigste Aufgabe verortet Mason die Neugestaltung des Staats. Einen positiven Beitrag zum Postkapitalismus erwartet sich Mason nicht. „Im Postkapitalismus wird sich der Staat eher wie die Belegschaft der Wikipedia-Stiftung verhalten …“ (S.349), so lautet seine Vorstellung. Seine Hauptaufgabe bestehe in der Förderung neuer Technologien und von neuen Geschäftsmodellen. Außerdem solle er die Infrastruktur planen und koordinieren sowie das Problem der Verschuldung lösen. Wie soll der letzte Punkt umgesetzt werden? „Die Staaten müssen die Inflation ankurbeln, die Zinsen unterhalb der Inflationsrate halten und den Bürgern die Möglichkeit nehmen, ihr Geld in nichtfinanzielle Vermögenswerte zu investieren oder ins Ausland zu bringen.“ (S.351)

 

Die kollaborative Arbeit müsse ausgeweitet werden, dennoch dürften wir „den Verzicht auf den Gewinnzweck nicht zu einem Fetisch machen“ (S.353). Die weiteren Schritte möchte ich kursorisch zusammenfassen: Allmendeproduktion fördern, Niedriglohnunternehmen erschweren, die Rechte der Beschäftigten stärken, bestimmte Geschäftsmodelle verbieten, Monopole verbieten und zerschlagen, die Marktkräfte verschwinden lassen, den Finanzsektor vergesellschaften, die Zentralbanken verstaatlichen und einer demokratischen Kontrolle unterziehen. Für vielfältige Innovationen benötigten wir einen großen Privatsektor abseits der Finanzbranche.

 

Ein ganz besonderes Herzensanliegen ist Mason die staatliche Grundsicherung für alle. „Auf diese Art würden die Kosten der Automatisierung vergesellschaftet.“ (S.362) Und was für den Einzelnen noch wichtiger ist: „Ein mit den Einnahmen aus der Besteuerung der Marktwirtschaft finanziertes Grundeinkommen eröffnet den Menschen die Möglichkeit, sich eine Position in der Nicht-Marktwirtschaft zu sichern.“ (S.363)

 

Auf diese Weise können das Netzwerk entfesselt werden und die Arbeit zum Spiel werden, bevor überhaupt an Bedeutung verliert, da die Reproduktionskosten der Arbeitskraft rasant fallen“ (S.367). Wenn es so weit ist, kann der Staat zurückgebaut werden. „Was geschieht mit dem Staat? Er verliert im Lauf der Zeit vermutlich an Einfluss – und schließlich übernimmt die Gesellschaft seine Funktionen.“ (S.369).

 

Die herrschende Elite

Damit es mit dem Übergang zum Postkapitalismus losgehen kann, müssten wir nur noch „das Eine Prozent“, die herrschende Elite zum Mitmachen bewegen. Wie gedenkt Mason, die Elite dazu zu bewegen? Wie will er ihr die Beteiligung schmackhaft machen? Nun, er schreibt: „Was geschieht mit dem Einen Prozent? Es wird ärmer und daher glücklicher.“ (S.369) Aktuell leide die Elite selbst massiv unter den Bedingungen, die es durch die Herrschaft des Neoliberalismus geschaffen hat. „Denn es ist kein Honigschlecken, reich zu sein.“ (Ebd.) Sie schickten ihre Kinder auf teure Privatschulen, wo sie völlig uniform herauskommen – egal, was auf ihren Sweatshirts draufsteht. Dass sie sich an immer mehr Orten der Welt hinter Elektrozäunen verschanzen müssen und damit selbst zu Gefangenen werden, erwähnt Mason an dieser Stelle gar nicht erst. Die Gefahr, so Mason, sei, dass sie den Glauben an die Möglichkeit einer liberalen Gesellschaft verlieren und zu zynischen Oligarchen werden. Aber er hat noch Hoffnung, die Elite auf seine Seite zu ziehen. Und so endet sein Buch mit den Sätzen: „Das eine Prozent droht den Glauben an das System zu verlieren, das schon bald einer unverhohlenen Oligarchie weichen könnte. Aber es gibt auch eine gute Nachricht. Die 99 Prozent eilen ihm zu Hilfe. Der Postkapitalismus wird euch befreien.“ (S.371)

 

Resümee

Mit seinem dritten Teil kann Mason die Erwartungen, die er geweckt hat, nicht erfüllen. Die Stärke seines Buches ist nicht, dass er seinen LeserInnen einen überzeugenden Leitfaden in die Hände gibt, welche Schritte zu setzen sind, um den Postkapitalismus zu verwirklichen. Die Stärke seines Buches liegt darin, dass er eine Fülle von Argumentationen liefert, wieso der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte sein wird und durch das Zusammenspiel von technologischer und gesellschaftlicher Entwicklung einer neuen Form der Gestaltung der wirtschaftlichen Gestaltung weichen wird.

 

Damit ist er auch für die Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen  höchst interessant. Denn mit Mason halten die Gewerkschaften etwas in Händen, das die aktuell verbreitete Angst der ArbeitnehmerInnen vor der Automatisierung und Digitalisierung – aufgrund drohenden Verlustes des Arbeitsplatzes – gegen die herrschende Elite selbst wendet: Mit dem Fortschreiten der Informationstechnologie könnten nicht nur viele Arbeitsplätze verloren gehen, sondern die UnternehmerInnen könnten die Grundlage ihres Profits verlieren.


Ist der Kapitalismus am Ende? (2)

28. November 2016

Um zu zeigen, dass die Entwicklung der Informationstechnologie das Ende des Kapitalismus einleitet, greift Mason auf die Arbeitswerttheorie zurück. Die Debatte, woher der Wert der Produkte und Dienstleistungen kommt, hat eine lange Tradition in der Ökonomie. Sie geht auf Adam Smith zurück. Dieser schrieb 1776 in seinem Hauptwerk „Der Wohlstand der Nationen“: „Nicht mit Gold oder Silber, sondern mit Arbeit wurde aller Reichtum dieser Welt letztlich erworben. Und sein Wert ist für die Besitzer, die ihn gegen neue Güter austauschen möchten, genau gleich der Arbeitsmenge, die sie damit kaufen oder über die sie mit seiner Hilfe verfügen können.“ Die Untergrundgewerkschaften erreichte diese Idee über die Gedanken von David Ricardo. Also nicht der Grenznutzen von Angebot und Nachfrage, wie iindustrie_4_0n der hegemonialen Konzeption der Neoklassik (z.B. Léon Walras) angenommen, bestimmen laut Mason den Wert der Produkte, sondern in den Worten von Marx „die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit“. Warum ist das für Mason so wichtig? Nun, damit hat er den Maßstab in der Hand, der das revolutionäre Potential der neuen Technologien aufzeigt.

 

Informationstechnologie

Wenn durch die moderne Technologie die Herstellungskosten wegen des Einsatzes von Maschinen und Robotern gegen Null gehen, verliere der Kapitalismus die entscheidende Grundlage seines Funktionierens, nämlich die Quelle des Profits. „Eine auf Wissen beruhende Volkswirtschaft kann aufgrund ihrer Tendenz zu kostenlosen Produkten und schwachen Eigentumsrechten keine kapitalistische Volkswirtschaft mehr sein“ (S.234), ist die Schlussfolgerung von Mason.

 

Konzerne wie Apple, Amazon und Google versuchten zwar in einem letzten Aufbäumen durch Monopolbildung und Aneignung der in der Kommunikation mit den KundInnen anfallenden Daten einen Informationskapitalismus am Leben zu erhalten. „Der Kapitalismus beginnt, sich in einen Verteidigungsmechanismus gegen die Peer-Produktion zu verwandeln, indem er Informationsmonopole errichtet, eine Schwächung der Lohnbeziehung zulässt und irrationale, auf der Nutzung fossiler Energieträger beruhende Geschäftsmodelle verfolgt.“ (S.195) Letztlich, ist Mason überzeugt, sei dieser Versuch jedoch zum Scheitern verurteilt, weil gegen das Anwachsen von kostenlosem Wissen, z.B. durch Wikipedia, nicht anzukommen sei.

 

Das vernetzte Individuum

„Die nächste Frage ist: Wer wird dafür sorgen, dass diese Welt Wirklichkeit wird?“ (S.235) Der Marxismus sah in der Arbeiterklasse den unbewussten Agenten, der dem Kapitalismus den Dolchstoß versetzen wird. Mit André Gorz stimmt Mason darin überein, dass die Arbeiterklasse diese Erwartungen nicht erfüllt hat und auch nicht mehr erfüllen kann. „Im Jahr 1980 verkündete der französische Philosoph André Gorz, die Arbeiterklasse sei tot. Sie sei als soziale Gruppe gespalten und kulturell enteignet worden und spiele als Agent des gesellschaftlichen Fortschritts keine Rolle mehr.“ (S.237) Mit dem Neoliberalismus sei die Macht der Gewerkschaften und die gesellschaftliche Stellung der ArbeitnehmerInnen einfach so geschwächt worden, dass dem Kapitalismus von dieser Seite keine Gefahr mehr drohe.

 

Allerdings habe der Neoliberalismus übersehen, dass die Informationstheorie global vernetzte Individuen hervorgebracht hat, die Zugang zu einem schier unerschöpflichen Wissen haben. Selbst in China, wo die ArbeiterInnen noch immer unter sklavenhaften Bedingungen produzieren müssen, seien „digitale Rebellen“ anzutreffen. „Dank des Smartphones trägt jeder chinesische Arbeiter das Internetcafé in seinem Blaumann mit sich herum.“ (S.278) Die Unzufriedenheit dieser gut vernetzten Individuen über die größer werdende Ungleichheit und die Zunahme prekärer Arbeit, so Mason, nehme weltweit stark zu. Eine Vielzahl von Protestbewegungen, z.B. der arabische Frühling, zeige das Potential der Rebellion auf. „Die Sehnsucht nach einem radikalen wirtschaftlichen Kurswechsel ist groß“ (S.280), beurteilt Mason die Sprengkraft der Widerstandsbewegungen. „Die nächste Frage ist: Was müssen wir tun, um ihn herbeizuführen?“ (Ebd.)

 

Wie Mason diese Frage im dritten und unbefriedigendsten Teil seines Buches auflöst, werde ich im nächsten Blogartikel behandeln.


Warum wir den Fiskalpakt ablehnen sollten

9. Mai 2012

1. Was ist der Fiskalpakt?

Der Fiskalpakt ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen 25 Mitgliedstaaten der EU (alle außer Großbritannien und Tschechien), der unter anderem vorsieht, dass alle Unterzeichnerstaaten bis zum 1. Januar 2014 sogenannte Schuldenbremsen einführen. Diese Schuldenbremse ist in einigen Punkten schärfer als die in Österreich auf einfachgesetzlicher Ebene bereits beschlossene „Schuldenbremse“ und soll sie auf  dauerhaft gelten.

Die Möglichkeit, Budgetpolitik zu gestalten, wird einschneidend beschnitten, der Vertrag legt sich auf fortwährende einseitige Sparpolitik fest, mit vielen Automatismen, die Gestaltungsmöglichkeiten der Regierung und des Parlamentes drastisch beschneiden. Andererseits wird insbesondere der Europäischen Kommission ein großer Spielraum bei der Ausgestaltung der Regeln gegeben, ebenso wie bei der Interpretation, wann Mitgliedstaaten von einem ausgeglichenen Haushalt abweichen. Letzteres insbesondere dadurch, dass im Vertrag festgelegt ist, dass Staaten die Grenze eines strukturellen – konjunkturbereinigten – Defizits von maximal 0,5% des BIP einhalten müssen. Die Berechnung des strukturellen Defizits ist allerdings auch unter ÖkonomInnen sehr umstritten, es gibt viele verschiedene Berechnungsarten, die je nach den benutzten Annahmen in ihrem Ergebnis weit voneinander abweichen können.

Der Vertrag ist so gestaltet, dass kein Staat einseitig austreten kann, auch wenn er es will. In Österreich liegt der Vertrag derzeit zur Abstimmung im Parlament, es wurde jedoch noch kein Zeitplan für die Behandlung bekanntgegeben.

2. Warum sollten wir den Fiskalpakt ablehnen?

Der Fiskalpakt ist ein massiver Angriff auf Demokratie und soziale Errungenschaften. Insbesondere wird das „Königsrecht“ der Parlamente – das Recht, den eigenen Haushalt zu gestalten – massiv eingeschränkt und teilweise auf die nicht gewählte EU-Kommission übertragen. Rechte der Legislative sollen auf eine Institution der (europäischen) Exekutive übertragen werden – das ist demokratisch mehr als fragwürdig.

Die „Schuldenbremse“ des Fiskalpakts wirkt effektiv als „Haushaltsdeckel“, der den Druck steigert, mehr Sozialabbau durchzusetzen, Löhne im öffentlichen Sektor zu senken und öffentliche Investitionen zurückzufahren. Sinnvolle öffentliche Ausgaben sollen gekürzt werden, während gleichzeitig die Banken mit Milliarden gerettet werden. Mehr noch, es ist vorgesehen, dass bei Überschreiten des Defizits automatisch Ausgabenkürzungen einsetzen sollen und dass eine neue Institution geschaffen werden muss, die die permanente Sparpolitik – einseitige Kürzungspolitik – überwacht. Wie das genau zu geschehen hat, ist im Vertrag sehr vage formuliert („löst automatisch einen Korrekturmechanismus aus“), aber der Europäischen Kommission wird das Recht gegeben – wohl erst nach Beschluss des Fiskalpaktes – dazu Vorschläge vorzulegen. Die Staaten verpflichten sich aber auf jeden Fall, diese Vorschläge in nationales Recht umzusetzen. Falls sie dies nicht tun, droht eine Klage beim Europäischen Gerichtshof mit möglichen Strafzahlungen.

Außerdem ist ein späterer Ausstieg aus dem Fiskalpakt nicht vorgesehen: Der Vertrag enthält keine Kündigungsklausel. Er kann daher nur einstimmig von allen Unterzeichnerstaaten aufgehoben werden. Somit schreibt der Vertrag die einseitige Spar- und Kürzungspolitik für auf Dauer fest.

3. Der Fiskalvertrag ist undemokratisch

Der Fiskalvertrag beschränkt das wichtigste Recht der nationalen Parlamente: das Haushaltsrecht. Das Haushaltsrecht ist deshalb so zentral, weil die Entscheidung über die Einnahmen („Wer bezahlt wie viel Steuern?“) und die Ausgaben („Wofür wird Geld ausgegeben und wofür nicht?“) das Zusammenleben der Gesellschaft maßgeblich prägt.

Die Einschränkungen des Haushaltsrechts durch den Fiskalpakt geschehen zum einen über starre Regeln (z.B. die „Schuldenbremse“) und automatische Sanktionen bei Verfehlungen. Zum anderen erhält die nicht demokratisch gewählte Europäische Kommission ein großes Mitspracherecht: Alle Länder, die im sogenannten Defizitverfahren sind – wie auch Österreich – müssen ihre Haushaltsprogramme und Strukturreformprogramme künftig von der Kommission und dem Rat genehmigen lassen. Das heißt, die Kommission bekommt ein Vetorecht: Wenn ihr die Wirtschaftspolitik, die die österreichische Regierung und das österreichische Parlament vorschlagen, nicht passt, kann sie diese ablehnen!

Für Österreich bedeutet der Fiskalpakt faktisch, dass wesentliche Prinzipien unserer Verfassung – hinsichtlich der Gestaltung des Budgets – de facto außer Kraft gesetzt werden.

4. Der Fiskalpakt ist unsozial

Die meisten Euroländer sind verschuldet, weil sie über zu wenig Steuermittel verfügen – insbesondere die Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen wurden in den letzten Jahren drastisch gesenkt, auch durch den Steuersenkungswettbewerb innerhalb der Europäischen Union.

Der Fiskalvertrag ändert an diesen Ursachen der Verschuldung gar nichts, da er sich nur auf die Ausgabenseite bezieht und dort drastische Kürzungen verlangt. Diese treffen in aller Regel überwiegend die Bevölkerung am unteren Ende der Einkommensskala. Soziale Ungleichheit wird mit dem Fiskalvertrag somit weiter verschärft.

Bei Abweichung vom ausgeglichenen Haushalt muss ein automatischer Korrekturmechanismus greifen, d.h. wohl automatische Ausgabenkürzungen, wobei absehbar ist, dass diese ebenfalls vor allem die Sozialausgaben betreffen werden.

5. Der Fiskalpakt wirkt anti-europäisch

Der Vertrag selbst wirkt anti-europäisch, es sich um einen Vertrag außerhalb der EU-Verträge handelt, an dem nicht alle EU-Mitgliedstaaten teilnehmen. Der Fiskalpakt steht somit im Widerspruch zum EU-Recht. Außerdem sollte die europäische Integration laut dem Vertrag von Lissabon zu einem demokratischen und sozial gerechteren Europa führen – genau dem widerspricht jedoch der Fiskalpakt.

6. Der Fiskalpakt ist kein geeignetes Werkzeug, um die Krise zu überwinden

Der Fiskalvertrag zwingt alle Staaten zu einer Politik der Ausgabenkürzung und Privatisierung. Doch die Eurokrise wurde nicht dadurch verursacht, dass die Staaten „über ihre Verhältnisse“ gelebt und beispielsweise zu viel für Sozialleistungen ausgegeben haben. Vielmehr gaben die Staaten in der Finanzkrise Milliarden zur Rettung der Banken und zur Stützung der Konjunktur aus. Dadurch explodierten die Schulden.

Das Beispiel Griechenland zeigt noch dazu sehr deutlich, dass die Schulden eines Landes sogar noch steigen, wenn eine rigide Kürzungspolitik, wie sie im Fiskalvertrag vorgesehen ist, die wirtschaftliche Krise durch Einkommensausfälle noch verschärft. Wenn die Haushalte weniger Geld haben, gehen Unternehmen pleite und die Arbeitslosigkeit steigt. In weiterer Folge nimmt der Staat weniger Steuern ein und er hat mehr Ausgaben. Der Fiskalvertrag ist damit auch ökonomisch unsinnig.

7. Der Fiskalpakt führt zu Kürzungen und Privatisierungen

Der Fiskalvertrag sieht vor, dass alle Unterzeichnerstaaten bis zum 1. Januar 2014 Schuldenbremsen und automatische Korrekturmechanismen mit strenger Überwachung eingeführt haben und zwar möglichst in ihrer nationalen Verfassungen verankert. Wer dies nicht macht, kann dafür vor dem Europäischen Gerichtshof mit hohen Geldbußen belangt werden. Wird die Schuldenbremse – ein strukturelles Defizit von maximal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – nicht eingehalten, werden automatisch Ausgaben gekürzt.

Länder, die im Defizitverfahren sind, wie derzeit auch Österreich, müssen einen Plan vorlegen, wie sie das Defizit reduzieren wollen. Der Plan muss von der Europäischen Kommission und dem Rat genehmigt werden. Diese Gremien werden nur Maßnahmen billigen, die ihrer rigiden Spardoktrin folgen.

Für Länder mit einem Schuldenstand von über 60 Prozent des BIP gilt das gleiche; sie sind außerdem verpflichtet, alle über diesen Wert hinausgehenden Schulden um 5 Prozent pro Jahr abzubauen. Für viele Länder heißt das, dass sie künftig Haushaltsüberschüsse erzielen müssen, was nur mit noch stärkeren Ausgabenkürzungen und mit der Privatisierung öffentlicher Unternehmen erreichbar ist.

8. Alternativen zur Überwindung der Krise

Statt die Krise mit Einschränkungen der Ausgaben bewältigen zu wollen, wie es der Fiskalpakt vorsieht, ist eine Anpassung der Einnahmen zur Verringerung der Schulden wesentlich sinnvoller. Die negativen Effekte der Kürzungspolitik, Verarmung bis hin zur Verelendung breiter Bevölkerungsschichten bleiben aus, wenn die Hauptlast der Krisenkosten von den hohen EinkommensbezieherInnen und Vermögenden getragen wird.

Denkbare wirksame Maßnahmen sind beispielsweise eine EU-weite Vermögensabgabe, die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer, höhere Steuern auf Kapitalerträge und die Einführung der Finanztransaktionssteuer.

Um eine weitere Verschärfung der Krise zu verhindern, müssen außerdem die Finanzmärkte reguliert werden, damit diese nicht mehr gegen einzelne Staaten spekulieren können bzw. nicht durch notwendige Rettungsmaßnahen für Banken die Staatsschulden belasten können.

 

Fazit:

Wir sollten den Fiskalpakt (zumindest in der aktuellen Form) ablehnen und mit Frankreich den Weg einer Neuverhandlung einschlagen.


Die Schuldenbremse ist wirtschaftspolitischer Unsinn

17. November 2011

Der Ministerrat hat am 15. November 2011 beschlossen, eine Schuldenbremse in die österreichische Verfassung zu schreiben. Damit soll erreicht werden, dass der Bund in Österreich ab 2017 nur noch eine Neuverschuldung von höchstens 0,35 % hat. Die Länder und Gemeinden sollen überhaupt ausgeglichen bilanzieren. Wenn die konjunkturelle Situation es erlaubt, soll in guten Jahren das Defizit sogar verringert werden. Bis 2021 soll dadurch die Gesamtverschuldung Österreichs auf unter 60 % des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden.

Wie ist diese Maßnahme aus einer gesamtwirtschaftlichen Sicht zu beurteilen? Nun, zunächst ist zu betonen, dass der Hintergrund für diese Maßnahme der massive Druck der Finanzmärkte auf die europäische Politik ist. Es herrscht seit Monaten ein großes Misstrauen gegenüber den Staaten des Euroraums. Das  hat dazu geführt, dass die Zinsen für Staatsanleihen steigen und die Kosten für Kreditausfallversicherungen gewaltig in die Höhe schießen. Neben Griechenland, Portugal, Spanien und Italien sind inzwischen Länder wie Frankreich oder Österreich betroffen. Denn sie müssen fürchten, dass sie den Status von Triple A-Schuldnern verlieren. Eine Herabstufung würde jedoch dazu führen, dass deutlich mehr Kosten für den Schuldendienst aufgrund höherer Zinszahlungen anfallen. Die Schuldenbremse ist also als ein Versuch zu sehen, die Finanzmärkte und die Ratingagenturen zu beruhigen.

Zu dieser Absicht ist zunächst zu bemerken, dass alle bisherigen Versuche der europäischen Politik, die Finanzmärkte in Zusammenhang mit der „Schuldenkrise“ zu besänftigen, fehlgeschlagen sind. Sie haben bisher nur zu einer kurzfristigen Beruhigung geführt, auf die stets noch schwerere Erschütterungen gefolgt sind. Wieso also sollte die Einführung einer Schuldenbremse nun Erfolg haben? Dass Österreich nach der Ankündigung der Schuldenbremse sogar höhere Zinsen für Anleihen zahlen muss, deutet darauf hin, dass diese Maßnahme ihre Wirkung verfehlen wird.

Außerdem darf nicht verschwiegen werden, dass in Hinsicht auf eine vernünftige Gestaltung der Staatsfinanzen die Schuldenbremse wirtschaftspolitischer Unsinn ist. Denn langfristig sind Staatsfinanzen nur dann in Ordnung zu bringen, wenn ein Staat sich der konjunkturellen Situation angepasst verhält. Wenn eine Hochkonjunktur mit hohem Wirtschaftswachstum herrscht, dann sollte der Staat diese Situation nützen, um über höhere Steuereinnahmen Defizite abzubauen. In einer Rezession bzw. während eines Wirtschaftsabschwungs darf eine Regierung jedoch nicht sparen, sondern sie muss antizyklisch investieren, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. In einer solchen Situation zu sparen, wäre vielmehr kontraproduktiv. Denn durch Sparmaßnahmen während einer Rezession wird der Abschwung verstärkt. Dies führt dann zu einem massiven Einbruch der Staatseinnahmen. Dadurch werden die Schulden am Ende größer statt geringer. D.h. eine Schuldenbremse hat im Falle einer Rezession den gegenteiligen Effekt: sie führt zu mehr statt weniger Schulden!

Die Schlussfolgerung daraus ist somit, dass der Staat zur Konsolidierung des Budgets ein strenges antizyklisches Programm verfolgen sollte. Einsparungen, die keine negativen Auswirkungen auf die Konjunktur haben (wie Vermögensteuern oder eine ausgewogene Verwaltungsreform), sind dabei immer möglich. Eine Schuldenbremse hingegen, die durch Einsparungen zu weniger Einkommen großer Teile der Bevölkerung führt,  gefährdet den Wohlstand aller, da dadurch das Wirtschaftswachstum gebremst bzw. überhaupt verhindert wird. Deshalb sollte sich Österreich nicht dem Druck der Finanzmärkte beugen und auf diese unsinnige Maßnahme verzichten.


Ein solidarischer Lösungsansatz für die Eurokrise

26. Oktober 2011

Seit vielen Monaten geistert das Gespenst Euro- und Schuldenkrise in der öffentlichen Debatte herum. Diese begann damit, dass die Finanzmärkte wegen des hohen Defizits in Griechenland beunruhigt wurden und Griechenland rasant steigende Zinskosten für seine Staatsanleihen zu tragen hatte. Daher wurde von der europäischen Politik und dem IWF zunächst versucht, Griechenland durch radikale Sparmaßnahmen zu einem niedrigeren Budgetdefizit zu verhelfen und dadurch die Lage auf den Finanzmärkte zu beruhigen. Wie jedem, der über einiges volkswirtschaftliches Grundverständnis verfügt, von Anfang an klar war, ist die Situation jedoch nur schlimmer geworden. Die Sparmaßnahmen haben die griechische Wirtschaft weiter schrumpfen lassen und das Defizit wurde im Vergleich zum sinkenden Bruttoinlandsprodukt sogar noch schlimmer.

Als die Finanzmärkte dazu übergingen, gegen weitere Staaten wegen der stark gestiegenen Defizite vorzugehen (Portugal, Spanien, Italien), verlegte sich die Politik in der EU darauf, durch großzügige Garantieerklärungen (vulgo Rettungsschirme) des gesamten Euroraums die Finanzmärkte zu beruhigen und finanzierbare Rahmenbedingungen für die Schuldenlast zu schaffen. Doch der Druck der Finanzmärkte auf die Defizitländer der Eurozone blieb ungebrochen und auch Griechenland konnte nach wie vor keine Atempause verschafft werden. Der Rettungsschirm musste deutlich aufgestockt werden (440 Milliarden Euro) und inzwischen ist eine Hebelung im Gespräch, die die Garantien auf bis zu 2 Billionen Euro erhöhen soll.

Außerdem ist ein Schuldenschnitt von mehr als 50 Prozent für Griechenland, der lange Zeit ausgeschlossen wurde, inzwischen weitgehend akkordiert. Auch die Notwendigkeit von neuen Bankenrettungspaketen wird nicht ausgeschlossen. In dieser Situation wird die lange bekämpfte Finanztransaktionssteuer nun doch endlich umgesetzt werden, da die EU dringend Einnahmen benötigt. Als nächster Schritt zeichnet sich sogar eine Vertragsänderung der EU ab, die eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik ermöglichen und wirtschaftliche Ungleichgewichte in der bisherigen Form verhindern soll.

Können diese Maßnahmen die Probleme lösen? Die Antwort ist leider ein eindeutiges nein, da diese Maßnahmen nur bei den Symptomen ansetzen, aber nicht an die Ursachen heranreichen. Denn die Gründe für die derzeitige Situation liegen in der Finanzkrise 2007/2008. Durch eine gewaltige Spekulationsblase, die schließlich zusammenbricht, war das globale Finanzsystem aufgrund undurchschaubarer Risiken und nicht bewältigbarer Verbindlichkeiten am Rande des völligen Kollapses. Nur durch gewaltige staatliche Hilfen für das Finanzsystem und umfassende Konjunkturprogramme konnte das Finanzsystem gerettet und die aus der Finanzkrise entstandene Weltwirtschaftskrise abgefangen werden. Doch diese Kosten haben die Staatsdefizite rasant ansteigen wachsen – vor allem in jenen Ländern, die schon vor der Krise aufgrund eines deutlichen Leistungsbilanzdefizits ungünstige Bedingungen hatten. Deshalb begannen die Finanzmärkte, massiv gegen diese Staaten zu spekulieren (z.B. in Form von Kreditausfallversicherungen) und auf die Politik Druck auszuüben, etwas gegen die „horrenden“ Staatsschulden zu unternehmen.

Das ist insofern äußerst zynisch, als die hohen Schuldenzuwächse zum Großteil auf die Kappe der „Bankenrettung“ gehen und die Finanzinvestoren auch noch an den hohen Zinsen für Staatsanleihen und den explodierenden Kursen der Kreditausfallversicherungen verdienen. Können die betroffenen Staaten freilich die Schuldenlast nicht mehr tragen und ein Schuldenschnitt ist unumgänglich, dann schlägt sich das wiederum in den Bilanzen jener Banken verheerend nieder, die im Besitz dieser Anleihen sind. Dann müssen diese Banken wieder von den Staaten gerettet werden. Was wiederum die Staatsschulden in die Höhe treibt. Ein Teufelskreis also.

Wenn in diesen Rettungszyklen versucht wird, die Kosten durch  massive staatliche Einsparungen im Sozialbereich und radikale Kürzung der öffentlichen Ausgaben und Beschäftigung auf die Unter- und Mittelschicht abzuwälzen, dann führt das unweigerlich zum Zusammenbruch des innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Zusammenhalts. Wie wir aus der Geschichte wissen, kann dies zu gewalttätigen Unruhen, Bürgerkriegen oder sogar zu Kriegen zwischen Staaten führen.

Kann dieser Teufelskreis durchbrochen werden? Ja! Aber dazu müssen die Probleme bei der Wurzel gepackt werden. Die Finanzkrise von 2007/2008 ist die Folge des Zusammenbruchs des Systems von Bretton Woods (das zweifelsohne mit der amerikanischen Dominanz und der aussichtlosen Situation der Entwicklungsländer auch Schwächen hatte), der nachfolgenden Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte sowie dem Abgehen von der fordistischen Allianz von Kapital und Arbeit, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine lange Periode des Wirtschaftswachstums und der allgemeinen Wohlstandssteigerung ermöglichte.

Das darauf folgende neoliberale Paradigma in der Finanz- und Wirtschaftspolitik ließ die Gewinneinkommen rasant steigen, während die Lohneinkommen nur mehr bei den obersten zehn Prozent stiegen. Dies führte zu einer massiven Ungleichverteilung von Vermögen und einer Schwächung der Realwirtschaft. Die Vermögenden investieren ihr Geld in immer abenteuerliche Finanzinstrumente, die hohe Gewinne versprechen, aber das Risiko an die Gesellschaft abwälzen. Als ab 2006/2007 eine gewaltige Spekulationsblase  mit forderungsbesicherten Wertpapieren (CDOs) am Immobilienmarkt platzt, können Hausbesitzer ihre Hypothekenzahlungen nicht mehr bedienen und verlieren dadurch ihre Häuser, das gesamte Bankensystem sitzt auf einer Unmenge praktisch wertloser Forderungen, Versicherungsunternehmen, die diese Wertpapiere oder Investmentbanken abgesichert haben,  werden insolvent (z.B. AIG). Wie schon weiter oben angeführt, sprangen die Staaten ein, um einen völligen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern, indem sie gigantische Garantien abgaben.

Dieser Entwicklung kann nur dadurch begegnet werden, dass folgende 12 Maßnahmen in der Europäischen Union möglichst bald ergriffen werden:

  1. Griechenland werden 50 % der Schulden erlassen, damit das Land eine Möglichkeit bekommt, sich aus der Schuldenfalle zu befreien.
  2. Griechenland werden von EU und IWF keine weiteren Sparmaßnahmen auf Kosten der Bevölkerung vorgeschrieben, sondern das Land dazu verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, die seine Staatseinnahmen erhöhen (Reformierung des Steuer- und Abgabensystems, effizientere Finanzverwaltung) und seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern (Investitionen in moderne Technologien, z.B. Solarenergie), aber nicht den Einbruch der Wirtschaft fortschreiben.
  3. Alle großen Finanzinstitute (Bilanzsumme größer als 1 Mrd. Euro) werden europaweit unter staatliche Kontrolle gestellt. Dann werden diese Institutionen dahingehend überprüft, ob sich nach objektiver Bewertung eigentlich uneinbringliche Verbindlichkeiten aus Spekulationsgeschäften in ihren Bilanzen versteckt halten.
  4. Jene Bereiche dieser Institutionen (falls solche Unterteilungen vorhanden sind), die sich in der Überprüfung als tatsächlich insolvent herausstellen, werden in einem geordneten Insolvenzverfahren abgewickelt und anschließend geschlossen. Bei den kleineren Instituten unter den großen Playern (weniger als 50 Mrd. Euro Bilanzsumme) ist auch eine komplette Schließung vorbehalten.
  5. Die tragfähigen Bereiche der großen Finanzinstitute werden in kleinere Einheiten zerschlagen und einer strengen gesellschaftlichen Kontrolle überantwortet, damit keines dieser Unternehmen mehr wegen der Systemrelevanz zu groß für eine Insolvenz wird. Der Fokus soll dabei auf die Kernaufgaben des Finanzsystems gelegt werden: die Verzinsung von Spareinlagen und die Finanzierung der Realwirtschaft durch Investitionskredite; die anderen Bereiche (Investmentbanking, Hedgefonds, Private Equity usw.) werden deutlich verkleinert.
  6. Finanzielle Instrumente, die potentielle Massenvernichtungswaffen für das Finanzsystem darstellen, wie Hedgefonds, CDOs, CDS, werden einer strengen staatlichen Regulierung unterworfen, die von einer eigens dafür zu schaffenden Behörde übernommen wird. Diese Behörde achtet darauf, dass diese Instrumente nur noch zum Zwecke der Absicherung der eigenen Basispapiere verwendet werden; die Spekulation mit diesen Instrumenten wird also verboten.
  7. Die Bewertung von Staaten durch Ratingagenturen wird ausgesetzt, um die Spekulation gegen Defizitländer zu bremsen. In einem nächsten Schritt müssen die Ratingagenturen reformiert werden. Sie sollten in Zukunft jene Unternehmen, die sie sie bewerten, nicht mehr beraten dürfen; sie werden außerdem nicht mehr von den Wertpapieremittenten, sondern über einen Einlagenfonds von den Investoren für ihre Dienstleistung bezahlt.
  8. Die Staaten der Europäischen Gemeinschaft geben gemeinsame Staatsanleihen (sogenannte Eurobonds) heraus, um ihre Schulden zu finanzieren. Damit werden der Zinswettbewerb unter den Mitgliedsländern und das Wetten der Finanzmärkte gegen einzelne Staaten unterbunden. Als Alternative dazu könnte auch ein Europäischer Währungsfonds gegründet, der günstige Kredite an die Staaten vergibt.
  9. Um die Einlagen von Kleinanlegern (bis 100.000 Euro) in den insolventen Bereichen des Finanzsystems  für ihre Verluste entschädigen zu können, werden neue Einnahmequellen (zeitlich befristet) herangezogen: z.B. die Finanztransaktionssteuer, höhere Vermögenssteuern, höhere Besteuerung für sehr hohe Einkommen, höhere Besteuerung des Kapitalertrags.
  10. Diese zusätzlichen Einnahmen dienen dazu, die Staatsschulden abzubauen, in den Ausbau der sozialen Dienstleistungen und des Gesundheitssystem (Prävention), die Entwicklung ökologisch nachhaltiger Energiegewinnung und die nachhaltig ausgerichtete Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur zu investieren. Dadurch werden neue Arbeitsplätze geschaffen, die Konsumnachfrage gestärkt und somit das Wachstum nachhaltig angekurbelt. Dies führt in weiterer Folge zu höheren Staatseinnahmen und einer geringeren Staatsverschuldung.
  11. Um nicht nur Einkommen und Vermögen gerechter zu verteilen, sondern auch die Arbeit, wird die gesetzliche Normalarbeitszeit auf 36 Stunden reduziert und die Gewerkschaften aufgefordert, weitere Schritte der Arbeitszeitverkürzung in ihre Kollektivvertragsverhandlungen aufzunehmen.
  12. Um in Zukunft verheerende ökonomische Ungleichgewichte zu verhindern, wird die EU-Verfassung dahingehend reformiert, dass die EU zu einer tatsächlichen Finanz- und Wirtschaftsunion wird. Die Verfügung über die gemeinsame Wirtschaftspolitik darf dabei aber nicht in erster Linie in der Hand der EU-Kommission oder beim Europäischen  Rat liegen, sondern muss durch eine Stärkung der europäischen Demokratie vorrangig beim EU-Parlament angesiedelt sein. Das Parlament darf dabei aber  nicht die Minderheitenrechte von kleineren Ländern verletzen. Die Vorgaben für die Finanz- und Wirtschaftspolitik umfassen in Zukunft nicht nur Schuldengrenzen, sondern auch Vorgaben für eine harmonisierte Steuerpolitik, gemeinsame Wachstumsziele, Obergrenzen für die Arbeitslosigkeit, gemeinsame Zielsetzungen für eine stetige Lohnentwicklung, Zielkorridore für die Inflation.

Ausstieg aus der Euro-Krise: Wie Griechenland wirklich geholfen werden kann

3. Oktober 2011

Seit am 21. Juli 2011 die Regierungschefs der Eurozone zusammen gekommen, um über ein Rettungspaket für Griechenland zu beraten, kommt die Diskussion, wie Griechenland zu helfen ist, nicht zur Ruhe.

Erstmals in der EU-Schuldenkrise sollte sich die Finanzbranche von sich aus an der Rettung eines Euro-Landes beteiligen. Das geht aus dem Entwurf für die Abschlusserklärung des Brüsseler Euro-Gipfels hervor. In dem Papier, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, heißt es: „Der Finanzsektor hat seine Bereitschaft erklärt, Griechenland auf einer freiwilligen Basis mit einer Reihe von Optionen zu unterstützen (…).“ Dazu gehört beispielsweise der Umtausch von griechischen Anleihen in neue Bonds mit längeren Laufzeiten. Das diskutierte Modell dürfte auf einen Abschreibungsbedarf von rund 20 Prozent bei den Banken hinauslaufen. Im Vorfeld hatten einige Institute einen größeren Wertberichtigungsbedarf befürchtet. Je nach Ergebnis des Gipfels könne sich die Zahl aber noch ändern, hieß es. Insgesamt braucht Griechenland bis 2014 rund 115 Milliarden Euro. Laut einem Vorschlag der internationalen Bankenlobby IIF würden private Gläubiger unterm Strich 17 Milliarden Euro zur Finanzierung Griechenlands beitragen.

Zudem sind niedrigere Zinssätze und längere Laufzeiten angedacht. Die Kredite aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF sollten von 7,5 auf mindestens 15 Jahre verlängert werden. Dabei werde es entsprechende Überwachungsprogramme geben. Die Zinssätze sollten „rund 3,5“ Prozent betragen, ohne aber unter diesen Refinanzierungssatz zu gehen. Es sollte Anreize geben, um das Programm zu unterstützen, einschließlich von Sicherheiten Griechenlands.

Mit diesem „europäischen Marshallplan“ sollen Wachstum und Investitionen in Griechenland verstärkt werden. Dabei geht es vor allem um Regionalhilfen und Strukturfonds. Zudem soll der bisherige Euro-Rettungsschirm EFSF mit mehr Vollmachten ausgestattet werden. Er soll künftig unter bestimmten Konditionen auch Euro-Länder, die kein Rettungsprogramm erhalten haben, präventiv Gelder zur Verfügung stellen können, um die Banken in diesen Staaten zu rekapitalisieren, wie EU-Diplomaten mitteilten. Beobachter werten dies als einen Schritt in Richtung einer Art „Europäischer Währungsfonds“.

Außerdem soll der Euro-Rettungsschirm ermächtigt werden, auf Zuruf der Europäischen Zentralbank (EZB) Schuldtitel von Euro-Ländern, die  in Schwierigkeiten sind, zurückzukaufen. Von dieser Option würden nicht nur Griechenland, sondern auch Irland und Portugal profitieren, für die die EU und der IWF Rettungsprogramme beschlossen haben.

Seitdem sind Zweifel aufgekommen, wie ernst es der Finanzbranche tatsächlich mit ihrer Beteiligung an der Rettung Griechenlands ist. Denn ein genauerer Blick auf die Verhältnisse zeigt, dass viele Banken sich aus dem Geschäft mit griechischen Staatsanleihen zurückgezogen haben und sich daher auf diese Weise eine wesentlich geringere Beteiligung als die anvisierten 20 % ergeben.

In einem nächsten Schritt haben sich die Stimmen gemehrt, die keinen anderen Weg mehr sehen und daher eine geordnete Insolvenz Griechenlands fordern.

Daher müssen wir uns fragen, ob die obigen Antworten auf die Schuldenkrise von Griechenland und die Probleme des Euroraums nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 die richtigen sind? Um eine Antwort darauf zu geben, müssen wir folgende grundsätzlichen Zusammenhänge analysieren: Wie stellt sich die derzeitige Situation dar? Wie ist es zu den Problemen Griechenlands und anderer Eurostaaten abseits von den hetzerischen Zuschreibungen durch die Boulevardpresse gekommen? Welche Hintergründe sind also tatsächlich für die Explosion der Verschuldung vieler Staaten verantwortlich? Und schließlich: Welche Lösungen zeichnen sich aufgrund dieser Analyse als die wirklich hilfreichen für Griechenland und die Eurozone ab?

Keine Frage, die Situation des 11,8 Millionen Einwohner zählenden Landes ist ein höchst unerfreuliche. Die Verschuldung Griechenlands ist von 99,2 % des BIP 2008 auf 142,8 % 2010 gestiegen und die Prognosen gehen davon aus, dass die Schulden bis 2012 auf ca. 156 % des BIP steigen werden. D.h. die Schulden steigen jährlich um ca. 10 % an. Dazu kommt, dass das BIP seit 2009 laufend sinkt. Im Jahr der Krise waren es (nur) 2,2 %, 2010 dann 4,5 % und auch 2011 ist mit einem Sinken der Wirtschaftsleistung um ca. 3 % zu rechnen. In absoluten Zahlen sank das BIP von 236,9 Mrd. Euro  (2008) auf 230,2 Mrd. Euro (2010). Im Unterschied zu den nördlichen Mitgliedern des Euroraums ist die Wirtschaft nach dem krisenbedingten Einbruch 2009 also auch im folgenden Jahr nicht gewachsen und sie wird 2011 ebenfalls nicht wachsen. Die Arbeitslosigkeit hingegen stieg von 7,7 % (2008) auf 12,6 % (2010) und wird bis 2012 auf über 15 % ansteigen. Besonders dramatisch ist die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit: die Schätzungen gehen davon aus, dass jeder zweite Jugendliche in Griechenland keinen Job hat.

Wie ist es dazu gekommen? Nun, wie es inzwischen von den wichtigsten Akteuren auf den Finanzmärkten gerne verschwiegen wird, kam es 2009 aufgrund der Auswirkungen einer weltweiten schweren Finanzkrise zu einer Weltwirtschaftskrise. So wie auch alle anderen Länder, musste Griechenland 2008 seine Banken durch umfassende Garantien retten und Konjunkturpakte schnüren, um die die Wirtschaft anzukurbeln. Dazu kommt, dass Griechenland schon vor der Krise ein höheres Budgetdefizit aufgewiesen hat als die meisten nördlichen Euroländer und eigentlich schon vor dem Einstieg in den Euro die Voraussetzungen nicht erfüllt hat. Im Boulevard wird dieser Umstand gerne darauf reduziert, dass sich die „Schummelgriechen“ in den Euro gemogelt hätten und auch anschließend (mit Hilfe von Investmentbanken wie Goldman Sachs) nur durch Verschleierung ihrer Schulden geglänzt hätten.

Einer solchen undifferenzierten Schuldzuweisung möchten wir eine umfassende Analyse der Zusammenhänge entgegensetzen. Dazu müssen wir uns genauer ansehen, was die Hauptprobleme Griechenlands sind. Da ist zum Einen das ineffiziente Steuersystem. Das Ausmaß der Schattenwirtschaft wird von Experten auf 25 % des Bruttoinlandsproduktes geschätzt. Dadurch liegt Griechenland weit hinter dem europäischen Durchschnitt, was die Steuereinnahmen betrifft. Hinzu kommt, dass auch die Einnahmen der Einkommensteuer deutlich hinter dem europäischen Schnitt liegt, obwohl der Anteil der Selbstständigen weit über dem europäischen Schnitt liegt (ca. 35 % gegenüber 15 %). Das liegt einerseits an hohen Freibeträgen, andererseits daran, dass die UnternehmerInnen von den Behörden ungeahndet ihre Einkommenssituation so gestalten können, dass die Steuerleistung gering bleibt. Von Experten wird eingeschätzt, dass Griechenland Einnahmen von bis zu 30 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung entgehen. Allein mit der Einbringung dieser Einnahmen könnte das Budgetdefizit deutlich verbessert werden. Mit Sparmaßnahmen in der (auch Finanz-)Verwaltung wird das freilich nicht gelingen, da zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ein gute und schlagkräftige Finanzverwaltung nötig ist.

Das größte Problem jedoch, an dem das Land seit der Währungsunion leidet, ist ein massives Leistungsbilanzdefizit. 2008 betrug dieses 16,4 %, 2009 14,0 %, 2010 10,6 %.   2011 und 2012 wird es auf 8 bzw. 6,5 % zurückgehen. Aber damit ändert sich nichts Wesentliches daran, dass  das Land Jahr für Jahr deutlich mehr importiert als es exportiert. Auf diese Weise ist es unumgänglich, dass sich Griechenland immer stärker im Ausland verschuldet.

Wie kam es zu dieser ungünstigen Entwicklung im internationalen Vergleich? Die neoliberalen Exegeten würden darauf antworten, dass Griechenland selbst daran schuld sei, da es seine Wettbewerbsfähigkeit durch eine expansive Lohnpolitik verschlechtert habe. Während in Staaten wie Deutschland und Österreich aufgrund von Reallohneinbußen die Lohnstückkosten gesunken sind und dadurch die Exportleistungen stark gesteigert werden konnten, hat Griechenland daran festgehalten, die Reallöhne Jahr für Jahr wachsen zu lassen. Dadurch war einerseits die Inflation in Griechenland höher als bei seinen nördlichen Partnern. Andererseits hat Griechenland damit gegenüber der exportorientierten Konkurrenz an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Importe nahmen zu, während die Exporte zurückblieben. Finanziert wurde das Ganze dadurch, dass Kapital ins Land floss. Und dieses floss reichlich, da Griechenland den Anlegern höhere Zinsen als die nördlichen Euroländer bieten musste und aufgrund des stagnierenden Inlandkonsums Investitionen in den Überschussländern wenig attraktiv waren. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass zu einer solche Schieflage in der Leistungsbilanz zwei Seiten gehören: Auf der einen Seite exportorientierte Länder mir sinkenden Reallöhnen, die für die Kapitalanlage wenig attraktiv sind; auf der anderen Seite jene Länder, die aufgrund höherer Löhne und Inflation den Anlegern höhere Zinsen bieten, aber damit vermehrte Importe zu finanzieren haben.

Damit das erschreckende Budgetdefizit in den Griff bekommen werden kann, nützt es also nicht, wenn Griechenland rigorose Sparprogramme aufsetzt. Denn wenn Griechenland in seiner Situation bei den Beamten, Löhnen und Sozialleistungen spart, dann führt das zwar zu einer Reduzierung der Staatsausgaben und Schulden. Da damit zugleich aber auch das Bruttosozialprodukt sinkt, werden die Schulden im Verhältnis zum BIP nicht weniger, sondern eher mehr. Denn um rund die Hälfte der Einsparungen sinken in so einem Fall die Steuereinnahmen eines Staates. Außerdem steigen die Schulden Griechenlands allein schon durch die extrem hohen Zinsen, die das Land in der aktuellen Situation für seine Staatsanleihen bieten muss (bis zu 15 %!).

Griechenland kann sich also nicht aus der Schuldenkrise „heraussparen“, sondern es muss aus dieser „herauswachsen“. Dazu reicht es nicht, wenn der Euroraum mittels EFSF und ESM einen Schutzschirm spannt, um die Finanzmärkte zu beruhigen und von ihrer Spekulation gegen Griechenland und den Euro abzubringen. Denn damit werden die Finanzmärkte, die durch Fehlentwicklungen die Krise verursacht haben, für ihre Staatserpressung belohnt. Denn die Finanzmarktinstitutionen haben 2007/08 aufgrund ihrer spekulativen Fehlanreize in der Immobilienfinanzierung das globale Finanzsystem an den Rand des Kollapses gebracht und eine massive Wirtschaftskrise ausgelöst. Die Regierungen und mit ihnen die Steuerzahler mussten rettend  eingreifen, um das Bankensystem zu retten und die Weltwirtschaft durch Konjunkturpakete anzukurbeln. Diese Eingriffe haben aufgrund von Garantien, Investitionen und Einnahmenausfällen den Staaten viel Geld gekostet.  Die Finanzmärkte haben sich für ihre Rettung durch die Staaten damit bedankt, dass sie den Staaten die dadurch gestiegene Verschuldung vorwerfen und von dieser durch höhere Zinsleistung und Spekulation mit Kreditausfallversicherungen auch noch profitieren. So kann es nicht weitergehen. Denn auf diese Weise werden die europäischen Gesellschaften Schritt für Schritt zugunsten der Vermögenden, die auf den Finanzmärkten gewinnbringend engagiert sind, enteignet.

Vielmehr ist eine europäische Solidarität zwischen den Staaten und innerhalb der Gesellschaft in viel größerem Ausmaß gefragt. Zwischen den Staaten reicht es nicht aus, dass durch gegenseitige Garantien eine Pleite vermieden wird. Damit die Währungsunion funktionieren kann, müssen durch wirtschaftspolitische Koordination die Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Ungleichgewichte nicht aus dem Ruder laufen und sich ein Land nicht auf Kosten eines anderen im Wettbewerb Vorteile verschafft. Dazu ist es notwendig, dass die Staaten der Eurozone nicht nur ein Augenmerk auf Budgetdefizit und Inflation legen, sondern auch bei der Lohnentwicklung und in der Steuerpolitik zusammenarbeiten. Das heißt jedoch nicht, dass alle dem Beispiel Deutschlands folgen sollen, um den Weg der Reallohnkürzung zu gehen. Vielmehr geht es darum, dass in den Überschussländern eine wesentlich deutlichere Lohnsteigerung erfolgen muss, damit dort die Inlandsnachfrage angekurbelt wird und der Wettbewerbsvorteil gegenüber den Defizitländern abgebaut wird. Denn der entscheidende Punkt, um sich aus der Schuldenkrise zu befreien, ist ein starkes Wirtschaftswachstum, das mit höheren Staatseinnahmen verbunden ist. Deshalb ist auch eine koordinierte Steuerpolitik gefragt, die verhindert, dass ein ruinöser Steuerwettbewerb um die Unternehmen geführt wird, der den Staaten sinkende Einnahmen und damit verbunden höhere Schulden beschert.

In den Defizitländern wiederum wird es notwendig sein, dass die Lohnerhöhungen wesentlich moderater erfolgen, damit diese Länder ihren Wettbewerbsnachteil abbauen können. Denn innerhalb eines gemeinsamen Währungsraums kann dies nicht durch Abwertung der Währung passieren. Vor allem aber müssen diese Länder die Möglichkeit erhalten, durch gezielte Investitionen eine wettbewerbsfähige Industrie aufzubauen, damit die Abhängigkeit von den Importen reduziert werden kann. Dazu ist es notwendig, dass die Schulden nicht über Nacht abgebaut werden müssen, sondern durch ein stetiges Wachstumsprogramm langsam zurückgeführt werden können.

Innerhalb der europäischen Gesellschaften ist ein solidarischer Beitrag jener Schichten notwendig, die in den letzten Jahrzehnten überproportional von der neoliberalen Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte sowie von den Veränderungen in der Arbeitswelt profitiert haben. Denn diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Vermögende durch ihre Finanzinvestionen große Zugewinne erzielen konnten, die oberste Einkommensschicht durch ihre gute Verhandlungsposition gegenüber den anderen Gruppen deutlich im Vorteil waren. Gesamtwirtschaftlich gesehen war diese Entwicklung aber zum Nachteil, da die Entwicklung der Nachfrage stagniert ist und sich das Wachstum nicht in allen Bereichen gleichmäßig niedergeschlagen hat. Denn die obersten EinkommensbezieherInnen erhöhen dadurch nicht ihren Konsum, sondern sparen die Zugewinne, d.h. diese landen letztlich auf den Finanzmärkten. Eine Steigerung der Realwirtschaft wird dadurch jedoch nicht bewirkt, da diese nur über eine Beflügelung des Konsums erreicht werden kann.

Dafür gibt es nur einen gangbaren Weg. Jene, die über (größeres) Vermögen oder hohe Einkommen verfügen, müssen höhere Beiträge zahlen, da sie dadurch nicht gezwungen sind, ihren Konsum einzuschränken, sondern lediglich ihre Sparquote verringern. Die dadurch erzielten Mehreinnahmen des Staates sollen über niedrigere Steuern für niedrige und mittlere Einkommen sowie höhere Sozialleistungen jenen Schichten zufließen, die diese Zugewinne überwiegend in den Konsum stecken und dadurch das Wirtschaftswachstum befördern. Auf diese Weise wächst die Wirtschaft und die Steuereinnahmen werden größer. Und nur so kann ein Budgetdefizit langfristig wirksam und nachhaltig eingedämmt werden und ein Wachstumspfad beschritten werden, der nicht unsere letzten Ressourcen verschwendet, sondern auf die ökologischen Gleichgewichte Bedacht nimmt.


Österreichs Millionäre werden mehr – ihre Abgaben bisher nicht

5. Juni 2011

Wie der Kurier in seiner Ausgabe vom 1. Juni 2011 berichtet hat, gehört  die österreichische Volkswirtschaft nicht nur zu den reichsten der Welt, die Alpenrepublik beherbergt auch überproportional viele Superreiche – auf je hunderttausend österreichische Haushalte kommen statistisch gesehen acht Haushalte, die ein Vermögen von mehr als 100 Mio. Dollar besitzen. Dies entspricht umgerechnet 69,5 Mio. Euro. Damit befindet sich Österreich in Sachen Millionärsdichte an weltweit fünfter Stelle und wird dabei nur von ölreichen Staaten und Finanzzentren abgehängt (Saudi-Arabien, Schweiz, Hongkong, Kuwait). Dies geht aus dem 31. Mai 2011 publizierten aktuellen „Global Wealth Report“ der Boston Consulting Group (BCG) hervor.

Insgesamt verfügen 297 der 3,5 Millionen österreichische Haushalte über ein verwaltetes Vermögen von mehr als 100 Mio. Dollar. Weniger reich gesegnet ist die Alpenrepublik laut dieser Statistik mit einfachen Millionären – sie taucht im weltweiten Ranking der einfachen Millionärshaushalte nicht unter den ersten 15 auf. In Österreich gab es 2010 rund 37.000 Dollar-Millionäre. Die anteilsmäßig meisten (Dollar-) Millionäre gibt es in Singapur, wo 15,5 Prozent aller Haushalte über ein Vermögen von mehr als 1 Mio. Dollar (695.000 Euro) verfügen. In der Schweiz gehören 10 Prozent der Bevölkerung zu diesem „Club“. In Österreich belief sich das insgesamt verwaltete Vermögen von Privatanlegern 2010 auf 656 Mrd. US-Dollar (486 Mrd. Euro), was einem Zuwachs von rund 7 Prozent entspricht.

Ursache für das Wachstum des Reichtums war vor allem die gute Entwicklung der Finanzmärkte, die durch die kontinuierliche Umverteilung der Anlageformen verstärkt wurde, berichtet die BCG in ihrem Reichtumsbericht 2011. So stieg von Ende 2008 bis Ende 2010 der Anteil der in Aktien angelegten Vermögenswerte von 29 auf 35 Prozent. „Während der Krise setzten die Anleger vor allem auf Bargeld“, erläutert BCG-Expertin Ludger Kübel-Sorger. „Inzwischen haben die Kunden aber ihre Gelder wieder in risikoreichere Anlagen umgeschichtet.“

Weltweit sind die Vermögenswerte von Privatanlegern im vergangenen Jahr um acht Prozent auf rund 122 Billionen (122.000 Mrd.) US-Dollar gewachsen und lagen damit um 20 Billionen über dem Wert, der Ende 2008 während des Tiefpunktes der Finanzkrise erreicht wurde. Trotz der Finanzkrise war das globale Vermögen 2009 freilich noch schneller (10,3 Prozent) gewachsen. Bis 2015 wird es um jährlich „nur mehr“ sechs Prozent zunehmen – vor allem getrieben durch die Entwicklung der Kapitalmärkte und das weltweite BIP-Wachstum, schreibt BCG. Dabei werden die Vermögenswerte in den Emerging Markets am stärksten zulegen. Schon im vergangenen Jahr sind die Vermögenswerte in der Region Asien-Pazifik (exkl. Japan) mit einem Plus von 17,1 Prozent am stärksten gewachsen.

Der Reichtum ist jedoch ziemlich ungleich verteilt: Millionärs-Haushalte machen weltweit zwar weniger als 1 Prozent aller Haushalte aus, ihnen gehören aber 39 Prozent des weltweiten Vermögens. Die Zahl der Dollar-Millionärshaushalte beträgt weltweit rund 12,5 Millionen. Die meisten von ihnen wohnen in den USA (5,2 Millionen), gefolgt von Japan (1,5 Millionen), China (1,1 Millionen) und Großbritannien (570.000).

Daher fordern ÖGB und Arbeiterkammer seit Jahren einen höheren Beitrag der Reichen in Österreich zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben des Staates und zur Entlastung des Faktors Arbeit – wie zuletzt ÖGB-Präsident Erich Foglar in der ORF-Pressestunde. Der SPÖ Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter hat sich im Anschluss an den Reichtumsreport diesen Forderungen nun entschieden angeschlossen. In einer Aussendung am 3. Juni 2011 forderte er einen gesellschaftspolitischen Grundkonsens darüber, dass Vermögende einen größeren Beitrag zur Stabilität des Staatshaushaltes zu leisten haben. „Reichtum, Vermögen und Grundbesitz sind nicht nur einseitig verteilt, die Kluft zwischen arm und reich vergrößert sich Jahr für Jahr“, sagte er. Es sei aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit unerlässlich, dass die bereits 37.000 heimischen Dollarmillionäre, davon fast 300 Superreiche mit einem verwalteten Vermögen von jeweils mehr als 100 Millionen Dollar, über einen gerechten Beitrag zur Kasse gebeten werden, sagte Kräuter weiter.

Der SPÖ Bundesgeschäftsführer rechnete zur Erklärung nämlich vor: In Österreich kommen nur 1,4 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus vermögensbezogenen Steuern, in der EU sind dies 5,4 Prozent. Bei einer Anpassung an diesen Durchschnittswert würden vier Milliarden Euro jährlich zusätzlich für Bildungsinvestitionen, Gesundheitsaufgaben und zur Entlastung der wirklichen Leistungsträger zur Verfügung stehen.

Kräuter schloss seine Aussendung deshalb mit den Worten: „Letztendlich liegt sozialer Friede und gesellschaftspolitische Balance nicht nur im Interesse der hart arbeitenden Durchschnittsbevölkerung, es kommen Stabilität und sichere Rahmenbedingungen auch den Besitzenden und Vermögenden zugute. Daher sollte ein Grundkonsens für mehr Gerechtigkeit in Verteilungsfragen und eine höhere Besteuerung der Millionenvermögen in Österreich möglich sein.“ Da können wir ihm nur vollkommen beipflichten und darauf hoffen, dass die SPÖ diese Forderung endlich auch in der Koalition mit der Volkspartei durchsetzen kann. Die Chancen dafür sind freilich nicht allzu groß.


Der „six pack“ zur Economic Governance: Ein neoliberaler Coup der Europäischen Kommission gegen die Demokratie

23. Mai 2011

Aufgrund der (vermeintlich) schweren Schuldenkrise einiger südeuropäischer Länder wie Griechenland, Portugal und Spanien hat die Europäische Kommission im Schnellverfahren einige Änderungen und Ergänzungen zur „Economic  Governance“, d.h. zur Haushalts- und Budgetpolitik  bzw. genauer zu den Maßnahmen, die bei übermäßigem Defizit oder wirtschaftlichem Ungleichgewicht ergriffen werden können, in die Wege geleitet. In den Ausschüssen des Europäischen Parlaments werden derzeit insgesamt sechs Gesetzesvorschläge zu diesem Thema verhandelt, die am 8. Juni im Plenum des Europäischen Parlaments und eine Woche später vom Rat beschlossen werden sollen. Vier davon beschäftigen sich mit Defiziten und Schulden und sollen den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt stärken. Zwei weitere Gesetzesvorschläge fordern zum ersten Mal die Überwachung gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte. Bei diesen Entwürfen für Verordnungen handelt es sich somit entweder um Verschärfungen der bisherigen VO zu den Artikeln 121, 126 oder 136 AEUV oder um neue Verordnungen zu diesen Artikeln (COM [2010] 522, 523, 524, 525, 526, 527).

Hier die Zielsetzungen der Vorschläge laut Parlament im Überblick:

  • Die Kommission soll nationale Defizite in Zukunft besser überwachen und sanktionieren können.
  • Staaten, die ihre Bilanzen mit falschen Statistiken oder Berichten schönen, sollen eine Strafe von 0,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts bezahlen.
  • Wenn Staaten auf EU-Empfehlungen zum Abbau hoher Defizite oder Handelsüberschüsse nicht reagieren, sollen Strafen dafür früher greifen als bisher. Bei der ersten Mahnung werden 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fällig, danach 0,3 Prozent.

Begründet wird die Notwendigkeit solcher Maßnahmen damit, dass makroökonomische Ungleichgewichte und hohe Staatsdefizite Europa in die Krise geführt hätten. Um den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu stärken, soll daher die Schuldengrenze (60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) wichtiger werden. Bisher lag der Fokus mehr auf der Neuverschuldungsgrenze (drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr).

Neu ist aber auch die folgende Änderung im Verhältnis von Kommission und Rat: Abstimmungen über Sanktionen für Verstöße gegen diese Regeln (Strafzahlungen von 0,2 bis 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) sollen einer neuen Logik folgen: Bisher musste eine qualifizierte Mehrheit im Rat Sanktionen zustimmen, in Zukunft soll eine qualifizierte Mehrheit notwendig sein, um Sanktionen abzulehnen. Damit würde ein halbautomatischer Sanktionsprozess eingeführt, der es unwahrscheinlich macht, dass eine Ablehnung zeitgerecht erfolgen kann.

Auch sollen Indikatoren für wirtschaftliche Ungleichgewichte strenger überwacht werden. Wenn Ungleichgewichte erkannt werden, sollen Empfehlungen ausgesprochen werden, um sie abzubauen. Werden die Empfehlungen von den Mitgliedsstaaten nicht beachtet, soll es ähnlich wie beim Stabilitäts- und Wachstumspakt zu Sanktionen kommen.

Bei diesem Punkt horchen natürlich die Europarechtler sofort auf: Einige von diesen sind schon zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Änderungen nicht rechtskonform seien, da die in den Verordnungen vorgesehenen Maßnahmen nicht von den entsprechenden Artikeln über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) abgedeckt seien (z.B. Stefan Griller, Walter Obwexer).

Schwerer als die rechtliche Fragwürdigkeit wiegt jedoch, was diese Verordnungen für die Mitgliedstaaten der Union und ihre Wirtschaftspolitik bedeuten. Wenn diese Verordnungen wie vorgesehen beschlossen werden, dann hat zukünftig die Europäische Kommission einen gewichtigen Einfluss auf die Haushalts- und Budgetpolitik der Mitgliedstaaten und kann diese auf ein Sparprogramm verpflichten. Selbst in einer Wirtschaftskrise, wie wir sie in Europa gerade erlebt haben, können die MS künftig nicht mehr autonom einen progressiven wirtschaftlichen Kurs festlegen, um aus einer solchen Krise durch gezielte Investitionen „herauszuwachsen“. Denn die EU-Kommission hat dann die Möglichkeit, die Mitgliedstaaten auch in einer solchen Situation durch Sanktionen zu einem Sparkurs zu verpflichten und sogar (indirekt) Druck auf die Lohnpolitik  in den betroffenen Staaten auszuüben.

Der ÖGB, der DGB, der Europäische Gewerkschaftsbund und einige NGOs (z.B. Attac) haben deshalb massiv Kritik an diesen Plänen geübt  und die Kommission dazu aufgefordert, die fraglichen Vorhaben entsprechend abzuändern. Insbesondere fordern sie, dass die autonome Lohnpolitik auch in Zukunft gewährleistet wird. Aber auch die Möglichkeiten der MS, durch einen gezielten Wachstumskurs Defizite intelligent und nachhaltig zu bekämpfen, möchten die Gewerkschaften nicht durch einen dogmatischen verordneten Sparkurs (Austerity Governance) der Kommission in Gefahr bringen lassen.

Es ist deshalb dringend notwendig, dass auf breiter Front durch die Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft  Aufklärung der Bevölkerung über die Bedeutung dieser Pläne für die wirtschaftliche Zukunft erfolgt und anschließend ein breiter Widerstand gegen diese Pläne organisiert wird (siehe bspw. www.oureurope.org), um die Umsetzung dieser Verordnungen zu verhindern.


Die Ursachen für Schuldenkrise Portugals und wie sie wirklich gelöst werden kann

2. Mai 2011

In den letzten Wochen ging die folgende Horrormeldung durch die Presse: Das portugiesische Statistikamt hat das Budgetdefizit des Landes für das Jahr 2010 nach oben korrigiert. Wie die Behörde mitteilte, betrug die Neuverschuldung im vergangenen Jahr 9,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) statt der bisher angenommenen 8,6 Prozent. Die gesamte Staatsschuld lag demnach bei 93 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was fast 160,4 Milliarden Euro entspricht. Portugal verhandelt deshalb derzeit mit der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein Hilfspaket im Umfang von rund 80 Milliarden Euro. Im Gegenzug soll das Land bis Mitte Mai ein umfangreiches Sparpaket vorlegen.

Keine Frage, diese Zahlen sind sehr beunruhigend. Aber in allen Meldungen zur Schuldenkrise Portugals fehlt eine differenzierte Analyse dessen, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte. Der Tenor der Kommentare beschränkt sich darauf, so wie im Falle von Griechenland, dem Land eine unverantwortliche Verschwendung bei den Ausgaben vorzuhalten, die sich das Land einfach nicht leisten könne. Deshalb wird als einziges Rezept gegen die hohen Schulden und das erschreckende Budgetdefizit ein rigoroses Sparpaket von den Europäisches Institutionen und dem IWF gefordert. In der öffentlichen Verwaltung, im Sozialsystem und bei den Löhnen soll der Gürtel enger geschnallt werden, damit Portugal seine Schulden und das Budgetdefizit reduzieren kann.

Hält dieses obligatorische Rezept der neoliberal geprägten Institutionen für die Länder Südeuropas aber einer detaillierten Analyse Stand, wenn man sich eingehender mit den Ursachen für das Budgetdefizit auseinandersetzt und außerdem den volkswirtschaftlichen Erfahrungsschatz im Umgang mit Krisen heranzieht? Wie wir im Folgenden zeigen werden, ist die Antwort eindeutig nein.

Sehen wir uns an, wie es in den südeuropäischen Ländern zu dem hohen Defizit gekommen ist. Dazu müssen wir zur Einführung der Europäischen Währungsunion zurückkehren. Seit 1999 besteht die EWU und seit 1. Jänner 2002 gibt es den Euro als einheitliche Währung in den beteiligten Ländern. Vor der Einführung einer gemeinsamen Währung konnte jedes Land, wenn es im Wettbewerb zurückblieb, weil es bei den Lohnstückkosten nicht mithalten konnte, durch eine Abwertung seiner Währung diesen Nachteil wieder ausgleichen. Mit Einführung des Euro besteht diese Möglichkeit nicht mehr, sodass sich vor allem Unterschiede bei Lohnentwicklung und Inflation sehr stark auf die Wettbewerbsfähigkeit und in weiterer Folge auf das Handelsbilanzsaldo der EWU-Mitglieder auswirken. Länder wie Deutschland, Österreich und die Niederlande konnten durch sehr moderate Lohnentwicklung bei gleichzeitig hoher Produktivitätssteigerung gegenüber den südeuropäischen Ländern Griechenland, Spanien, Portugal und Italien deutliche Wettbewerbsvorteile erringen, die sich positiv in der Handelsbilanz dieser Länder niederschlugen. Während die ersteren Staaten deutliche Überschüsse erzielen konnten, haben die letzteren seit vielen Jahren ein großes Minus zu verbuchen. Da diese Überschüsse in D, A und NL jedoch nur den Erfolgen im Export geschuldet sind, während die Inlandsnachfrage stagnierte, haben sich diese Erfolge nur in den Gewinnen, aber nicht in den Löhnen widergespiegelt. In GR, SP und P hingegen gab es eine hohe Inlandsnachfrage, die jedoch aufgrund der niedrigen Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Industrie die Importe aus dem Ausland anheizte. In Portugal beträgt daher das Leistungsbilanzsaldo seit Jahren gut -10% des BIP. Auf diese Weise kann kein Land ein ausgeglichenes Budget erzielen, selbst wenn die öffentlichen Ausgaben moderat gehalten werden.

2008 kam dann die Finanz- und Wirtschaftskrise hinzu, die zu einem starken Einbruch der weltweiten Nachfrage führte und alle Staaten mit niedrigeren Steuernahmen und höheren Ausgaben für Bankenrettung, staatliche Investitionen zur Konjukturbelebung  und für die soziale Absicherung der gestiegenen Arbeitslosigkeit zusätzlich belastete. Während Länder wie Deutschland und Österreich aufgrund der Wettbewerbsvorteile in der Folge relativ gut durch die Krise kamen, führten diese Entwicklungen wegen des noch deutlicheren Auseinanderklaffens zwischen Einnahmen und Ausgaben in den südeuropäischen Ländern zu einer wahren Explosion des Defizits. Selbst Spanien, das vor der Finanzkrise sogar Budgetüberschüsse erzielte (jedoch nicht wegen der hohen Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie, sondern aufgrund eines gigantischen Immobilienbooms), musste die rasante Zunahme der Verschuldung binnen kurzer Zeit feststellen.

Da diese Verschuldung in den südeuropäischen Staaten im Unterschied zu Japan, das sich seit vielen Jahren in einer hartnäckigen Deflation befindet, gegenüber dem Ausland besteht, geraten diese Staaten ins Visier der internationalen Kapitalgeber. Diese verlangen, dass diese Staaten hohe Zinsen auf ihre Staatsanleihen zahlen und tiefe Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben vornehmen, d.h. bei den Gehältern der Beamten und bei den Sozialausgaben sparen, um das Defizit zu reduzieren und somit das Vertrauen der Finanzmärkte wiederherzustellen. Die anderen Staaten der Europäischen Union dürfen dabei Schützenhilfe leisten, indem sie den Eurorettungsschirm mit garantierter Hilfeleistung in Milliardenhöhe spannen.

Was geschieht, wenn diese Forderungen der Finanzmarktlobby, der Europäischen Kommission und des Internationalen Währungsfonds erfüllt werden? Wird sich dadurch das Defizit von Staaten wie Portugal tatsächlich reduzieren? Werden die südeuropäischen Staaten durch diese solidarische Hilfsaktion der EU vor dem Ruin gerettet und der Euro als starke Währung gesichert? Nein, letzen Endes werden die Staatsschulden der betroffenen Länder noch höher werden, da die Sparmaßnahmen die innerstaatliche Nachfrage und den Konsum verringern, was sich negativ auf die Staatseinnahmen auswirkt. Damit wird eine weitere Welle eingeleitet werden, die dem „Patienten“ endgültig den Garaus machen könnte. Vom Rettungsplan profitieren hingegen die Finanzinvestoren, die bestens an den Risikoaufschlägen für die Staatsanleihen verdienen und in Wirklichkeit kein Risiko eingehen, da die anderen EU-Staaten mit ihren Geldern für den Rettungsschirm für die Rückzahlung der Schulden garantieren.

Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden, damit Länder wie Portugal tatsächlich langfristig ihre Schulden reduzieren können? Nun, dafür sind mehrere Weichenstellungen in betroffenen Ländern und auf europäischer Ebene notwendig. Auf nationaler Ebene ist zunächst vorrangig, dass die Nachfrage stabil gehalten und dabei die Staatseinnahmen nach Möglichkeit erhöht werden können. Dies kann durch Steuererhöhungen, die nicht die breite Masse, sondern die bisher von Steuerprivilegien profitierende Bezieher von hohen Einkommen betreffen geschehen. Insbesondere sollten die südeuropäischen Länder der ausgeprägten Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft den Kampf ansagen. Um die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen zu gewährleisten, sollten die Lohnsteigerungen eine niedrig  gehaltene Inflation nur wenig überschreiten.

Auf europäischer Ebene ist eine wirtschaftspolitische Harmonisierung dringlich umzusetzen, damit nicht länger ausgeprägte Handelsungleichgewichte die Defizitländer in die Zwickmühle bringen. Dazu muss der europäische Stabilitätspakt von der alleinigen Fixierung auf die Bekämpfung der Inflation abrücken und jene Länder, die sich durch Lohnzurückhaltung Wettbewerbsvorteile verschaffen, genau so ächten wie die Defizitsünder. Anzustreben ist für die Eurozone auch ein Ausgleichsmechanismus für sich aufschaukelnde Leistungsbilanzunterschiede, damit diese nicht einzelne Staaten in die Schuldenfalle treiben. Diesem Zweck könnte auch eine auf europäischer Ebene eingeführte Finanztransaktionssteuer dienen.


Unsachliche Panikmache des IHS bei den Pensionen

21. Februar 2011

Am 17. Februar 2011 sind IHS-Chef Bernhard Felderer und der Pensionsexperte des Instituts für Höhere Studien Ulrich Schuh an die Öffentlichkeit gegangen, um ihre neuesten Daten zur Entwicklung der Pensionen zu präsentieren. Das IHS erstellt ja gemeinsam mit dem WIFO die Prognosen für die Pensionskommission. Die bereits im November vorgelegten Berechnungen – die einen massiven Anstieg der staatlichen Ausgaben auswiesen – wurden aber von Teilen der Kommission und vom Sozialministerium bezweifelt, weshalb die Kommission ihre Empfehlungen auf das heurige Frühjahr verschoben hat. Nun haben IHS und WIFO neuerlich gerechnet. Am Resultat habe sich nichts grundlegend geändert, betonte Schuh neuerlich. Hinsichtlich der derzeitigen Situation kommt das IHS zu dem schon bekannten Ergebnis: Der durchschnittliche Österreicher ist 2009 mit 59 Jahren, die durchschnittliche Österreicherin mit 57 in Pension gegangen. Allerdings interpretieren das IHS diese Zahlen anders als das Sozialministerium, das einen leichten Anstieg des faktischen Antrittsalters konstatiert. Die Zahlen zeigten nämlich, so Felderer und Ulrich Schuh, dass die Pensionsreform 2003 ihr Ziel, Menschen länger im Erwerb zu halten, verfehlt habe.

Noch erschreckender sei, wenn man auf das Jahr 2020 vorausblicke. Denn dabei offenbare sich eine „tickende Zeitbombe“. Bis dahin werde die Zahl der 55- bis 65-Jährigen nämlich von einer Million auf 1,3 Millionen angestiegen sein. Ohne Gegensteuern würden angesichts der weiter steigenden Lebenserwartung die Ausgaben der Pensionsversicherung von 11,2 Prozent des BIP im Jahr 2009 auf nahezu 15 Prozent bis 2050 ansteigen, der Zuschuss des Bundes werde sich von 2,8 auf rund sechs Prozent mehr als verdoppeln. Das ist wesentlich mehr als im Referenzszenario aus 2004: Die Gesamtausgaben liegen in den neuen Berechnungen für 2050 um vier Prozentpunkte, der Bundesanteil um drei Prozentpunkte höher. Das wäre, so führt Felderer weiter aus, weder für die PVA noch für den Bund „mehr zu finanzieren“.

Der Schlüssel, um dieser Problematik Herr zu werden, ergänzt Schuh, liege in der Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters, dort gelte es „Schlupflöcher“ zu schließen. Die mittlerweile verschärfte Hacklerregelung, der im Vorjahr 80.700 Österreicher die vorzeitige und abschlagsfreie Pension verdankten, sei „schleunigst“ abzuschaffen, ebenso wie die – nur von 2151 Personen in Anspruch genommene – Schwerarbeiterregel. Sehr viel verspricht  sich das IHS davon, die Invaliditätsrente, die im Vorjahr fast ein Drittel aller Neuzugänge ausgemacht hat, aus dem Pensionssystem herauszunehmen. Vorbilder dafür gebe es in Skandinavien, wo Betroffene im Arbeitsmarkt gehalten und für zumutbare Jobs umgeschult würden.

An den Ergebnissen von Felderer und Schuh ist vielfältig Kritik zu üben. So ist erstens der Arbeiterkammer  und dem ÖGB darin Recht zu geben, dass das IHS viel zu pessimistische Prognosen stellt und daraus abgeleitete langfristige Empfehlungen abgibt: „Offenbar hat das IHS zwar neue Berechnungen durchgeführt, geht aber trotzdem immer noch von den alten Ergebnissen und den alten viel zu pessimistischen Berechnungen aus“, kritisiert daher Alice Kundtner, Bereichsleiterin für Soziales in der AK Wien, „und das, obwohl mittlerweile auch wieder die aktuelle WIFO-Mittelfristprognose vom Jänner bestätigt, dass sich die Wirtschaft deutlich schneller erholt hat als noch im Langfristgutachten angenommen wurde.“ Nach Schätzungen der AK ergeben sich auf Basis der WIFO-Prognose allein im Bereich der Pensionsversicherung der Unselbständigen 2015 um rund 760 Millionen Euro niedrigere Bundesbeiträge als in der Mittelfristprognose vom Oktober 2010, weil die Beitragseinnahmen deutlich stärker steigen. Umso unverständlicher sei es daher, dass das IHS trotzdem an seinem pessimistischen Langfristszenario vom September des Vorjahres festhält. Skandalös ist es schon, dass daraus Empfehlungen für die die nächsten 50 Jahre gegeben werden. „Es ist einfach unsinnig, auf Basis von höchst unsicheren Szenarien politische Empfehlungen für eine mechanische und sofortige Aufteilung von ,Mehrkosten‘ für einen Zeitraum von 50 Jahren abzugeben. Das ist keine sinnvolle und vor allem keine verantwortungsvolle Pensionspolitik, sondern verunsichert die Bevölkerung, unterminiert das Vertrauen in die Politik und in das Pensionssystem nur noch mehr“, sagt daher völlig zu Recht Kundtner.

Zweitens ist dem IHS vorzuhalten, dass bei der Darstellung der Bundesmittel zur gesetzlichen Alterssicherung die Bundesbeamtenversorgung verschwiegen wird. Bezieht man diese nämlich in die Rechnung ein, dann steigt der Anteil der Bundesmittel wesentlich geringer. Deshalb hat  Karl Blecha, der Präsident des Pensionistenverbands, richtigerweise eingefordert, „dass bei der Beurteilung über die langfristige Sicherung der Pensionen auch der öffentliche Dienst einbezogen wird.“ Blecha moniert in berechtigter Weise, dass sich das IHS nur auf den langfristig steigenden Aufwand in der gesetzlichen Pensionsversicherung bezieht und der langfristig sinkende Aufwand bei den Pensionen im Öffentlichen Sektor unberücksichtigt bleibt.

Drittens ist dem IHS ein für ein Wissenschaftsinstitut überaus befremdlicher Umgang mit Fakten vorzuwerfen. So wird vom IHS beklagt, dass die Pensionsversicherung in Zukunft teurer wird als heute. Diese Feststellung ist nämlich gelinde gesagt trivial, zumal die Zahl der Pensionisten um 1,3 Millionen zunehmen wird. Will man nicht, dass die Älteren in die Armut getrieben werden, sind höhere Ausgaben unvermeidlich, wozu sich eine solidarische Gesellschaft auch bekennen sollte. Diese notwendigen Mehrausgaben jedoch als „tickende Zeitbombe“ zu bezeichnen, ist eine grobe Verunglimpfung jener älteren Menschen, die nach jahrzehntelanger Erwerbstätigkeit einen existenzsichernden Pensionsanspruch erworben haben.

Viertens zeigt eine Studie der AK außerdem, dass bei den von den Reformen betroffenen Altersgruppen das faktische Antrittsalter bei Männern und Frauen von 1999 auf 2009 sehr wohl um 1,3 Jahre angestiegen ist, während das IHS von einem Sinken spricht. Gemäß Budgetbegleitgesetz läuft die Langzeitversichertenregelung im Sinne eines vorzeitigen Pensionsantritts völlig aus. Abgesehen von der Schwerarbeitspension gibt es damit bereits in wenigen Jahren für Frauen keine Möglichkeit mehr vor dem 60 Lebensjahr in eine Alterspension zu gehen, für Männer keine mehr vor dem 62. Lebensjahr.  Im Bereich der Invalididtäts-Pensionen wiederum wurde mit dem verpflichtenden Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“, der Gesundheitsstraße und „fit2work“ substantielle Maßnahmen beschlossen, die einen Beitrag zur Anheben des faktischen Pensionsalters leisten werden. Eine Entwertung dieser Reformen – bevor diese überhaupt zu wirken begonnen haben – ist nicht nachvollziehbar. Die Zahl der Invaliditätspensionen ist seit zehn Jahren im Wesentlichen unverändert geblieben. Österreich liegt mit den Ausgaben für diese Pensionsart im europäischen Durchschnitt.

Richtig ist freilich, dass im Bereich der Invaliditäts-Pensionen Handlungsbedarf besteht, weil es nicht hinzunehmen ist, dass immer jüngere Menschen wegen psychischer Erkrankungen in Pension gehen müssen. Prävention zur Vermeidung von Invalidität sollte flächendeckend umgesetzt werden. Hier ist aber auch bei der Wirtschaft anzusetzen. Denn das Verhalten der Dienstgeber, Kranke und ältere Mitarbeiter so früh wie möglich zu kündigen, muss sich grundlegend ändern. Es kann nicht hingenommen werden, dass Unternehmen hier ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen, sondern die Kosten auf die Allgemeinheit überwälzen.

Das betont auch der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz. Wer wolle, dass die Menschen später in Pension gehen, muss zuerst dafür sorgen, dass sie auch länger arbeiten können. Das heißt: Arbeitsplätze schaffen, und die Arbeitsplätze so gestalten, dass die Menschen auch arbeitsfähig bleiben und nicht aus Gesundheitsgründen vorzeitig in Pension gehen müssen. Die Wirtschaft müsse auch älteren ArbeiterInnen und Angestellten eine Chance geben und diese nicht bei erstbester Gelegenheit durch jüngere ersetzen. Der ÖGB fordert daher zur Sicherung der Pensionen:

– Sicherung des Umlage-Pensionssystems

– Gerechtes System für alle Pensionsarten: gleiche Beiträge für alle

– unbefristete Regelung für Menschen, die 45 bzw. 40 Jahre Beiträge geleistet haben

– Verbesserung der Schwerarbeitspension

– Arbeitslosengeld bis zum Regelpensionsalter, statt vorzeitigen Pensionsantritt ermöglichen

– Pensionskassen: garantierter Mindestertrag

– Wahl- und Wechselmöglichkeit zwischen Pensionskassen

In eine ähnliche Richtung geht auch der sozialdemokratische Pensionistenverband. Karl Blecha fordert nämlich: „Ein uneingeschränktes Ja zu einem Heranführen des faktischen an das gesetzliche Pensionsalter. Aber da muss die Wirtschaft mitspielen. Denn auch die Unternehmen nützen die ‚Schlupflöcher‘ des Pensionssystems. So ist es gängige Praxis, dass ältere Beschäftigte in die Pension gedrängt werden oder ihnen mit Golden-Handshake-Programmen das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben schmackhaft gemacht wird. Dabei ist auch der öffentliche Sektor ein schlechtes Beispiel“.

Blecha verweist außerdem darauf, dass ein großer Teil der Neupensionisten aus der Arbeitslosigkeit heraus in die Pension geht. „Wir brauchen daher einen besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer und ich fordere eine Pönalisierung für Unternehmen, die ältere Beschäftigte rausschmeißen.“ Ebenso fordert Blecha, dass bereits entwickelte Programme wie z.B. fit2work oder die Gesundheitsstraße sowie Rehabilitation vor Pension rasch flächendeckend eingesetzt werden. Auch hier kritisiert Blecha die „Verweigerung“ der Wirtschaft, wenn es um die Finanzierung dieser Programme geht.