Fekters Pläne für einen integrierten Steuertarif

4. August 2011

Im Kurier vom 1. August 2011 werden Fekters Pläne zur Vereinfachung der Einkommensteuer vorgestellt. Die Finanzministerin möchte Sozialversicherungsbeitrag und Einkommensteuer in einem Tarif integrieren und einen einheitlichen Steuersatz einheben, also eine Art „Flat Tax“ einführen. Der Steuerberater Karl Bruckner hat dazu ein Modell ausgearbeitet, das wie folgt aussieht: Die ersten 10.000 Euro Jahreseinkommen gehen brutto für netto ins Börsel; von jedem zusätzlichen Euro gehen 44 Cent an den Staat (für Sozialversicherung und für Einkommenssteuer). Es gibt nur mehr diesen einen Tarif und auch keine Höchstbeitragsgrundlage für die Sozialversicherung mehr.

Bruckner und der Wirtschaftstreuhänder Klaus Hübner sehen als großen Vorteil dieses Modells, dass die Berechnung des Nettolohns stark vereinfacht wird, was die Lohnverrechnung entlasten und auch  dem Steuerpflichtigen das Nachvollziehen erleichtern würde.

Bezieher von niedrigen Einkommen sollen vom hohen Freibetrag profitieren, da sie im derzeitigen System zwar bis zu einer Bemessungsgrundlage von 11.000 Euro einkommensteuerbefreit sind, aber ab der Geringfügigkeitsgrenze von 374 Euro im Monat ca. 18 % an Sozialversicherung abzuführen haben. Bei einem Monatsverdienst von 500 Euro wäre das ein Mehr im Börsel von mehr als 1.000 Euro im Jahr. Weiters würden Einkommensbezieher mit einem Bruttoverdienst zwischen 3.500 und 5.000 Euro monatlich ebenfalls davon profitieren, da ihnen bis zu 1.000 Euro jährlich mehr nette bleibt. Verlieren hingegen würden die Bezieher von hohen Einkommen ab 6.000 Euro monatlich, da sie den Vorteil der Höchstbemessungsgrundlage verlieren und daher im Brucknermodell übers Jahr weniger netto haben als im derzeitigen System (ca. 350 Euro).

Allerdings würden, wie Bruckner zugibt, die Gesamteinnahmen des Staates um einige Milliarden geringer ausfallen. Bruckner glaubt jedoch, dass durch Einsparungen in der Verwaltung etwas zu holen wäre. Bruckner glaubt sogar, dass sich der Staat bis zu 4500 Finanzbeamte ersparen könnte, weil das System stark vereinfacht wäre. Das brächte laut seiner Schätzung 300 bis 400 Millionen Euro pro Jahr fürs Budget.

Wie ist dieses Modell aus der Perspektive von Steuergerechtigkeit und sozialer Ausgewogenheit zu beurteilen? Nun, eine endgültige Beurteilung ist noch nicht möglich, da viele Fragen offen bleiben. Wie sieht es zum Beispiel der Sozialversicherung jener Personen aus, die weniger als 10.000 Euro im Jahr verdienen? Laut Bruckner-Modell haben sie keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Diese sind jedoch bisher die Voraussetzung dafür, Leistungen aus der Sozialversicherung zu beziehen. Ist diese Gruppe trotzdem versichert, oder muss sie sich für hohe Beiträge selbst versichern?

Apropos Sozialversicherung: Es bleibt vollkommen offen, wie die Einnahmen des integrierten Tarifs auf Sozialversicherung und Finanz aufgeteilt werden. Da die Träger der Sozialversicherung ohnehin unter fehlenden Einnahmen leiden, darf eine solche Reform jedenfalls nicht dazu führen, dass die Einnahmen dieser Institutionen geschmälert werden.

Hinsichtlich Steuergerechtigkeit ist das Prinzip der Leistungsfähigkeit allgemein anerkannt. D.h. es besteht der Konsens, dass derjenige, der höheres Einkommen hat, höhere Abgaben leisten soll. Dies wird üblicherweise durch einen progressiven Tarif bewirkt. Das Bruckner-Modell hingegen ist eine Flat Tax mit einem ausgeprägten Freibetrag. Dies führt zwar effektiv ebenfalls zu einer progressiven Wirkung (siehe nachfolgende Tabelle, die zeigt, dass kaum Unterschiede bestehen, wenn man Einkommensteuer und SV-Beitrag zusammennimmt), aber es ist diskussionswürdig, ob damit dem Leistungsfähigkeitsprinzip hinreichend Genüge getan wird. Freilich hat dieses Modell den Vorteil, dass die regressive Wirkung der Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung wegfällt. Somit ist dieser Tarif also auch nicht vorschnell abzulehnen.

Die Einsparungserwartungen Bruckners aufgrund der Vereinfachung der Berechnung sind sicherlich völlig illusorisch, solange ein kompliziertes System von Frei- und Absetzbeträgen in der Einkommensteuer vorliegt. Ob beim integrierten Tarif (bis auf dem allgemeinen Freibetrag von 10.000 Euro) völlig darauf verzichtet wird, das bleibt unklar. Wenn dies so sein sollte, dann ist zu bedenken zu geben, dass hinter den Frei- und Absetzbeträgen vom Gesetzgeber gewollte Begünstigungen stecken (z.B. Alleinverdienerabsetzbetrag, Alleinerzieherabsetzbetrag, Unterhaltsabsetzbetrag, Mehrkindzuschlag, Pendlerpauschale), die aus sozialpolitischen Gesichtspunkten nicht einfach wegen einer Vereinfachung der Berechnung aufgegeben werden sollten. Aber selbst wenn die Vereinfachung so radikal erfolgen sollte, ist nicht realistisch, dass 4500 FinanzbeamtInnen eingespart werden können und die Ersparnis das behauptete Ausmaß erreichen kann.

Tabelle_Bruckner-Steuermodell