Wachsendes Budgetdefizit
In Folge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise wird Österreich bis 2011/12 ein Budgetdefizit von 5-6 Milliarden Euro über dem nach dem Maastrichtkriterium zulässigen 3% jährlich aufbauen. Da der Stabilitätspakt der EU – abgesehen von kurzfristigen Ausnahmen – jedoch nur ein Defizit von höchsten 3% jährlich für zulässig erachtet, wird Österreich in den nächsten Jahren gegensteuern müssen, um dieses Defizit wieder abzubauen. Auf welchem Wege soll dies geschehen?
Der falsche Weg
Es ist zu befürchten, dass wie in der Vergangenheit diese Sanierung des österreichischen Haushalts über Maßnahmen erfolgen soll, die in erster Linie die ArbeitnehmerInnen trifft. Denn neben Einsparungen auf der Ausgabenseite wie der Verwaltungsreform werden Maßnahmen, wie die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes, Einsparungen bei den sozialen Sicherungssystemen und sonstige Steuererhöhungen, die den Faktor Arbeit sowie die unteren und mittleren Einkommen noch stärker belasten, angedacht. Das wäre jedoch der vollkommen falsche Weg. Denn erstens haben die ArbeitnehmerInnen diese Krise nicht verursacht. Die Krise ist vielmehr eine Folge einer alle Vorsicht außer Acht lassenden Spekulationsblase auf den internationalen Finanzmärkten, der über eine massive Vertrauenskrise der Banken auf die gesamte Wirtschaft übergegriffen hat. Zweitens würden diese Maßnahmen jene Menschen treffen, die als Konsumenten als einzige dem Abwärtstrend der Wirtschaft Widerstand geleisten haben. Wenn durch diese Maßnahmen der Konsum ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wird, dann wird das zarte Plänzchen Konjuktur, das durch einige Maßnahmenpakete gehegt wurde, mit der Wurzel ausgerissen. Die Folge davon wäre, dass statt einer Verringerung des Budgetdefizits eine Zunahme aufgrund geringerer Steuereinnahmen durch sinkendes Wirtschaftswachstum eintreten würde.
Der richtige Weg
Statt jene zu bestrafen, die keine Schuld an der Krise trifft, und die Konjuktur abzuwürgenm, sollten vielmehr Maßnahmen getroffen werden, die erstens jene zur Kasse bittet, die diese Krise zu verantworten haben; zweitens jene trifft, die sich seit vielen Jahren aus der Verantwortung stehlen, einen solidarischen Beitrag an den Kosten zur Finanzierung unserer hochentwickelten Gesellschaft zu leisten. Maßnahmen, die die Verursacher der Krise treffen würde, sind:
a) Bankenabgabe: Diese sollte keiner weiteren Diskussion bedürfen, da der Bankensektor durch die massive Unterstützung der Öffentlichkeit vor dem Zusammenbruch gerettet wurde, sodass es nur fair ist, wenn sich die Banken durch eine spezifische Abgabe dem Staat gegenüber für seine Rettungsaktion dankbar zeigen.
b) Finanztransaktionssteuer: Da die Finanzmärkte durch ihr „System der organisierten Verantwortungslosigkeit“ (Erich Foglar) immer neue Spekulationsblasen nährt, die schließlich platzen müssen, ist es dringend notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, die dem ungeregelten Wildwuchs der Spekulation einen Riegel vorschiebt. Die Finanztransaktionssteuer wäre neben der Regulation der Hedgefonds und Private Equity Fonds sowie dem Austrocknen von Steueroasen ein wichtiger Schritt auf deisem Wege.
Maßnahmen, die jene treffen würde, die es sich erstens leisten können und zweitens zur Zeit einen nicht angemessenen Beitrag im Steuersystem leisten, sind:
a) Vermögenssteuer: In Österreich leisten Vermögende eine Beitrag von weniger als 2% des Steueraufkommens. Die ArbeitnehmerInnen hingegen tragen durch Lohn- und Umsatzsteuer gut zwei Dritteln der Steuerlast. Wenn ab einem Freibetrag von EUR 500.000,– eine progressive Vermögenssteuer von 0,25% bis 1,5% eingeführt wird, so bringt das dem österreichischen Staat Mehreinnahmen von 3,5 Milliarden Euro. Dadurch könnte der Faktor Arbeit entlastet und das Budgetdefizit abgebaut werden.
b) Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Privatstiftungen: Während auf alle sonstigen Zinserträge eine Kapitalertragssteuer von 25% anfällt, können Vermögende in Österreich durch die Gründung einer Privatstiftung einen begünstigten Steuersatz von 12,5% in Anspruch nehmen. Dieser völlig unverständliche Vorteil für Vermögende sollte dringend aus der Welt geschafft werden.
c) Einführung einer reformierten Schenkungs- und Erbschaftssteuer: Da von der Abschaffung vor allem eine kleine Gruppe von sehr Vermögenden profitiert hat, sollte diese in abgewandelter Form wieder eingeführt werden. Um z.B. nicht die Mittelschicht sowie die Klein- und Mittelbetriebe zu treffen, sollte ein hoher Freibetrag von EUR 400.000,– gelten.
d) Aufhebung der Spekulationsfrist bei Wertpapieren: Die in Österreich geltende Frist von einem Jahr begünstigt Börsengewinne gegenüber anderen Kapitalerträgen und sollten deshalb aufgehoben werden. Die Kursgewinne sollten somit generell mit 25% endbesteuert werden.
e) Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer: Die Börsenumsatzsteuer, die 2000 abgeschafft wurde, sollte mit einem höheren Steuersatz von 0,25% wiedereingeführt werden. Diese erübrigt sich jedoch, falls die oben genannte Einführung einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer gelingen sollte.
f) Abschaffung der Gruppenbesteuerung: Seit der Reform von 2005 können Unternehmen bei der Körperschaftsteuer die Verluste von ausländischen Beteiligungen gegenverrechnen, sodass sich der ohnehin geringe Steuersatz von 25% real weiter verringert. Dieser Möglichkeit muss dringend ein Riegel vorgeschoben werden, da sonst durch das starke Engagement von österreichischen Unternehmen im krisengeschüttelten Osten auf Jahre hinaus die Steuerleistung massiv sinken würde.
Durch all diese Maßnahmen könnte das Budgetdefizit in Österreich verringert werden, ohne dass die Mehrheit der Bevölkerung schmerzlich zur Kasse gebeten wird!
Lieber Gerhard,
was gesagt und was tatsächlich geplant wird, lässt sich an einem kürzlich stattgefundenen Interview mit Finanzminister Pröll ablesen(http://derstandard.at/1268402693204/STANDARD-Interview-Faktor-Arbeit-durch-hoehere-Oekosteuer-entlasten).
dazu ein paar Überlegungen:
– Dass man vor ein paar Monaten nicht wusste, dass diese Krise möglicherweise doch länger andauern könnte, bezweifle ich.
– was genau der Mittelstand sein soll, ob dieser tatsächlich so breit wie immer behauptet ist bzw. von wo bis wohin sich dessen Einkommensspanne erstreckt, werde ich wohl nie erfahren.
– ob und wie stark die genannten Steuern die unterschiedlichen und nicht genau definierten Einkommensschichten im Vergleich zu ihrem restlichen Steueraufkommen wirklich belasten würden, bleibt ungeklärt.
– Die Ökologisierung des Steuersystems wird alle treffen. Mit der Wirtschaft und Industrie wird man Milderungen besprechen, mit den Hauptträgern der Steuerlast, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wohl kaum.
– Szenarien, die z.B. von einer Gruppenbesteuerung abgehen rücken in den Hintergrund, jene die den Faktor Arbeit einseitig für die Arbeitgeber vergünstigen in den Vordergrund.
– weitere Privatisierungen stehen uns ins Haus. Einmaleffekte auf Kosten der selbstverwalteten Versorgung mit Energie, Wasser, usw. zugunsten kurzfristiger Budgetkosmetik und Pseudoerfolge zur Blendung der WählerInnen.
Bedenkliche Aussichten, die vermehrt Aufmerksamkeit, Aufklärung und Alternativen fordern.
Grüße
Robert
Lieber Robert,
gegen die Idee, den Faktor Arbeit durch eine Ökologisierung des Steuersystems zu entlasten, ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings bezweifle ich, dass von Seiten des Finanzministers wirklich ein Konzept kommen wird, das die Steuerlast der ArbeitnehmerInnen senkt und einen ökologischen Lenkungseffekt hin zu erneuerbaren Energien bewirkt. Deine Befürchtung, dass vielmehr Industrie und Wirtschaft Milderungen zugesagt werden, die AN jedoch die volle Last tragen dürfen, teile ich.
Wo genau der Mittelstand angesiedelt ist, wird immer eine Definitionsfrage bleiben. Klar ist jedoch, dass dieser durch Lohn- und Umsatzsteuern die Hauptsteuerlast trägt, während er bei vermögensbezogenen Steuern mit hohen Freibeträgen jedoch entlastet werden könnte. Worauf ich an anderer Stelle hingewiesen habe, das ist, dass der Faktor Arbeit natürlich auch durch die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe entlastet und der Produktionsfaktor Kapital stärker belastet werden könnte.
Weitere Privatisierungen als Einmaleffekte zur Budgetkosmetik sind in der derzeitigen Situation sicherlich der schlechteste Weg, aber angesichts einer Reihe von bevorstehenden Wahlen zu befürchten.
Deshalb sollten wir alle zur Aufklärung beitragen, damit alle Menschen in unserem Land auf die besseren Optionen zur Budgetsanierung aufmerksam werden.
Liebe Grüße, Gerhard