Hannes Androsch: Was jetzt zu tun ist

22. Januar 2021

Der ehemalige Finanzminister und Industrielle Hannes Androsch hat mit Unterstützung von Bernhard Ecker ein Buch zur Politik in der Corona-Krise verfasst: Was jetzt zu tun ist.* Das Buch soll Antworten auf die aktuellen Herausforderungen geben. Auf rund 140 Seiten nimmt er wichtige Themen in den Blick und er benennt die Versäumnisse der Regierung. Um es gleich vorneweg zu sagen, die Stärke des Buches liegt dort, wo Androsch die Fehler der Regierungspolitik scharf ins Visier nimmt – vorrangig im Umgang mit der Corona-Pandemie.

Schon in der Einleitung zählt er zahlreiche Fehler der Regierung auf: „Autoritäre Maßnahmen wie etwa die gesetzwidrige Schließung der Bundesgärten in Wien während des Shutdowns, die gerichtlich wieder aufgehobenen drakonischen Strafen für Spaziergänger oder der vehemente Wunsch von ÖVP-Politikern nach Handyüberwachung …“ (S. 8). Auch die Vorgänge in Ischgl sowie die Aushebelung des Rechtsanspruchs auf Entschädigung im Epidemiegesetz werden genannt. Insbesondere die durch bürokratische Mühlen nur langsam erfolgten Hilfen für die Unternehmen sowie das unsolidarische Verhalten auf europäischer Ebene sind Androsch ein Dorn im Auge.

Sozialdemokratie, Steuern und Schulden

Das Buch will aber nicht nur Kritik üben, sondern auch Antworten geben auf die brennenden Themen der Zeit: Bildung, Digitalisierung, Klima, Migration, EU und Weltordnung. An seiner Partei, der Sozialdemokratie bemängelt der ehemalige Spitzenpolitiker, dass sie keine Antworten auf die Fragen des 21. Jahrhunderts habe und die Nachwuchsarbeit vernachlässigt habe. Der 82-Jährige konstatiert, dass die Sozialdemokratie „zu einer bewahrenden und beharrenden strukturkonservativen Erscheinung geworden“ sei. „Sie ist keine Bewegung mehr, weil sie sich nicht bewegt und dadurch nichts bewegt.“ (S. 98) Darin liegt natürlich viel Wahres. Und dass eine Stimme aus der Vergangenheit, wie die seine, auch heute viel Gehör findet, ist kein gutes Zeichen. Wenn die österreichische Sozialdemokratie auf eine Stimme aus der Vergangenheit hören soll, dann ist es der Aufruf, der an sie beim Hainfelder Einigungsparteigang oder am Linzer Parteitag 1926 an sie ergeht.

Sind die Antworten des ehemaligen SPÖ-Finanzministers, der heute viel mehr in der Industriellenvereinigung zu Hause ist als in der Sozialdemokratie, tatsächlich auf der Höhe der Zeit – und mehr als nur abgenutzte Schlagworte? Er will die SPÖ auf ihre alten humanistischen Werte verpflichten: „Frieden, Freiheit, Toleranz, Rechtstaatlichkeit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte, der Marktwirtschaft und der sozialen Sicherheit“ (S. 100). Was hier sogleich auffällt, das ist, dass von den Grundwerten der SPÖ (Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität) von Androsch an dieser Stelle nur die Freiheit genannt wird. 1890 oder 1926 hätte niemand auf die humanitären Werte verwiesen, sondern auf das große Ziel einer Gesellschaft jenseits der Ausbeutung.

Kann es sein, dass der Großindustrielle Androsch, der ein Vermögen von rund 290 Millionen besitzt, mit den einigen Grundwerten Probleme hat? Der SPÖ-Forderung nach einer Vermögenssteuer, von ihr Millionärssteuer genannt, kann er wenig abgewinnen. Bei seiner Argumentation gegen diese Pläne bedient er sich reichlich aus dem Fundus der Industriellenvereinigung. „Angesichts einer Rekordsteuerbelastung kann man mit neuen Abgaben, die das Wirtschaftswachstum behindern, nur negative Effekte auslösen. Vielmehr geht es darum, die so genannten Strömungsgrößen der Wirtschaft in Bewegung zu bringen und nicht bloß Bestandsgrößen umzuverteilen … Oder anders formuliert: Wer den Acker besteuert, schmälert die Grundlage des Wirtschaftens. Besser ist es, den Ertrag und damit den Nutzen zu besteuern“ (S. 138 f.), scheibt Androsch Seine Argumentation mag für das Zeitalter der industriellen Revolution zutreffend sein, im Zeitalter von Daten-, Plattform- und Überwachungskapitalismus, der mit einer ausgeprägten Refeudalisierung einhergeht, offenbart der Multimillionär damit nur seine ideologischen Scheuklappen beim Thema Umverteilung. Dass über viele Jahrzehnte eine ungeheure Ungleichheit beim Vermögen entstanden ist, ist für ihn kein Anlass, steuerliche Maßnahmen zur Korrektur in Angriff zu nehmen.

Für die Besteuerung der Profite aus der Digitalisierung schlägt Androsch vor, auf globaler Ebene die Daten zur Bemessungsgrundlage zu machen. „Der österreichische Versuch einer kosmetischen Digitalsteuer“ sei „eine Faschingsnummer und als Aktionismus zu bewerten“ (S. 57), bringe dies doch nur 25 Millionen Euro im Jahr. Der Vorschlag von Androsch sollte um die Ideen von Alfred Dallinger zur Einführung einer Wertschöpfungsabgabe ergänzt werden. Auch die von Androsch geschmähte Finanztransaktionssteuer darf angesichts der ausufernden Rolle des Finanzkapitalismus nicht abgetan werden.

Androsch zieht Keynes Hayek und Friedman vor, verteufelt also Schulden nicht. Aufgrund der Coronakrise seien diese ohnehin alternativlos. Androsch ruft die legendäre Aussage von Bruno Kreisky in Erinnerung: „Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiten mir weniger schlaflose Nächte als Millionen Menschen ohne Halt und Perspektive.“ (S. 141) Um Österreich bei Digitalisierung, Bildung, Klimaschutz, öffentlicher Nahverkehr usw. voran zu bringen, so Androsch, lohne es sich also durchaus, Schulden aufzunehmen. An den ÖVP-dominierten Regierungen der letzten Jahre bemängelt er jedoch, dass diese die seit 2010 vorhandene Zinsersparnis von 62 Milliarden Euro irgendwo versickern ließ.

Bildung

Was fordert Androsch beim Zukunftsthema Bildung. Er erzählt uns zunächst ein wenig aus seiner eigenen Bildungsbiografie in der Nachkriegszeit, die trotz aller Widrigkeiten ihm den Aufstieg ermöglicht hat. Dann beklagt er, wie rückständig die digitale Ausstattung unserer Schulen ist. Dadurch könne die egalitäre Aufgabe, d.h. die Teilhabe und Chancengleichheit nicht erfüllt werden. Es ist dem Mitinitiator des Bildungsvolksbegehrens voll und ganz recht zu geben, dass in Österreich keine Chancengerechtigkeit besteht, sondern Bildung weiterhin vererbt wird. Das liegt aber nicht vorrangig an der mangelhaften Ausstattung. Selbstverständlich müssen die Schulen für das digitale Zeitalter gerüstet sein, d.h. mit Laptops, Tablets und schnellem Internet ausgestattet sein. Das theresianische Erbe im Schulwesen spielt schon eine größere Rolle bei den Versäumnissen in Österreich. Dieses werde besonders am unzeitgemäßen Föderalismus des Schulwesens deutlich. Ein zu geringer Anteil der Ausgaben „kommt auch tatsächlich in den Klassen an“ (S.39) und versickert in der Verwaltung.

Das größte Problem sei die zu frühe Trennung der Bildungswege. „Die Entscheidung, ein Kind mit zehn Jahren entweder ins Gymnasium oder in die Neue Mittelschule zu schicken, beeinflusst dessen späteren Entfaltungs- und Einkommenschancen gravierend“ (S. 36), schreibt Androsch. Diesem Urteil sowie seinem Eintreten für eine autonome, verschränkte Ganztagsschule kann man uneingeschränkt zustimmen. Ob jedoch eine echte Schulautonomie, d.h. die freie Personalauswahl der Direktionen, wie er sie fordert, ausschlaggebend für die Chancengerechtigkeit ist, ist zu diskutieren. Eine wesentlich größere Rolle spielt sicherlich der Umstand, dass die Eliten ihren Nachwuchs zunehmend in Privatschulen schicken, während die öffentlichen Schulen ihr Schicksal als Brennpunktschulen fristen dürfen. Eine gleiche Gesellschaft ist nur auf der Grundlage einer gut durchmischten Schule möglich. In dieser Schule profitieren alle Schüler voneinander.

Die Ergebnisse der PISA-Tests, die für Androsch der Maßstab zur Bewertung des Schulsystems sind, sollten jedenfalls nicht unser wichtigstes Kriterium bei der Beurteilung des Bildungssystems sein. Als Sozialdemokraten sollten wir uns daran orientieren, ob aus unserem Schulen mündige BürgerInnen hervorgehen, nicht daran, ob die Wirtschaft nach ihren Vorstellungen geformte Arbeitskräfte mit möglichst geringem Kostenaufwand erhält. Das Grundsatzprogramm der SPÖ von 2018 sagt: „Bildung ist der Schlüssel zur Welt. Sie ist Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben und ein Mittel zur Emanzipation. Sie macht uns zu kritikfähigen, freien und mündigen Menschen.“ (S.33) ** Die Sozialdemokratie selbst ist ja aus Bildungsvereinen hervorgegangen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, den Arbeiterinnen und Arbeitern das Bewusstsein ihrer historischen Aufgabe der gesellschaftlichen Emanzipation zu vermitteln. Davon ist heute leider wenig geblieben. Der Neoliberalismus hat erfolgreich solidarisches Streben nach gesellschaftlichem Ausgleich zerstört und dem Frönen eines egoistischen Individualismus zum Durchbruch verholfen.

Die Bildungsinitiative „Neustart Schule“ der Industriellenvereinigung ist mit ihrem Fokus auf Exzellenz für die Sozialdemokratie sicherlich nicht die erste Wahl für die Zielsetzung in der Bildung. Wo Androsch jedoch völlig richtig liegt, das ist die Bedeutung der Motivation der Lehrkräfte. „Am wichtigsten ist es, sicherzustellen, dass bei den Pädagogen neben Sachkunde auch Engagement und Begeisterungsfähigkeit vorhanden sind und erhalten bleiben.“ (S. 41)

Digitalisierung

Dem Miteigentümer des Leiterplattenherstellers AT&S liegt die Digitalisierung besonders am Herzen. Deshalb beklagt Androsch die mangelhafte Ausstattung mit Breitbandinternet und die Rückständigkeit Österreichs bei Automatisierung und Robotisierung. Dass letztere nur Jobkiller seien, bestreitet er. „Auf der anderen Seite entstehen viele neue, bessere und höher qualifizierte Jobs. Bei Kreativität und kritischer Reflexion oder Emotionen werden uns Roboter noch lange nicht das Wasser reichen“ (S. 51), schreibt er. Dass gerade bei den Unternehmen wenig Interesse an diesen Skills zu erkennen ist, darüber verliert Androsch allerdings kein Wort.

Seine Forderungen beschränken sich darauf, Österreich durch den Ausbau der digitalen Infrastruktur und der digitalen Bildung fit für den internationalen Wettbewerb zu machen. Darauf sollte sich die Sozialdemokratie aber nicht beschränken. Das Grundsatzprogramm der SPÖ bleibt beim Thema Digitalisierung recht vage in Bezug auf eine sozialdemokratische Zielsetzung. Es heißt dort: „Die neuen Möglichkeiten müssen die Teilhabe am gemeinschaftlich erwirtschafteten Wohlstand und am gesellschaftlichen Zusammenleben erhöhen.“ (S. 54) In der Praxis zeichnet sich nämlich das Gegenteil ab: Bei sehr wenigen landet der Profit aus den neuen Entwicklungen und statt mehr Teilhabe zeichnet sich einerseits ein Überwachungskapitalismus, andererseits ein autokratischer Überwachungsstaat (z.B. China, Russland, Ungarn) ab.

Aufgabe der Sozialdemokratie muss es sein, eine Vision zu entwickeln, wie durch die Digitalisierung eine gesellschaftliche Transformation unterstützt werden kann, die die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und den Kapitalismus hinter sich lässt. Ziel ist eine Gesellschaft, die alle Menschen aus den Mühen des Daseins erhebt, ihnen volle Entfaltungsmöglichkeiten gewährt, ohne dass die eigene Entfaltung jene der Anderen einschränkt.

Klima

Dass der Klimawandel Realität und menschengemacht ist, daran besteht für Androsch kein Zweifel. Man müsse bloß mit den Altausseer Fischern sprechen, damit seine Folgen handgreiflich werden. Daraus zieht er den Schluss: „Was wir beeinflussen können, müssen wir beeinflussen, und dazu gehört eine umfassende Dekarbonisierung.“ (S. 61) Es ist also anzunehmen, dass Androsch sein Vermögen nicht in OMV-Aktien angelegen wird. Obwohl das Klima nicht auf nationalstaatlicher Ebene gerettet werden kann, beklagt er, dass Österreich im Klimaschutz ins Hintertreffen geraten ist. „Österreich hinkt den vereinbarten Klimazielen weit hinterher … Im Verkehrssektor wurde es verabsäumt, rechtzeitig die Weichen zu stellen.“ (S. 63) Als Befürworter der Dekarbonisierung bedauert er, dass Österreich andere Energiequellen zu wenig genutzt habe. Androsch bekennt sich in unpopulärer Weise zur Atomkraft und zu Kraftwerksprojekten wie Hainburg und Dorfertal. „Weil es ohne Atomkraft und ohne forcierten Ausbau der Wasserkraft nicht möglich sein wird, die Energiewende weg von den durch den CO2-Ausstoß so gefährlichen fossilen Energieträgern zustande zu bringen.“ (S. 64) Das Nein zur Atomkraft sieht er als nicht rational an. Die knappe Ablehnung von Zwentendorf 1978 ist für ihn nicht gegen die Atomkraft, sondern gegen Kreisky gerichtet gewesen. Selbst die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima seien kein Beweis für die Gefährlichkeit der Atomkraft, sondern lediglich für ein Managementversagen. Mit dieser Einschätzung ist Androsch ist in Österreich nicht mehrheitsfähig.

Den Ausbau der Wasserkraft dort zu verweigern, wo die Voraussetzungen dafür günstig sind, sieht er als großen Fehler der Energiepolitik an. Hainburg und Dorfertal hätten gebaut werden müssen. Die Bedenken der Umweltschützer, wertvolle Ökosysteme zu zerstören, finden bei Androsch kein Gehör. Was den Treibhauseffekt fördert, ist böse. Alle anderen Energieformen sind für ihn gut. Damit zeigt der ehemalige Steuerberater Androsch wenig Gespür für ökologische Anliegen – abgesehen von der Bekämpfung der Erderwärmung.

Androsch befürwortet den Ausbau der Bahn, die Einführung des 1-2-3-Tickets, eine CO2-Steuer, höhere Treibstoffsteuern und eine Reform des Pendlerpauschales. Was ihm nie in den Sinn kommen würde, das ist die Überlegung, dass vom Kapitalismus nicht zu erwarten ist, dass er ausreichend gegen den Klimawandel vorgehen wird. Solange starke Profitinteressen an fossile Energieträger gebunden sind, werden der Transformation massive Widerstände entgegenstehen. Androschs gehört jener Generation der Sozialdemokratie an, die aus den Augen verloren hat, dass es eine gerechte (und ressourcenschonende) Gesellschaft nur jenseits der kapitalistischen Ordnung gaben kann.

Migration

Beim Thema Migration fordert Androsch, das „xenophobe Spiel“ von FPÖ und ÖVP zu beenden, sodass für eine kontrollierte Migration und einen humane Flüchtlingsaufnahme die Voraussetzungen geschaffen werden. Dass dem Rassismus entgegengetreten werden muss, den der Kapitalismus gezielt schürt, um die Klasse der Werktätigen zu spalten, da ist Androsch beizupflichten. Er erinnert mit Recht daran, dass nach dem zweiten Weltkrieg, nach dem Ungarn-Aufstand und dem Prager Frühling sowie während des Jugoslawienkrieges „die von vielen Populisten lächerlich gemachte österreichische Willkommenskultur … stets funktioniert“ (S. 80) hat.

Zur Begründung, warum Österreich Zuwanderung benötigt, bemüht Androsch die Demografie. „In Österreich stehen derzeit 4,1 Millionen Erwerbstätige bald 2,5 Millionen Pensionisten gegenüber.“ (S. 82) Ohne slowakische 24-Stunden-Pflegekräfte, rumänische Bauarbeiter, ukrainische Spargelstecher und bosnische Holschläger sei unser System nicht aufrechtzuerhalten. „Ohne Migranten hätten wir längst schon eine schrumpfende Ein-Kind-Gesellschaft wie China, Japan oder Russland.“ (S. 84) Der Industriekapitän Androsch denkt beim Thema Migration also vorwiegend an für die Wirtschaft nützliche Arbeitskräfte.

Das Recht aller Menschen, ihre unbefriedigende Situation in der Heimat hinter sich zu lassen und an einem anderen Ort das Glück zu suchen, wird von ihm leider nicht bemüht. Wer jedoch beim Thema Migration nur an die von der Wirtschaft benötigten Arbeitskräfte denkt, erweist dem Kampf gegen Rassismus keinen guten Dienst. Nur wer die Grenzen für alle öffnet, wird am Ende in den Herzen der Menschen die Furcht vor dem Anderen nehmen und die Spaltung der Klasse beenden.

Europa und die Weltordnung

Der Anhänger eines Beitritts Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft macht sich Gedanken über ein Europa nach Merkel. Die EU-Skepsis der neuen ÖVP treibt ihm die Zornesröte ins Gesicht. Österreich gehöre zu den größten Nutznießern der EU. Dennoch stehe Kanzler Kurz Orban näher als Merkel und Österreich gesellt sich beim EU-Budget mit den Niederlanden, Schweden und Dänemark zu den „geizigen Vier“. Für Androsch ist die Erkenntnis aus der Corona-Pandemie: „Die vergangenen Monate haben noch stärker sichtbar gemacht, dass es ein Mehr an europäischer Zusammenarbeit braucht.“ (S. 110) Daher lautet seine Forderung an die Regierung: „Wir sollten deshalb Angela Merkel und ihren Nachfolger aktiv unterstützen, wenn es um die konstruktive Weiterentwicklung des Projekts Europa geht … Denn bei allen großen Fragen wie Klimawandel, Digitalisierung, demographische Veränderungen oder Migration braucht es gesamteuropäische Lösungen; Lähmung durch rivalisierende Splittergruppen mit Partikularinteressen muss vermieden werden.“ (S. 112f.)

Die aktuelle Welt(un)ordnung der Rivalität zwischen dem wirtschaftlich aufstrebenden China und den USA, die noch immer die Heimat der mächtigsten Konzerne sind, beunruhigt Androsch. „Die US-Administration hat China zum strategischen Hauptfeind erklärt. Trump brach eine Serie von Handelskriegen vom Zaun.“ (S. 118) Über Trump weiß Androsch wenig zu sagen, sehr viel hingegen über die Entwicklung Chinas. Die Auswirkungen der Corona-Krise auf China bereiten ihm Sorgen. „Laut offiziellen chinesischen Angaben haben rund zehn Prozent der 180 Millionen Wanderarbeiter in den großen Industriezentren wegen der Krise ihre Jobs verloren; tatsächlich dürfte es ein Drittel sein.“ (S. 120) Die Ausweitung des Staatssektors verschlinge „Unsummen an Krediten, die sich rasch als faul erweisen“ (Ebd.) würden. „Dazu kommen immer größere Bedenken, ob der mit digitalen Mitteln installierte Überwachungsstaat in China auf Dauer kompatibel mit westlichen Werten ist.“ (S. 121) Der Umgang mit den Protesten in Hongkong zeige, dass die Unternehmen zur „Geisel der Politik“ (Zitat Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in Peking) geworden seien. Projekte wie die „Neue Seidenstraße“ weckten mit Recht den Argwohn des Westens, dass China immer mehr Staaten in die eigene Einflusssphäre zwingen wolle.

Wie soll Europa mit dieser Situation umgehen? „Europa muss sich auf die eigenen Beine stellen und eine klare Position zwischen den USA und China finden“ (S. 126), befindet Androsch. Den Abkoppelungstendenzen sowohl der USA wie auch Chinas müsse entgegengewirkt werden. D.h. die transatlantische Achse sollte gepflegt werden. „Und es ist ratsam, gegenüber China Eigenständigkeit zu signalisieren und rote Linien deutlich zu markieren.“ (S. 127) Androsch findet., dass die EU z.B. klar Position beziehen muss, wenn der chinesische Ministerpräsident Xi gemeinsame Sache mit den Rechtspopulisten macht. Wettbewerbskommissarin Vestager habe dafür ein schönes Bild gefunden. „Wenn du einen Gast zum Abendessen einlädst und er lädt dich seinerseits nicht retour ein, dann hör auf, ihn einzuladen.“ (Siehe S. 127)

Aus einer sozialdemokratischen Perspektive muss das Ziel einer guten Weltordnung durch solidarisches Handeln erreicht werden. Das Grundsatzprogramm der SPÖ kommt zu dem Schluss, „dass wir die globale Ungleichheit nur durch Kooperation und Koordination über Nationalstaaten hinweg bekämpfen können“** (GP S. 12). Weder die USA noch China, sondern in der internationalen Solidarität liegt für die Sozialdemokratie die Zukunft Europas. Androsch geht es jedoch mehr um die Behauptung Europas in einem globalen Wettbewerb.

* Hannes Androsch, Was jetzt zu tun ist, Brandstätter, Wien 2020.

** Grundsatzprogramm der SPÖ, Krems 2018.


Die aktuelle Steuerdiskussion in Österreich

12. Juli 2011

Seit vielen Wochen kommt praktisch kein Pressetermin mit einem Spitzenpolitiker daran vorbei, das Thema Steuerreform anzuschneiden. Begonnen hat dieser Reigen mit der Antrittsrede des Vizekanzlers und neuen ÖVP-Obmannes Spindelegger, der in dieser Rede vorsichtig eine Steuerreform für 2013 mit Erleichterungen für  die Familien und die Leistungsträger in Aussicht stellt. Danach folgte die neue Finanzministerin Fekter mit einigen genaueren Angaben, wie sich die ÖVP eine Steuerreform für 2013 vorstellt. Dann folgen AK-Präsident Tumpel, Bundespräsident Fischer und Bundeskanzler Feymann jeweils in der Pressestunde; zuletzt meldet sich die Landeshauptfrau von Salzburg, Burgstaller, mit ihren Plänen zur Umwidmungssteuer zu Wort. Was ist von den diversen Vorschlägen dieser SpitzenpolitikerInnen zur Reformierung des Steuersystems zu halten?

Beginnen wir mit der Finanzministerin Fekter.

Sie kündigt im Mai Entlastungen für den Mittelstand an und bekräftigt die ÖVP-Ablehnung der von SPÖ und Gewerkschaft geforderten Vermögensbesteuerung. Der Mittelstand sei nämlich dreifach belastet – durch die Progression, durch verhältnismäßig geringe Transferleistungen und durch Wertpapier-, Sparbuch- und andere vermögensbezogene Steuern. Dazu Fekter im Wortlaut: „Dieses System ist nicht gerecht.“ Einer von der SPÖ favorisierten Vermögenssteuer, die auf die Substanz abzielt, erteilt Fekter eine Absage, weil dafür die Finanz „herumschnüffeln“ und erheben müsste, wer was besitzt. Den Mittelstand „hat man schon ausgepresst wie eine Zitrone. Und wenn jetzt auch noch eine Vermögenssteuer käme, würde man von der ausgepressten Zitrone auch noch die Schale herunterschaben.“ Deshalb erteilt Fekter allen Wünschen, Steuern zu erhöhen, oder neue Steuern zu erfinden, eine Absage.

Dass Fekter eine Entlastung des Mittelstandes fordert, ist löblich. Besser wäre es, wenn sie eine Entlastung des Faktors Arbeit forderte. Aber schon im Nachsatz wird schnell klar, dass es ihr damit ohnehin nicht ernst ist. Mit der Progression spricht Fekter zwar ein Problem an, dass durch den hohen Eingangssteuersatz in Österreich tatsächlich den Mittelstand trifft. Es ist jedoch zu vermuten, dass sie mit den Betroffenen der Progression jene Minderheit meint, die mit Teilen ihres Einkommens in den Spitzensteuersatz von 50% fällt. Wenn Fekter jedoch die Verknüpfung von Mittelstand mit geringen Transferleistungen und Vermögenssteuer herstellt, so kann dies nur als haarsträubend empfunden werden und schlägt dem Fass den Boden aus. Erstens hat die WIFO-Studie von 2009 zur „Umverteilung durch den Staat in Österreich“ gezeigt, dass die Angehörigen des Mittelstands sehr wohl von den Transferleistungen profitieren. Zweitens wäre von einer Vermögenssteuer nach dem Modell von SPÖ und Gewerkschaft nicht der Mittelstand betroffen, sondern die obersten 5-10% der Einkommen. Bei dieser Gruppe von „ausgepressten Zitronen“ zu sprechen, denen man auch noch die „Schale abschaben“ möchte, ist pure Rhetorik. Denn diese Gruppe verfügt über ein durchschnittliches jährliches Einkommen von mehr als 55.000 Euro, ein Geldvermögen jenseits der 250.000 Euro, ein durchschnittliches Immobilienvermögen von mehr als  300.000 Euro, Unternehmensbeteiligungen im Wert  von durchschnittlich mehr als 250.000 Euro.

Am 19. Juni wurde AK-Präsident  Herbert Tumpel in der Pressestunde zu seinen Vorstellungen von Steuergerechtigkeit befragt.

Seine zentralen Forderungen sind die Vermögensbesteuerung für die „obersten zehn Prozent“ und der Kampf gegen Steuerhinterziehung – um die steuerliche Belastung der Arbeit reduzieren zu können.  „In Bälde“ will Tumpel gemeinsam mit ÖGB-Präsident Erich Foglar dazu  ein Steuerkonzept vorlegen.

Der AK-Präsident nannte zu dem Thema auch einige Zahlen: Bei der Vermögensbesteuerung kann er sich eine Freigrenze von einer Mio. Euro vorstellen – wobei es ihm um Finanzvermögen und Grundstücke geht und nicht um „Schnüffeln, ob jemand einen Pelzmantel hat“. Wie viel man damit einnehmen könnte, bezifferte er jedoch nicht genau; er erwartet aber ein „beträchtliches Aufkommen“ durch Vermögenssteuer und das Schließen von Steuerlücken etwa bei Stiftungen. Die Finanztransaktionssteuer – auf deren Einführung er ebenfalls drängte – könnte 1,8 Mrd. bringen und durch den Kampf gegen Steuerhinterziehung könnte man „mindestens zwei Mrd.“ aufbringen, schätzte der AK-Präsident.

Auf die Vorbehalte der ÖVP angesprochen, meinte Tumpel weiter, die Vermögenssteuer solle nicht den Mittelstand treffen. Ihm gehe es um jene zehn Prozent an der Spitze, die 60 Prozent des Finanzvolumens und 85 Prozent des Grundvermögens halten. Das sei „nicht der Mittelstand“, sondern „weit davon entfernt“. Diese obersten zehn Prozent würden 40 Prozent der Abgabenbelastung tragen, die untersten zehn Prozent 37 Prozent – „das ist nicht gerecht“. Tumpel hält nämlich die „Frage der sozialen Gerechtigkeit“ für ein „ganz wichtiges Thema“ – auch im Hinblick auf die Politik der SPÖ und die guten Umfragewerte der FPÖ. Er rät deshalb der Sozialdemokratie und der Regierungsmannschaft zu einer Politik, bei der die ArbeitnehmerInnen erkennen können, „dass sie zu ihrem Wohl ist“.

Herbert Tumpel wiederholt  also die berechtigten Forderungen von Gewerkschaft und Arbeiterkammer, das österreichische Steuersystem durch höhere Vermögenssteuern und Entlastung des Faktors Arbeit gerechter zu machen. In der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und in der Einführung der Finanztransaktionssteuer sieht er ebenfalls gute Möglichkeiten, um eine sozial gerechte Erhöhung der Staatseinnahmen zu erreichen.

Aufgrund des massiven medialen Feldzugs von ÖVP und Industriellenvereinigung gegen die Vermögenssteuer muss er sich gegen den absurden Vorwurf zur Wehr setzen, damit werde der Mittelstand belastet. Tumpel stellt daher klar, dass lediglich die obersten zehn Prozent betroffen wären. Und bei diesen kann man mit Recht nicht vom Mittelstand sprechen. Es ist nur schade, dass Tumpel kein einprägsames Bild von den finanziellen Verhältnissen dieser Oberschichtgruppe zeichnet, sondern nur abstrakt die Abgabenbelastung der obersten und der untersten 10% gegenüberstellt.

Seinem Rat an die SPÖ, die Frage nach sozialer Gerechtigkeit zum Thema zu machen und mit einer klaren Politik im Interesse der ArbeitnehmerInnen gegen die FPÖ aufzutreten, kann nur voll und ganz beigepflichtet werden.

Am 26. Juni hatte dann Bundeskanzler Werner Faymann die Gelegenheit, in der Pressestunde seine Vorstellungen von Steuergerechtigkeit darzustellen und den Kritikern der Hilfe für Griechenland zu antworten.

Der Bundeskanzler hält 2013 für einen guten Zeitpunkt für eine Steuerreform. Bis dahin müsse man sich um das Wirtschaftswachstum kümmern, um dafür einen Spielraum zu haben. Im Rahmen einer Steuerreform sei es jedoch notwendig, über soziale Gerechtigkeit nachzudenken.

Mit seiner hervorragenden Wettbewerbsfähigkeit bei starker Kaufkraft und sozialem Ausgleich sei Österreich zwar eine „Modellregion in Europa“,  sagte Bundeskanzler Werner Faymann, aber dennoch dürfe man sich nicht zurücklehnen. „Wir müssen uns mehr für soziale Gerechtigkeit stark machen, sonst geht der Punkt, der Österreich zu einer Modellregion macht, verloren“, so Faymann mahnend. Er sei daher ein „überzeugter, aber nicht unkritischer Europäer“. Wesentliche Fragen der Zukunft würden nicht im eigenen Land, sondern gemeinsam in Europa entschieden, daher sei es wichtig, sich auf europäischer Ebene für und gegen etwas zu engagieren.

Zur Frage der Staatsverschuldung sagte der Bundeskanzler: „Wenn Schulden, auch die zukünftigen, so aufgebaut sind, dass man in Bildung, Infrastruktur und Forschung investiert, dann ist das zukunftsorientiert“. Wenn man allerdings Schulden mache, weil etwa Doppelgleisigkeiten in der Bürokratie nicht abgeschafft würden, dann bereite ihm das Sorgen. „Unser Land ist nicht nur neutral, sondern auch unabhängig. Wir müssen diese Unabhängigkeit erhalten, indem wir unsere starke wirtschaftliche Position und unser Triple-A-Rating halten“, warnt der Bundeskanzler eindringlich.

Eine kommende Steuerreform müsse durch Wirtschaftswachstum finanziert werden, führt Faymann weiter aus. Angesichts der aktuellen guten Daten für Konjunktur und Arbeitsmarkt gehe er davon aus, dass „wir das verdienen“. 2013 wäre ein guter Zeitpunkt für eine Steuerreform, bis dahin müsse man sich um das Wirtschaftswachstum kümmern. Im

Rahmen einer Steuerreform sei es notwendig, über soziale Gerechtigkeit zu reden. „Wir müssen darüber reden, wie gerecht es zugeht, wen wir entlasten wollen, nämlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und wie man mit vermögensbezogenen Maßnahmen auch die richtigen trifft, nämlich die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung“, sagt Feymann in Richtung Koalitionspartner.

Der Bundeskanzler bemerkt abschließend, dass er sich als jemand verstehe, der sich ganz besonders der Frage der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet fühle. „Ich finde keine schönere Vision, als die, dass jedes Kind durch eine gute Schule die gleichen Chancen hat, ganz gleich wo es geboren worden ist, dass jeder, der arbeiten gehen möchte, auch eine Arbeit findet, dass jeder respektvoll behandelt wird – eine schönere Vision gibt es nicht.“

Bundeskanzler Feymann ergänzt die Diskussion seines Parteikollegen Tumpel zur Steuergerechtigkeit um den neuen Aspekt, eine Steuerreform 2013 durch entsprechendes Wirtschaftswachstum zu finanzieren. Den AK-Präsidenten unterstützt er in der Forderung, eine solche Steuerreform müsse nach dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit erfolgen. Daher müssten die ArbeitnehmerInnen entlastet werden, die reichsten 5 % der Bevölkerung jedoch sollten durch höhere vermögensbezogene Steuern zur Kasse gebeten werden, damit in Bildung, Infrastruktur und Forschung investiert werden kann.

Feymanns abschließender Vision von Chancengleichheit in der Ausbildung, Arbeitsplatzsicherheit und Respekt in der Gesellschaft kann man nur wünschen, dass sie bald Wirklichkeit wird.

Am 3. Juli ergänzt Bundespräsident Heinz Fischer in der Pressestunde die Forderungen seiner Parteikollegen mit seinem Plädoyer für die Erbschaftssteuer.

Beim Thema Vermögenssteuern gebe es „Nachdenkbedarf“, sagt Fischer. Denn er sei ein Anhänger der Leistungsgerechtigkeit, und das derzeitige System habe mit Leistungsgerechtigkeit nichts zu tun. Dazu Fischer im Wortlaut: „Leistung muss gefordert und gefördert werden. Aber gerade bei Erbschaften ist der Anteil der Leistung relativ überschaubar.“

Fischer fordert zwar nicht direkt eine Wiedereinführung der Erbschaftssteuer, wohl aber eine „sachliche und ernsthafte“ Auseinandersetzung ohne Tabus. Damit befindet er sich auf einer Linie mit den Gewerkschaften, die stets gegen die Abschaffung der Erbschaftssteuer waren.

Das SPÖ-Modell zu einer Vermögenssteuer, das einen jährlichen Steuersatz zwischen 0,3 und 0,7 Prozent auf Vermögen über eine Million Euro vorsieht, bezeichnet er als Diskussionsbeitrag. „Ich freue mich, wenn andere sachliche Beiträge dazukommen.“

Der Bundespräsident spricht hier ein Thema an, dass nicht außer Acht gelassen werden darf, wenn man es mit sozialer Gerechtigkeit ernst meint. Denn alle Untersuchungen zum Thema Erbschaft zeigen, dass Erbenschaften sehr ungleich verteilt sind und somit die Ungleichheit in der Gesellschaft über Generationen hinweg prolongieren. Dass Heinz Fischer bei diesem Thema den Lieblingsbegriff der Konservativen, Leistung, ins Spiel bringt, ist ein geschickter Schachzug. Keine Frage, auch die ÖVP und die Industriellenvereinigung müssen ihm Recht geben: „gerade bei Erbschaften ist der Anteil der Leistung relativ überschaubar.“

Trotzdem hält sich die Freude in der SPÖ über diesen Vorstoß des Bundespräsidenten in Grenzen. Denn seitdem sich die SPÖ 2008 nach dem VfGH-Urteil nur kurz gegen die Abschaffung von Erbschafts- und Schenkungssteuer gewehrt hat, macht man dort lieber einen großen Bogen um dieses Thema. Das ist schade, da gerade das Thema Erbschaftssteuer in einer Diskussion über soziale Gerechtigkeit im Brennpunkt stehen sollte.

Am 5. Juli lässt die Landeshauptfrau von Salzburg, Gabi Burgstaller, im Interview mit einem neuen Vorschlag aufhorchen.

Sie erklärt gegenüber dem Standard: „Ich bin eine Befürworterin der Besteuerung des Vermögenszuwachses und nicht der Substanz. Ich werde als Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz auch einen Vorschlag für eine Widmungsabgabe machen. Der größte Hohn in unserem Steuerrecht ist, dass man mit einem Beschluss einer Gemeindevertretung Millionär werden kann – wenn Grünland in Bauland umgewidmet wird – und dafür keinen Cent Steuer zahlt.“

Im Ö1-Abendjournal am darauffolgenden Freitag hat sie dann ihren Vorschlag gegen die Kritik durch den Landeshauptmann von Oberösterreich, Josef Pühringer, verteidigt. Solche Umwidmungen seien derzeit von jeglicher Besteuerung befreit, was ungerecht sei, sagt Burgstaller dort. „Jeder, der Geld auf einem Sparbuch hat, zahlt dafür 25 Prozent an Zinsertragssteuer. Im Gegensatz dazu gibt es derzeit keinerlei Steuer auf Gewinne durch Umwidmungen.“ Burgstaller rechnet vor: „Wenn jemand ein Grundstück im Grünland im Wert von 100.000 Euro besitzt und die Gemeindevertretung eine Umwidmung in Bauland beschließt, kann dasselbe Grundstück plötzlich eine Million Euro wert sein“.. Sie verlangt deshalb eine 25-prozentige Umwidmungssteuer. „Der Differenzbetrag – in diesem Fall 900.000 Euro – wird in Österreich bisher überhaupt nicht besteuert. Hier sollte man meiner Ansicht nach ebenfalls eine Steuer von 25 Prozent einführen – also genau im selben Ausmaß, wie auch andere Gewinne besteuert werden“, sagte Burgstaller zur Erklärung.

Gabi Burgstaller liefert mit diesem Vorschlag eine Anregung, über die neben den vielen anderen ernsthaft nachgedacht werden sollte. Freilich sollte der ganze Bereich Grundsteuern umfassend reformiert werden, da mit den bestehenden Einheitswerten hier seit langem völlig unzeitgemäße Tarife bestehen, die dem Vermögenswert Grundstück keine sozial gerechte Bewertung angedeihen lassen.


Aus der Märchenstunde von ÖVP und Industriellenvereinigung zur Steuerbelastung in Österreich

14. Juni 2011

Die ÖVP und Industriellenvereinigung haben wie erwartet auf die Forderungen von ÖGB-Präsident Erich Foglar in der Pressestunde vom 5. Juni 2011 reagiert. Sie lehnen die Forderungen der Gewerkschaft nach mehr Steuergerechtigkeit durch Einführung einer Vermögenssteuer, der Wiedereinführung einer reformierten Erbschaftssteuer und durch Reformierung der Grundsteuer als Belastung des Mittelstands ab. Wie nicht anders zu erwarten war, sind die Begründungen für die Ablehnung haarsträubend und stecken voller Lügenmärchen.

ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch sagte nämlich in Reaktion auf die Forderungen des ÖGB-Präsidenten: „Mit der ÖVP wird es keine Mittelstandssteuern a la ÖGB geben“.

Herr Rauch, hören Sie auf, die Österreicher an der Nase herumzuführen! Eine Vermögenssteuer, die das oberste 1% der Einkommen in Österreich treffen soll, mag vieles sein – eines ist sie aber sicher nicht: eine Steuer, die den Mittelstand trifft. Wissen Sie überhaupt, was der Mittelstand ist? Nach gebräuchlicher volkswirtschaftlicher Definition gehören zum Mittelstand jene Haushalte, die ein Einkommen zwischen 60 und 180% des Medianeinkommens haben. Das bedeutet, der Mittelstand hat ein Einkommen zwischen ca. 1000 und 3600 Euro. Diese besitzen keine riesigen Villen, noch einen Rolls Royce und einen Ferrari sowie Privatjets und Segelyacht, Unternehmensbeteiligungen oder hohes Barvermögen, sodass sie mit einem Freibetrag von 700.000 Euro von der Vermögenssteuer nicht betroffen wären. Auch die reformierte Erbschaftssteuer betrifft diese Menschen nicht, da die Mehrheit in dieser Gruppe gar nicht erbt und der Rest ist bei einem Freibetrag von 300.000 Euro ebenfalls kaum betroffen, da der Median des vererbten Vermögens bei 22.000 Euro liegt. Wie Martin Schürz von der Österreichischen Nationalbank immer wieder betont, ergeben die Befragungen zum Thema die folgenden Resultate: „Die Fakten zum Erben in Österreich zeigen eindeutige Ergebnisse: Nur eine Minderheit erbt, nur wenige erben viel und die Erbschaftssteuer in Österreich war vernachlässigenswert gering.“ Auch die Grundsteuer fällt beim Mittelstand kaum ins Gewicht, da sie nur einen Bruchteil der Betriebskosten von Miet- und Eigentumswohnungen ausmacht und auch die Besitzer von Einfamilienhäusern nur geringen Belastungen aussetzt. Eine deutliche Erhöhung der Einheitswerte stellt für den Mittelstand eine weit geringere Belastung dar, als die hohen Energiekosten, die in Folge des hohen Ölpreises gegeben sind.

Weiters polterte Generalsekretär Rauch in Richtung des roten Gewerkschafters Foglar gegen die vermeintlichen Belastungen der Leistungsträger: „Die Tüchtigen ausquetschen zu wollen, auf bereits mehrfach versteuertes Eigentum hin greifen zu wollen, den Leistenden in die Taschen zu langen – das wird es mit der ÖVP nicht geben“. Die Belastungsideen von Foglar – wie Erhöhung der Grundsteuer, Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer  –, so Rauch weiter, „treffen genau jene, die für den Erhalt des Sozialstaates Österreich einen massiven Beitrag leisten. Genau jene, die tagtäglich hart arbeiten, um sich und ihren Familien etwas aufzubauen“.

Rauch bemüht als nächstes also die obligatorische Suada von der Belastung der Leistungsträger, die für schon versteuertes Einkommen auch noch Vermögenssteuer zahlen sollen. Was der ÖVP-Generalsekretär jedoch verschweigt, das ist, dass für alle unselbstständig Erwerbstätigen eine Mehrfachbesteuerung Gang und Gebe ist. Denn wir ArbeitnehmerInnen zahlen von unserem versteuerten Einkommen Umsatzsteuer für Waren und Dienstleistungen, die wir erwerben bzw. konsumieren. Mehrfachbesteuerung ist somit nichts Ungewöhnliches.

Ob jene, die von der Vermögenssteuer betroffen wären, wirklich Leistungsträger sind, ist zu hinterfragen. Denn hier fallen viele darunter, die ihr Vermögen gerbt haben; viele, die ihr Vermögen durch Anlagen auf dem Kapitalmarkt vermehren –  was ja nicht gerade eine großartige Leistung ist. Leistungsträger sind vielmehr jene Österreicherinnen und Österreicher, die durch ihre Arbeit Tag für Tag Waren produzieren und Dienstleistungen erbringen. In die glückliche Situation, dadurch von einer Vermögenssteuer betroffen zu sein, kommt so gut wie niemand von den mehr als 3 Millionen ArbeitnehmerInnen. Denn nur rund ein Prozent hat in Österreich Vermögenswerte, die den Freibetrag von 700.000 Euro überschreiten. Darunter sind mit Ausnahme von ein paar Spitzenmanagern keine ArbeitnehmerInnen.

Dass von den Steuerplänen des ÖGB gerade die hart arbeitenden Menschen, die mit ihren Beiträgen den Sozialstaat finanzieren, betroffen wären, ist eine dreiste Lüge. Denn die wenigen ArbeitnehmerInnen  und selbstständig Erwerbstätigen, die von der einer Erbschafts- oder Grundsteuer merkbar betroffen wären, verdienen in der Regel deutlich mehr als die Höchstbeitragsgrundlage ausmacht. Sie zahlen also weniger an Sozialversicherungsbeiträgen, als es ihre Leistungsfähigkeit erlauben würde. Und wenn man die Gesamtabgabenbelastung hernimmt (also Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Sozialversicherungsbeiträge zusammenzählt), dann kommt man zum Ergebnis, dass in den obersten 2 Dezilen die prozentuelle Belastung nur leicht höher ist als bei den untersten 2 Dezilen des Einkommens (siehe dazu die WIFO-Studie zur Steuerbelastung in Österreich). Obwohl es in einem Fall um ein Einkommen von ca. 1.000 Euro, im anderen Fall von ca. 10.000 Euro geht!

Generalsekretär Rauch kündigt zum Abschluss seiner Ausführungen eine eigene Steuerreform seiner Partei an: „Die ÖVP arbeitet an einer Vereinfachung  des Steuersystems und will eine Entlastung des Mittelstandes – sobald wir uns den Spielraum dafür erarbeitet haben. Familien und Leistungsträger müssen dann im Fokus der Entlastung stehen.“

Herr Rauch, entlasten Sie ruhig die Familien und wahren Leistungsträger in unserem Land, die ArbeitnehmerInnen, bei einer Steuerreform 2013. Aber holen Sie sich den Spielraum für diese Maßnahmen bei jenen, die es sich problemlos leisten können, mehr für unseren Sozialstaat beizutragen – den Dollarmillionären und Höchsteinkommenbeziehern.

Neben dem ÖVP-Generalsekretariat hat auch die Industriellenvereinigung auf die Pressestunde mit ÖGB-Präsidenten Foglar reagiert.

Als „sachlich teilweise nicht nachvollziehbar“ bezeichnete der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, die Aussagen von ÖGB-Präsident Erich Foglar zu Steuern und Umverteilung in Österreich. Er begründet seine Einwände wie folgt: „Wir sind bereits ein extrem stark umverteilendes Hochsteuerland. Zuerst müssen vor diesem Hintergrund die insbesondere in den Bereichen Verwaltung, Pensionen und Gesundheit vorhandenen Sparpotenziale gehoben werden. Ansonsten ist es eine Zumutung gegenüber den Leistungsträgern und der standort- sowie beschäftigungspolitisch völlig falsche Zugang, wie der ÖGB ständig neue oder erhöhte Steuern zu verlangen. Leistung muss sich lohnen und darf nicht bestraft werden. Verteilungsgerechtigkeit muss auch Leistungsgerechtigkeit bedeuten.“ Weiters erklärte der neue Generalsekretär der IV, es sei „unverständlich und standortpolitisch kontraproduktiv, dass der Gewerkschaftsbund offenbar weiterhin keinerlei Vorschläge für strukturelle Maßnahmen und Einsparungsmöglichkeiten sowie zur Modernisierung des Staates vorlegt und stattdessen ständig über neue Steuern philosophiert. Es ist aber nicht länger leistbar, dass das Geld der Steuerzahlerinnen und -zahler weiterhin in ineffizienten Strukturen aufgebraucht wird“.

Neumayer schlägt also in die gleiche Kerbe wie Rauch: die Leistungsträger würden getroffen. Dazu wurde weiter oben schon genug gesagt. Eine Ergänzung zu Rauch ist der Vorwurf, Österreich sei ein Hochsteuerland und wir sollten lieber bei der Verwaltung, den Pensionen und der Gesundheit sparen. Dass Österreich ein Hochsteuerland ist, mag zwar richtig sein. Aber die Unterstellung, dass dies etwas Schlechtes sei, muss korrigiert werden. Denn gerade die Hochsteuerländer sind jene Länder mit der höchsten Lebensqualität und geringsten sozialen Unterschieden. Außerdem ist es unwahr, dass eine hohe Steuerquote dem Standort und der Beschäftigung schadet. Die Zahlen sprechen bei diesem Thema eine andere Sprache. Denn gerade das Hochsteuerland Schweden punktet als Standort und hat neben Dänemark die höchste Beschäftigungsquote. Der Satz „Leistung muss sich lohnen und darf nicht bestraft werden“ darf als billige Rhetorik gebucht werden. Denn dass sich Leistung nicht lohnt, das sieht man daran, dass hart schuftende ArbeitnehmerInnen oftmals mit Tausend Euro Monatslohn abgespeist werden, während Spitzenmanager, die gerne bei teuren Geschäftsessen über die beste Möglichkeit zur Vernichtung von Arbeitsplätzen palavern, mit astronomischen Gehältern belohnt werden.

Dass in der Verwaltung wegen einiger Mehrgleisigkeiten Sparpotential steckt, wird niemand leugnen. Dass die IV mit ihrem Liebkind „Verwaltungsreform“ jedoch eigentlich auf die Einsparung von Arbeitsplätzen in der öffentlichen Verwaltung abzielt, darf dabei aber nicht vergessen werden. Die dadurch entstehende Arbeitslosigkeit käme der IV freilich recht, da somit der Druck auf die Löhne noch größer wird.

Sparen bei den Pensionen würde bedeuten, dass jene Menschen, die 40 Jahre und länger gearbeitet haben, mit einer niedrigeren Pension abgespeist werden sollen.  Jene Menschen, die nach Jahrzehnten Erwerbstätigkeit ihren wohlverdienten Ruhestand antreten, haben  sich eine Alterssicherung verdient, die ihren Lebensstandard nicht massiv einschränkt. Auch jene Menschen, die krankheitsbedingt früher in den Ruhestand gehen, dürfen nicht als Schmarotzer abgetan werden, die keine existenzsichernde Pension verdienen. Beim Thema Alterssicherung wäre es besser, darüber nachzudenken, wie neue Einnahmequellen gefunden werden können (z.B. Wertschöpfungsabgabe, Querfinanzierung durch Vermögenssteuern und Finanztransaktionssteuer), statt immer wieder die Demographiekeule zu schwingen und ständig Einsparungen zu fordern.

Bei der Gesundheit kann im Bereich der Spitäler durch effizientere Aufteilung der Spitalsbetten sicherlich die Eine oder Andere Einsparung erzielt werden. Generell jedoch muss uns allen bewusst werden, dass die Gesundheitskosten steigen, weil wir immer älter werden und damit verbunden höhere Ausgaben für die Erhaltung der Gesundheit haben. Mittel- und langfristig werden wir also mehr Mittel für diesen Bereich in die Hand nehmen müssen.

Wie bei einem Vertreter der Industriellenvereinigung nicht anders zu erwarten war, muss als Nächstes natürlich das Jammern über die hohe Staats- und Sozialquote folgen. „Wir haben bereits eine der absolut höchsten Steuer- und Abgabenquoten innerhalb der Europäischen Union und mit über 50 Prozent eine der höchsten Staatsquoten. Auch unsere Sozialquote ist mit über 30 Prozent bereits eine der absolut höchsten in Europa“, erklärt uns der IV-Generalsekretär. Gemessen am Anteil der Sozialtransfers am verfügbaren Haushaltseinkommen weise Österreich,  so Neumayer weiter,  sogar den höchsten Umverteilungsgrad aller OECD-Staaten auf. Vor diesem Hintergrund sei es „befremdlich, wenn der ÖGB wie im Falle der Abschaffung der Erbschaftssteuer von einer ‚Sünde‘ sowie von ‚beschämend‘ niedrigen vermögensbezogenen Steuern spricht. In beiden Fällen handelt es sich um mehrfach versteuertes gespeichertes Einkommen.“

Wie wir bereits weiter oben betonten, darf man Staats- und Sozialquote nicht isoliert und negativ sehen, da eine hohe Staats- und Sozialquote in der Regel mit einer hohen Lebensqualität und entgegen der neoliberalen Denunziation auch mit einer hohen Wettbewerbsfähigkeit verbunden ist. Was die Erbschaftssteuer und die Mehrfachbesteuerung betrifft, haben wir ja schon dargestellt, dass Mehrfachbesteuerung nichts Ungewöhnliches ist. Dass die Vermögensbesteuerung beschämend niedrig ist, das belegen alle Vergleichszahlen mit den anderen EU- und OECD-Staaten. Österreich ist bei den Vermögenssteuern nur knapp vor Tschechien und mit 1,4% weit vom EU-Schnitt von mehr als 5% entfernt.

Zuletzt darf bei Neumayer natürlich auch nicht fehlen, wer in Österreich angeblich die Hauptsteuerlast trägt. Das oberste Zehntel trage nämlich 58 Prozent der gesamten Lohn- und Einkommenssteuerlast und das oberste Prozent 20 Prozent, während inzwischen fast 50 Prozent der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen gar keine Steuer mehr bezahlen würden. „Insgesamt ist die Progression trotz aller Steuerreformen der vergangenen Jahrzehnte stark gestiegen“, so der Generalsekretär der IV. „Drei Viertel aller Steuern und Abgaben werden in Österreich als Transfers umverteilt. Im Schnitt wird mehr als ein Drittel des verfügbaren Haushaltseinkommens im Zuge der Umverteilung vom Staat, mit anderen Worten, von den Steuerzahlern, beigetragen und nicht durch Markteinkommen erwirtschaftet. Das sind die Fakten, die man jeder Umverteilungsdebatte grundsätzlich vorausstellen muss“, betonte Neumayer weiter.

Jetzt ist Neumayer bei einem der Lieblingsthemen der Industriellenvereinigung angelangt: das Joch, an dem die Leistungsträger in Österreich angeblich so schwer zu tragen haben. Dabei wird wie üblich nur von der Einkommensteuer geredet, aber nicht von den anderen Abgaben. Außerdem werden nur die absoluten Zahlen der Einkommensteuerverteilung vermeldet. Dass die höchsten Einkommen in absoluten Zahlen gemessen am meisten beitragen, ist nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip nur gerecht. Wenn man dagegen die Gesamtabgabenbelastung und die jeweilige prozentuelle Belastung hernimmt, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die untersten Einkommen nur marginal weniger als die höchsten Einkommen beitragen (siehe weiter oben). Aber das werden wir niemals aus dem Mund eines IV-Vertreters zu hören bekommen.

Der IV-Generalsekretär fasst seine Suada der neoliberalen Märchenstunde schließlich wie folgt zusammen: „Wir brauchen nicht noch mehr Steuern und Abgaben, die von unserem bereits hohen Niveau weg tendenziell wachstums- und damit beschäftigungshemmend wirken, sondern mehr Anreize, diese Steuern und Abgaben auch in Zukunft erbringen zu können und zu wollen.“ Er sieht  es als einen „Mythos“ an, dass höhere Vermögenssteuern zu einer ausgeglicheneren Wohlstandsverteilung führen würden. „Internationale Vergleiche zeigen: genau das Gegenteil ist der Fall.“ Gerade in Ländern mit komparativ moderaten Vermögenssteuern, wie etwa die skandinavischen Länder, die Niederlande oder auch Österreich, sei der Wohlstand relativ gleichmäßig verteilt, während Länder mit komparativ höheren Vermögenssteuern, wie etwa das Vereinigte Königreich oder Kanada, viel größere Ungleichheiten in der Wohlstandsverteilung aufweisen. Die klassischen Hochgrundsteuerländer wie die USA und Großbritannien würden mit den Grundsteuern überdies auch Dienstleistungen finanzieren, die in Österreich in einem hohen Ausmaß über Gebühren finanziert würden.

Dass eine hohe Abgabenquote ganz und gar nicht wachstums- und beschäftigungsfeindlich ist, da haben wir schon zuvor betont. Die internationalen Vergleichszahlen zeigen vielmehr das Gegenteil. Das Beste folgt aber zum Schluss: es sei ein Mythos, dass höhere Vermögenssteuern zu einer ausgeglicheneren Wohlstandsverteilung führen. Als Beleg werden einen Reihe von Staaten angeführt: Großbritannien, USA und Kanada. Dort gibt es höhere Vermögenssteuern, dennoch sei die Ungleichheit in diesen Ländern größer. Neumayer hat recht, in Großbritannien und den USA sind die Vermögenssteuern signifikant höher und trotzdem ist die Ungleichheit in diesen Ländern deutlich größer. Aber der IV-Generalsekretär verschweigt, dass dies daran liegt, dass trotz der hohen Vermögenssteuern insgesamt die Steuerbelastung deutlich niedriger ist als etwa in Österreich oder Schweden, sodass nicht genügend Einnahmen vorhanden sind, um einen ausreichenden Sozialtransfer zu finanzieren. Das Problem sind also nicht die Vermögenssteuern, sondern der unterentwickelte Sozialstaat in den angelsächsischen Ländern, der nicht genügend umverteilt.