Die Schuldenbremse ist wirtschaftspolitischer Unsinn

17. November 2011

Der Ministerrat hat am 15. November 2011 beschlossen, eine Schuldenbremse in die österreichische Verfassung zu schreiben. Damit soll erreicht werden, dass der Bund in Österreich ab 2017 nur noch eine Neuverschuldung von höchstens 0,35 % hat. Die Länder und Gemeinden sollen überhaupt ausgeglichen bilanzieren. Wenn die konjunkturelle Situation es erlaubt, soll in guten Jahren das Defizit sogar verringert werden. Bis 2021 soll dadurch die Gesamtverschuldung Österreichs auf unter 60 % des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden.

Wie ist diese Maßnahme aus einer gesamtwirtschaftlichen Sicht zu beurteilen? Nun, zunächst ist zu betonen, dass der Hintergrund für diese Maßnahme der massive Druck der Finanzmärkte auf die europäische Politik ist. Es herrscht seit Monaten ein großes Misstrauen gegenüber den Staaten des Euroraums. Das  hat dazu geführt, dass die Zinsen für Staatsanleihen steigen und die Kosten für Kreditausfallversicherungen gewaltig in die Höhe schießen. Neben Griechenland, Portugal, Spanien und Italien sind inzwischen Länder wie Frankreich oder Österreich betroffen. Denn sie müssen fürchten, dass sie den Status von Triple A-Schuldnern verlieren. Eine Herabstufung würde jedoch dazu führen, dass deutlich mehr Kosten für den Schuldendienst aufgrund höherer Zinszahlungen anfallen. Die Schuldenbremse ist also als ein Versuch zu sehen, die Finanzmärkte und die Ratingagenturen zu beruhigen.

Zu dieser Absicht ist zunächst zu bemerken, dass alle bisherigen Versuche der europäischen Politik, die Finanzmärkte in Zusammenhang mit der „Schuldenkrise“ zu besänftigen, fehlgeschlagen sind. Sie haben bisher nur zu einer kurzfristigen Beruhigung geführt, auf die stets noch schwerere Erschütterungen gefolgt sind. Wieso also sollte die Einführung einer Schuldenbremse nun Erfolg haben? Dass Österreich nach der Ankündigung der Schuldenbremse sogar höhere Zinsen für Anleihen zahlen muss, deutet darauf hin, dass diese Maßnahme ihre Wirkung verfehlen wird.

Außerdem darf nicht verschwiegen werden, dass in Hinsicht auf eine vernünftige Gestaltung der Staatsfinanzen die Schuldenbremse wirtschaftspolitischer Unsinn ist. Denn langfristig sind Staatsfinanzen nur dann in Ordnung zu bringen, wenn ein Staat sich der konjunkturellen Situation angepasst verhält. Wenn eine Hochkonjunktur mit hohem Wirtschaftswachstum herrscht, dann sollte der Staat diese Situation nützen, um über höhere Steuereinnahmen Defizite abzubauen. In einer Rezession bzw. während eines Wirtschaftsabschwungs darf eine Regierung jedoch nicht sparen, sondern sie muss antizyklisch investieren, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. In einer solchen Situation zu sparen, wäre vielmehr kontraproduktiv. Denn durch Sparmaßnahmen während einer Rezession wird der Abschwung verstärkt. Dies führt dann zu einem massiven Einbruch der Staatseinnahmen. Dadurch werden die Schulden am Ende größer statt geringer. D.h. eine Schuldenbremse hat im Falle einer Rezession den gegenteiligen Effekt: sie führt zu mehr statt weniger Schulden!

Die Schlussfolgerung daraus ist somit, dass der Staat zur Konsolidierung des Budgets ein strenges antizyklisches Programm verfolgen sollte. Einsparungen, die keine negativen Auswirkungen auf die Konjunktur haben (wie Vermögensteuern oder eine ausgewogene Verwaltungsreform), sind dabei immer möglich. Eine Schuldenbremse hingegen, die durch Einsparungen zu weniger Einkommen großer Teile der Bevölkerung führt,  gefährdet den Wohlstand aller, da dadurch das Wirtschaftswachstum gebremst bzw. überhaupt verhindert wird. Deshalb sollte sich Österreich nicht dem Druck der Finanzmärkte beugen und auf diese unsinnige Maßnahme verzichten.


Aus der Märchenstunde von ÖVP und Industriellenvereinigung zur Steuerbelastung in Österreich

14. Juni 2011

Die ÖVP und Industriellenvereinigung haben wie erwartet auf die Forderungen von ÖGB-Präsident Erich Foglar in der Pressestunde vom 5. Juni 2011 reagiert. Sie lehnen die Forderungen der Gewerkschaft nach mehr Steuergerechtigkeit durch Einführung einer Vermögenssteuer, der Wiedereinführung einer reformierten Erbschaftssteuer und durch Reformierung der Grundsteuer als Belastung des Mittelstands ab. Wie nicht anders zu erwarten war, sind die Begründungen für die Ablehnung haarsträubend und stecken voller Lügenmärchen.

ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch sagte nämlich in Reaktion auf die Forderungen des ÖGB-Präsidenten: „Mit der ÖVP wird es keine Mittelstandssteuern a la ÖGB geben“.

Herr Rauch, hören Sie auf, die Österreicher an der Nase herumzuführen! Eine Vermögenssteuer, die das oberste 1% der Einkommen in Österreich treffen soll, mag vieles sein – eines ist sie aber sicher nicht: eine Steuer, die den Mittelstand trifft. Wissen Sie überhaupt, was der Mittelstand ist? Nach gebräuchlicher volkswirtschaftlicher Definition gehören zum Mittelstand jene Haushalte, die ein Einkommen zwischen 60 und 180% des Medianeinkommens haben. Das bedeutet, der Mittelstand hat ein Einkommen zwischen ca. 1000 und 3600 Euro. Diese besitzen keine riesigen Villen, noch einen Rolls Royce und einen Ferrari sowie Privatjets und Segelyacht, Unternehmensbeteiligungen oder hohes Barvermögen, sodass sie mit einem Freibetrag von 700.000 Euro von der Vermögenssteuer nicht betroffen wären. Auch die reformierte Erbschaftssteuer betrifft diese Menschen nicht, da die Mehrheit in dieser Gruppe gar nicht erbt und der Rest ist bei einem Freibetrag von 300.000 Euro ebenfalls kaum betroffen, da der Median des vererbten Vermögens bei 22.000 Euro liegt. Wie Martin Schürz von der Österreichischen Nationalbank immer wieder betont, ergeben die Befragungen zum Thema die folgenden Resultate: „Die Fakten zum Erben in Österreich zeigen eindeutige Ergebnisse: Nur eine Minderheit erbt, nur wenige erben viel und die Erbschaftssteuer in Österreich war vernachlässigenswert gering.“ Auch die Grundsteuer fällt beim Mittelstand kaum ins Gewicht, da sie nur einen Bruchteil der Betriebskosten von Miet- und Eigentumswohnungen ausmacht und auch die Besitzer von Einfamilienhäusern nur geringen Belastungen aussetzt. Eine deutliche Erhöhung der Einheitswerte stellt für den Mittelstand eine weit geringere Belastung dar, als die hohen Energiekosten, die in Folge des hohen Ölpreises gegeben sind.

Weiters polterte Generalsekretär Rauch in Richtung des roten Gewerkschafters Foglar gegen die vermeintlichen Belastungen der Leistungsträger: „Die Tüchtigen ausquetschen zu wollen, auf bereits mehrfach versteuertes Eigentum hin greifen zu wollen, den Leistenden in die Taschen zu langen – das wird es mit der ÖVP nicht geben“. Die Belastungsideen von Foglar – wie Erhöhung der Grundsteuer, Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer  –, so Rauch weiter, „treffen genau jene, die für den Erhalt des Sozialstaates Österreich einen massiven Beitrag leisten. Genau jene, die tagtäglich hart arbeiten, um sich und ihren Familien etwas aufzubauen“.

Rauch bemüht als nächstes also die obligatorische Suada von der Belastung der Leistungsträger, die für schon versteuertes Einkommen auch noch Vermögenssteuer zahlen sollen. Was der ÖVP-Generalsekretär jedoch verschweigt, das ist, dass für alle unselbstständig Erwerbstätigen eine Mehrfachbesteuerung Gang und Gebe ist. Denn wir ArbeitnehmerInnen zahlen von unserem versteuerten Einkommen Umsatzsteuer für Waren und Dienstleistungen, die wir erwerben bzw. konsumieren. Mehrfachbesteuerung ist somit nichts Ungewöhnliches.

Ob jene, die von der Vermögenssteuer betroffen wären, wirklich Leistungsträger sind, ist zu hinterfragen. Denn hier fallen viele darunter, die ihr Vermögen gerbt haben; viele, die ihr Vermögen durch Anlagen auf dem Kapitalmarkt vermehren –  was ja nicht gerade eine großartige Leistung ist. Leistungsträger sind vielmehr jene Österreicherinnen und Österreicher, die durch ihre Arbeit Tag für Tag Waren produzieren und Dienstleistungen erbringen. In die glückliche Situation, dadurch von einer Vermögenssteuer betroffen zu sein, kommt so gut wie niemand von den mehr als 3 Millionen ArbeitnehmerInnen. Denn nur rund ein Prozent hat in Österreich Vermögenswerte, die den Freibetrag von 700.000 Euro überschreiten. Darunter sind mit Ausnahme von ein paar Spitzenmanagern keine ArbeitnehmerInnen.

Dass von den Steuerplänen des ÖGB gerade die hart arbeitenden Menschen, die mit ihren Beiträgen den Sozialstaat finanzieren, betroffen wären, ist eine dreiste Lüge. Denn die wenigen ArbeitnehmerInnen  und selbstständig Erwerbstätigen, die von der einer Erbschafts- oder Grundsteuer merkbar betroffen wären, verdienen in der Regel deutlich mehr als die Höchstbeitragsgrundlage ausmacht. Sie zahlen also weniger an Sozialversicherungsbeiträgen, als es ihre Leistungsfähigkeit erlauben würde. Und wenn man die Gesamtabgabenbelastung hernimmt (also Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Sozialversicherungsbeiträge zusammenzählt), dann kommt man zum Ergebnis, dass in den obersten 2 Dezilen die prozentuelle Belastung nur leicht höher ist als bei den untersten 2 Dezilen des Einkommens (siehe dazu die WIFO-Studie zur Steuerbelastung in Österreich). Obwohl es in einem Fall um ein Einkommen von ca. 1.000 Euro, im anderen Fall von ca. 10.000 Euro geht!

Generalsekretär Rauch kündigt zum Abschluss seiner Ausführungen eine eigene Steuerreform seiner Partei an: „Die ÖVP arbeitet an einer Vereinfachung  des Steuersystems und will eine Entlastung des Mittelstandes – sobald wir uns den Spielraum dafür erarbeitet haben. Familien und Leistungsträger müssen dann im Fokus der Entlastung stehen.“

Herr Rauch, entlasten Sie ruhig die Familien und wahren Leistungsträger in unserem Land, die ArbeitnehmerInnen, bei einer Steuerreform 2013. Aber holen Sie sich den Spielraum für diese Maßnahmen bei jenen, die es sich problemlos leisten können, mehr für unseren Sozialstaat beizutragen – den Dollarmillionären und Höchsteinkommenbeziehern.

Neben dem ÖVP-Generalsekretariat hat auch die Industriellenvereinigung auf die Pressestunde mit ÖGB-Präsidenten Foglar reagiert.

Als „sachlich teilweise nicht nachvollziehbar“ bezeichnete der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, die Aussagen von ÖGB-Präsident Erich Foglar zu Steuern und Umverteilung in Österreich. Er begründet seine Einwände wie folgt: „Wir sind bereits ein extrem stark umverteilendes Hochsteuerland. Zuerst müssen vor diesem Hintergrund die insbesondere in den Bereichen Verwaltung, Pensionen und Gesundheit vorhandenen Sparpotenziale gehoben werden. Ansonsten ist es eine Zumutung gegenüber den Leistungsträgern und der standort- sowie beschäftigungspolitisch völlig falsche Zugang, wie der ÖGB ständig neue oder erhöhte Steuern zu verlangen. Leistung muss sich lohnen und darf nicht bestraft werden. Verteilungsgerechtigkeit muss auch Leistungsgerechtigkeit bedeuten.“ Weiters erklärte der neue Generalsekretär der IV, es sei „unverständlich und standortpolitisch kontraproduktiv, dass der Gewerkschaftsbund offenbar weiterhin keinerlei Vorschläge für strukturelle Maßnahmen und Einsparungsmöglichkeiten sowie zur Modernisierung des Staates vorlegt und stattdessen ständig über neue Steuern philosophiert. Es ist aber nicht länger leistbar, dass das Geld der Steuerzahlerinnen und -zahler weiterhin in ineffizienten Strukturen aufgebraucht wird“.

Neumayer schlägt also in die gleiche Kerbe wie Rauch: die Leistungsträger würden getroffen. Dazu wurde weiter oben schon genug gesagt. Eine Ergänzung zu Rauch ist der Vorwurf, Österreich sei ein Hochsteuerland und wir sollten lieber bei der Verwaltung, den Pensionen und der Gesundheit sparen. Dass Österreich ein Hochsteuerland ist, mag zwar richtig sein. Aber die Unterstellung, dass dies etwas Schlechtes sei, muss korrigiert werden. Denn gerade die Hochsteuerländer sind jene Länder mit der höchsten Lebensqualität und geringsten sozialen Unterschieden. Außerdem ist es unwahr, dass eine hohe Steuerquote dem Standort und der Beschäftigung schadet. Die Zahlen sprechen bei diesem Thema eine andere Sprache. Denn gerade das Hochsteuerland Schweden punktet als Standort und hat neben Dänemark die höchste Beschäftigungsquote. Der Satz „Leistung muss sich lohnen und darf nicht bestraft werden“ darf als billige Rhetorik gebucht werden. Denn dass sich Leistung nicht lohnt, das sieht man daran, dass hart schuftende ArbeitnehmerInnen oftmals mit Tausend Euro Monatslohn abgespeist werden, während Spitzenmanager, die gerne bei teuren Geschäftsessen über die beste Möglichkeit zur Vernichtung von Arbeitsplätzen palavern, mit astronomischen Gehältern belohnt werden.

Dass in der Verwaltung wegen einiger Mehrgleisigkeiten Sparpotential steckt, wird niemand leugnen. Dass die IV mit ihrem Liebkind „Verwaltungsreform“ jedoch eigentlich auf die Einsparung von Arbeitsplätzen in der öffentlichen Verwaltung abzielt, darf dabei aber nicht vergessen werden. Die dadurch entstehende Arbeitslosigkeit käme der IV freilich recht, da somit der Druck auf die Löhne noch größer wird.

Sparen bei den Pensionen würde bedeuten, dass jene Menschen, die 40 Jahre und länger gearbeitet haben, mit einer niedrigeren Pension abgespeist werden sollen.  Jene Menschen, die nach Jahrzehnten Erwerbstätigkeit ihren wohlverdienten Ruhestand antreten, haben  sich eine Alterssicherung verdient, die ihren Lebensstandard nicht massiv einschränkt. Auch jene Menschen, die krankheitsbedingt früher in den Ruhestand gehen, dürfen nicht als Schmarotzer abgetan werden, die keine existenzsichernde Pension verdienen. Beim Thema Alterssicherung wäre es besser, darüber nachzudenken, wie neue Einnahmequellen gefunden werden können (z.B. Wertschöpfungsabgabe, Querfinanzierung durch Vermögenssteuern und Finanztransaktionssteuer), statt immer wieder die Demographiekeule zu schwingen und ständig Einsparungen zu fordern.

Bei der Gesundheit kann im Bereich der Spitäler durch effizientere Aufteilung der Spitalsbetten sicherlich die Eine oder Andere Einsparung erzielt werden. Generell jedoch muss uns allen bewusst werden, dass die Gesundheitskosten steigen, weil wir immer älter werden und damit verbunden höhere Ausgaben für die Erhaltung der Gesundheit haben. Mittel- und langfristig werden wir also mehr Mittel für diesen Bereich in die Hand nehmen müssen.

Wie bei einem Vertreter der Industriellenvereinigung nicht anders zu erwarten war, muss als Nächstes natürlich das Jammern über die hohe Staats- und Sozialquote folgen. „Wir haben bereits eine der absolut höchsten Steuer- und Abgabenquoten innerhalb der Europäischen Union und mit über 50 Prozent eine der höchsten Staatsquoten. Auch unsere Sozialquote ist mit über 30 Prozent bereits eine der absolut höchsten in Europa“, erklärt uns der IV-Generalsekretär. Gemessen am Anteil der Sozialtransfers am verfügbaren Haushaltseinkommen weise Österreich,  so Neumayer weiter,  sogar den höchsten Umverteilungsgrad aller OECD-Staaten auf. Vor diesem Hintergrund sei es „befremdlich, wenn der ÖGB wie im Falle der Abschaffung der Erbschaftssteuer von einer ‚Sünde‘ sowie von ‚beschämend‘ niedrigen vermögensbezogenen Steuern spricht. In beiden Fällen handelt es sich um mehrfach versteuertes gespeichertes Einkommen.“

Wie wir bereits weiter oben betonten, darf man Staats- und Sozialquote nicht isoliert und negativ sehen, da eine hohe Staats- und Sozialquote in der Regel mit einer hohen Lebensqualität und entgegen der neoliberalen Denunziation auch mit einer hohen Wettbewerbsfähigkeit verbunden ist. Was die Erbschaftssteuer und die Mehrfachbesteuerung betrifft, haben wir ja schon dargestellt, dass Mehrfachbesteuerung nichts Ungewöhnliches ist. Dass die Vermögensbesteuerung beschämend niedrig ist, das belegen alle Vergleichszahlen mit den anderen EU- und OECD-Staaten. Österreich ist bei den Vermögenssteuern nur knapp vor Tschechien und mit 1,4% weit vom EU-Schnitt von mehr als 5% entfernt.

Zuletzt darf bei Neumayer natürlich auch nicht fehlen, wer in Österreich angeblich die Hauptsteuerlast trägt. Das oberste Zehntel trage nämlich 58 Prozent der gesamten Lohn- und Einkommenssteuerlast und das oberste Prozent 20 Prozent, während inzwischen fast 50 Prozent der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen gar keine Steuer mehr bezahlen würden. „Insgesamt ist die Progression trotz aller Steuerreformen der vergangenen Jahrzehnte stark gestiegen“, so der Generalsekretär der IV. „Drei Viertel aller Steuern und Abgaben werden in Österreich als Transfers umverteilt. Im Schnitt wird mehr als ein Drittel des verfügbaren Haushaltseinkommens im Zuge der Umverteilung vom Staat, mit anderen Worten, von den Steuerzahlern, beigetragen und nicht durch Markteinkommen erwirtschaftet. Das sind die Fakten, die man jeder Umverteilungsdebatte grundsätzlich vorausstellen muss“, betonte Neumayer weiter.

Jetzt ist Neumayer bei einem der Lieblingsthemen der Industriellenvereinigung angelangt: das Joch, an dem die Leistungsträger in Österreich angeblich so schwer zu tragen haben. Dabei wird wie üblich nur von der Einkommensteuer geredet, aber nicht von den anderen Abgaben. Außerdem werden nur die absoluten Zahlen der Einkommensteuerverteilung vermeldet. Dass die höchsten Einkommen in absoluten Zahlen gemessen am meisten beitragen, ist nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip nur gerecht. Wenn man dagegen die Gesamtabgabenbelastung und die jeweilige prozentuelle Belastung hernimmt, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die untersten Einkommen nur marginal weniger als die höchsten Einkommen beitragen (siehe weiter oben). Aber das werden wir niemals aus dem Mund eines IV-Vertreters zu hören bekommen.

Der IV-Generalsekretär fasst seine Suada der neoliberalen Märchenstunde schließlich wie folgt zusammen: „Wir brauchen nicht noch mehr Steuern und Abgaben, die von unserem bereits hohen Niveau weg tendenziell wachstums- und damit beschäftigungshemmend wirken, sondern mehr Anreize, diese Steuern und Abgaben auch in Zukunft erbringen zu können und zu wollen.“ Er sieht  es als einen „Mythos“ an, dass höhere Vermögenssteuern zu einer ausgeglicheneren Wohlstandsverteilung führen würden. „Internationale Vergleiche zeigen: genau das Gegenteil ist der Fall.“ Gerade in Ländern mit komparativ moderaten Vermögenssteuern, wie etwa die skandinavischen Länder, die Niederlande oder auch Österreich, sei der Wohlstand relativ gleichmäßig verteilt, während Länder mit komparativ höheren Vermögenssteuern, wie etwa das Vereinigte Königreich oder Kanada, viel größere Ungleichheiten in der Wohlstandsverteilung aufweisen. Die klassischen Hochgrundsteuerländer wie die USA und Großbritannien würden mit den Grundsteuern überdies auch Dienstleistungen finanzieren, die in Österreich in einem hohen Ausmaß über Gebühren finanziert würden.

Dass eine hohe Abgabenquote ganz und gar nicht wachstums- und beschäftigungsfeindlich ist, da haben wir schon zuvor betont. Die internationalen Vergleichszahlen zeigen vielmehr das Gegenteil. Das Beste folgt aber zum Schluss: es sei ein Mythos, dass höhere Vermögenssteuern zu einer ausgeglicheneren Wohlstandsverteilung führen. Als Beleg werden einen Reihe von Staaten angeführt: Großbritannien, USA und Kanada. Dort gibt es höhere Vermögenssteuern, dennoch sei die Ungleichheit in diesen Ländern größer. Neumayer hat recht, in Großbritannien und den USA sind die Vermögenssteuern signifikant höher und trotzdem ist die Ungleichheit in diesen Ländern deutlich größer. Aber der IV-Generalsekretär verschweigt, dass dies daran liegt, dass trotz der hohen Vermögenssteuern insgesamt die Steuerbelastung deutlich niedriger ist als etwa in Österreich oder Schweden, sodass nicht genügend Einnahmen vorhanden sind, um einen ausreichenden Sozialtransfer zu finanzieren. Das Problem sind also nicht die Vermögenssteuern, sondern der unterentwickelte Sozialstaat in den angelsächsischen Ländern, der nicht genügend umverteilt.


Spindelegger: der Verteidiger des Mittelstandes?

24. Mai 2011

Nachfolgend möchte ich eine kritische Analyse der Rede von Michael Spindelegger  beim Parteitag der ÖVP aus der Sicht der ArbeitnehmerInnen darbieten.

Der neue ÖVP-Obmann Michael Spindelegger hat in seiner Rede beim Parteitag letzte Woche in Innsbruck versucht, die ÖVP als breit aufgestellte Partei der „Leistungsträger“ im Land darzustellen und sich vom Koalitionspartner SPÖ abzugrenzen. Während diese ständig neue Belastungen fordere, bleibe die Volkspartei der „Verteidiger des Mittelstandes“, so Spindelegger in seiner Antrittsrede. Spindelegger bekräftigte dabei das Versprechen einer Steuerreform, von der der Mittelstand und die „Leistungsträger“ profitieren sollen. Derzeit gebe es nämlich eine „Schieflage“ mit 70 Prozent Nettoempfängern. Das dürfe nicht so bleiben, es müsse „jeder etwas leisten“. „Das Wegnehmen“ sei nicht das Programm der ÖVP, sondern Leistung. Die Volkspartei sei aber auch „nicht die Partei der Superreichen, sondern des Mittelstandes“.

Was ist von diesen vollmundigen Ankündigungen und Belehrungen zu halten? Erstens wiederholt Spindelegger mit dem Verweis auf die Nettoempfänger die langjährigen in die Irre führenden Behauptungen der Industriellenvereinigung über die Belastungsverteilung in Österreich. Wahrscheinlich hat er diese ideologische Brandbombe der Vermögenden bei seinem Traineeprogramm bei der Vereinigung Österreichischer Industrieller erworben, das er von 1990 bis 1993 absolviert hat. In den 70% Nettotransferempfängern sind nämlich alle, die sich noch in Ausbildung befinden (= Kinder und Jugendliche), und die PensionistInnen enthalten. Was die IV unter den Teppich kehrt, das ist also, dass man im Laufe des Lebens mehrfach die Position wechselt – vom Nettoempfänger zum Nettoleister und wieder zurück. Denn ein Nettoempfänger ist auch, wer Leistungen aus der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung bezieht, weil er im Spital liegt oder seinen Job verloren hat (auf diese Leistungen hat er aufgrund seiner Einzahlungen in die Versicherung Anspruch). Die IV und Spindelegger möchten diese Menschen also zu Schmarotzern erklären, die den „Leistungsträgern“ in Österreich auf der Tasche liegen.

Auch wenn er anschließend beteuert, die ÖVP wolle niemand etwas wegnehmen, so muss doch festgehalten werden, dass sich am Verhältnis von Nettoempfängern und -leistern nur etwas ändern lässt, wenn man die Sozialtransfers für die niedrigen Einkommensgruppen reduziert. Man müsste also jenen, die wenig verdienen oder Leistungen aus der Sozialversicherung beziehen und dadurch oftmals gerade mal genug zum Überleben haben, etwas wegnehmen und jenen geben, die auf die Butterseite des Lebens gefallen sind, weil sie über ein hohes Einkommen aus unselbstständiger oder selbstständiger Arbeit verfügen oder sogar einiges an Vermögen besitzen. Aber das ist ja gerade die Funktion eines funktionierenden Sozialstaats und eines gerechten Steuersystems, dass dadurch die große Schere bei den Primäreinkommen reduziert wird. Jedenfalls ist nun klar, wie die Verteidigung des Mittelstandes durch Spindelegger aussieht, wenn man sie konkret durchdenkt!

Wenn wir schon beim Thema Leistung sind, dann sollten wir auch nicht vergessen, dass die Hauptlast der Steuerabgaben in Österreich die ArbeitnehmerInnen tragen, während Kapital- und Unternehmenseinkünfte deutlich weniger beitragen. Von dieser Form der ungleichen Belastung im österreichischen Steuersystem hören wir vom ehemaligen ÖAAB-Obmann Spindelegger jedoch wenig. Zwar beteuert er, die ÖVP sei „nicht die Partei der Superreichen, sondern des Mittelstandes“, aber wir warten vergeblich auf ein Konzept der ÖVP, damit die Reichen in diesem Land einen angemessenen Beitrag zu unserer Wohlfahrtsgesellschaft beitragen und der Faktor Arbeit endlich entlastet werden kann. Denn nur dann ist es möglich, dass der Mittelstand weniger zu schultern hat. Die vermeintliche Ökologisierung des Steuersystems, wie sie sein Vorgänger als Vizekanzler vorgeschlagen hat, ist im Unterschied zu den Plänen der SPÖ zur Vermögensbesteuerung für eine solche Umverteilung der Lasten wenig geeignet.

Spindelegger bekannte sich in seiner Rede des Weiteren zum sozialen Netz im Staat, allerdings nur für jene, die „nicht können“. Dieses dürfe keine „Hängematte“ für die sein, „die nicht wollen“. Der soziale Ausgleich müsse unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ stattfinden.

Das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ bei der Sozialpolitik kennen wir von der ÖVP schon seit den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts. An diesem Prinzip ist nichts auszusetzen, da es die Grundlage jeder sinnvollen Sozialpolitik sein sollte. Aber der von den neoliberalen Totengräbern des Sozialstaats in den politischen Diskurs eingebrachten Rede von der „sozialen Hängematte“ muss entschieden begegnet werden. Denn diese Bezeichnung ist eine Denunzierung der Empfänger von Sozialleistungen, die erstens jeglicher Stützung durch die Fakten entbehrt. Freilich gibt es auch beim Arbeitslosengeld und der Sozialhilfe (bzw. neu: Mindestsicherung) Missbrauch, aber dieser verursacht nur einen Bruchteil des Schadens, der der Öffentlichkeit durch Steuerhinterziehung entsteht. Zweitens soll die Rede von der „sozialen Hängematte“ kaschieren, dass Sozialtransfers kein Gnadenakt, sondern durch die Zahlung von Beiträgen erworbene Leistungen von ArbeitnehmerInnen sind.

Abermals betonte Spindelegger in seiner Rede dann, Familienpolitik auch zur Chefsache machen zu wollen. Man müsse mehr als bisher die Familienpartei in Österreich werden. Das gelte für Steuerangelegenheiten ebenso wie die Bildungspolitik. Abermals erteilte Spindelegger in diesem Zusammenhang einer Gesamtschule eine Absage: „Die Mittelschule kommt, das Gymnasium bleibt.“ Als Credo für die Wirtschaftspolitik gab er vor: „Wir dürfen unsere Wirtschaft nicht zusätzlich belasten, wir müssen sie geradezu entfesseln.“

Zur Familien- und Bildungspolitik Stellung zu nehmen, das erfordert einen eigenen Artikel. Dies werde ich bei Gelegenheit an anderer Stelle tun. Zu seinem Credo in der Wirtschaftspolitik kann ich erstens nur auf meine ausführlichen Darstellungen des österreichischen Steuersystems verweisen, wo klar zu entnehmen ist, dass die ArbeitnehmerInnen und der Faktor Arbeit stark belastet werden, die UnternehmerInnen in Form von Körperschaftssteuer und Kapitalertragssteuer immer weniger zur Finanzierung unseres Gemeinwesens beitragen. Daraus ergibt sich selbstredend, dass es sehr wohl möglich ist, die Wirtschaftstreibenden mehr zu belasten. Zweitens sei Vizekanzler Spindelegger ins ökonomische Stammbuch geschrieben, dass die Wirtschaft nicht dadurch entfesselt wird, dass sie steuerlich entlastet wird – das versuchen uns fälschlicherweise die Neoliberalen seit vielen glauben zu machen –, sondern durch nachfragegetriebenes Wirtschaftswachstum. Dies erreicht man jedoch nicht durch Entlastung der Vermögenden, die bei Entlastung nur ihre Sparquote erhöhen, sondern durch höheres Einkommen der ArbeitnehmerInnen, das wiederum in den Konsum fließt und dadurch zu höherem Wachstum führt.

Spindelegger kommt in seiner Rede dann nochmals auf sein Hauptthema zu sprechen: Der Mittelstand solle nicht die Melkkuh der Nation und nicht immer der Ochse sein, der den Karren aus dem Dreck ziehe. „Andere wollen an der Belastungsschraube drehen, aber wir bleiben die Verteidiger des Mittelstandes“, so Spindelegger in Richtung SPÖ. Der Koalitionspartner habe „es auf das Eigentum der Menschen abgesehen“ und „nach wie vor ein gestörtes Verhältnis zum Eigentum“.

Einmal mehr versucht Spindelegger geschickt, den Mittelstand als seine Zielgruppe anzusprechen. Dieser solle nicht immer der Ochse sein, der alle Belastungen zu tragen habe. Vor allem aber solle dieser vor neuen Belastungen durch die SPÖ bewahrt werden. Mit einer rhetorischen Verschleierung möchte Spindelegger somit den ArbeitnehmerInnen  vermitteln, bei den Plänen zur Vermögensbesteuerung gehe es um sie und nicht um die Vermögenden und Superreichen. Dies kann dadurch gelingen, dass der Begriff „Mittelstand“ nur sehr vage gefasst wird. Wie wir aus Umfragen wissen, rechnet sich die große Mehrheit der Bevölkerung dem Mittelstand zu. Das reicht von den Kleinverdienern mit gerade mal Tausend Euro pro Monat Nettoverdienst bis hin zu den Beziehern von Höchsteinkommen von 100.000 Euro brutto und mehr im Jahr. In der Volkswirtschaft spricht man manchmal von Mittelschicht bei einem Einkommen von 70 bis 150% des Medianeinkommens. Das Medianeinkommen der unselbstständig Beschäftigten  beträgt in Österreich (Stand 2009) EUR 24.784,– pro Jahr. Nach dieser Definition sind die Mittelschicht bzw. der Mittelstand also jene ÖsterreicherInnen, die zwischen 1200 und 2650 Euro brutto verdienen. Diese Gruppe dürfte Spindelegger mit seiner Adressierung jedoch nicht gemeint haben, da diese Gruppe noch nicht die sogenannten „Leistungsträger“ erfasst.

Die Mittelschicht umfasst laut einer anderen Definition (Die Presse vom 30.10.2010) Personen mit einem monatlichen Einkommen zwischen 2000 und 5000 Euro brutto. Laut Lohnsteuerstatistik 2009 sind das etwa 1,4 Millionen Menschen. „Diese 35 Prozent der Berufstätigen finanzieren überwiegend den Staat. Sie kommen für 55,5 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer auf und bezahlen 58 Prozent der Sozialabgaben. Bei den indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Tabaksteuer usw.) beläuft sich ihr Beitrag auf mehr als 60 Prozent. […] Dabei mag die Umverteilung von oben nach unten recht gut funktionieren, die Mitte aber fällt um viele Zuschüsse und Förderungen um. Laut der Umverteilungsstudie des Wifo vom September 2009 erhält das untere Drittel der österreichischen Haushalte 43,5 Prozent aller Transferleistungen. Das obere Drittel bekommt wiederum fast so viel wie das mittlere: 25 Prozent gegenüber 31,5 Prozent. Bei der Familienförderung wird der Unterschied noch größer: Fast die Hälfte aller Familienleistungen fließt in das untere Einkommensdrittel“ (Die Presse vom 30.10.2010).

Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Denn diese Gruppe der ÖsterreicherInnen hat das Gefühl, die ganze Last der Abgaben zu tragen und kaum etwas zu bekommen. Ihnen muss erklärt werden, dass sie höhere Lasten deshalb zu bewältigen haben, weil sie eben über eine höhere Leistungsfähigkeit verfügen als die Unterschicht. Und ihnen sollte auch offen gesagt werden, dass sie die Hauptlast deshalb abbekommen, weil die Oberschicht einen zu geringen Beitrag leistet. Nur dies werden sie aus dem Mund eines ÖVP-Obmann nicht zu hören bekommen. Dass das untere Einkommensdrittel den größten Anteil der Transferleistungen erhält, kann man der Mittelschicht durchaus vermitteln. Denn darin liegt ja der Zweck eines solidarischen Sozialsystems, dass es von den höheren zu niedrigeren Einkommen umverteilt. Warum freilich die Oberschicht durch die Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge einen prozentuell niedrigeren Beitrag zu diesem System leistet, soll ihnen Spindelegger erklären.

Dieser verlegt sich jedoch lieber darauf, der Mittelschicht einzureden, die SPÖ möchte ihnen etwas wegnehmen. Zwar verfügt diese Gruppe zum Teil durchaus über ein bescheidenes Vermögen (z.B. Eigentumswohnung, Einfamilienhaus), aber die Vermögenssteuerpläne von Gewerkschaft und SPÖ treffen durch die entsprechenden Freigrenzen diese Gruppe sicherlich nicht. Aber Spindelegger muss ebenso wie sein Vorgänger Pröll diese Gruppe ins Boot holen, da die eigentlich Betroffenen, die obersten 10%, nicht mehrheitsfähig sind. Allein mit dieser Gruppe lassen sich keine Wahlen gewinnen. Deshalb versucht die ÖVP stets, die Mittelschicht für die Interessen der obersten 10% einzuspannen, indem sie dieser weismacht, es gehe bei der Verteidigung der steuerlichen Privilegien der Oberschicht um sie.

Der Koalitionspartner SPÖ wird zu diesem Zweck als eine Art Räuber dargestellt, der es auf das Eigentum der Mittelschicht abgesehen hat – also „ein gestörtes Verhältnis zum Eigentum“ hat. Die ÖVP schürt geschickt die Angst jener, die vielleicht über ein Immobilienvermögen von ca. 200.000 Euro verfügen (also bei einem Freibetrag von 500.000 Euro von einer Vermögenssteuer sicher nicht betroffen sind), damit sie sich mit den obersten 10% solidarisieren, die durchschnittlich ein Immobilienvermögen von mehr als 2 Mio. Euro besitzen – wobei es bei den obersten 1% sogar 7 Mio. sind. Diese Minderheit hat über das Erbrecht die Möglichkeit, diese höchst ungleichen Voraussetzungen der Lebenschancen von Generation zu Generation weiterzugeben und somit die Ungleichheit in unserem Land stets größer werden zu lassen. Wo nun also das gestörte Verhältnis zum Eigentum in Wahrheit liegt, überlasse ich den LeserInnen.

Die Menschen wollten „wahre Antworten“ und keine populistischen Ansagen, so Spindelegger zum Abschluss seiner Rede.

Genau, Herr Spindelegger! Erzählen Sie also ihren WählerInnen, welche Interessen Sie und die ÖVP in Wahrheit vertreten. Aber lassen Sie bitte die Mittelschicht aus dem Spiel, die bei den Steuerreformen ihrer Partei stets mit einem Körbchengeld abgespeist wird, während die obersten 10% beim Einkommen die wahren Profiteure sind.


Kritische Analyse des Budgets für 2011

25. Oktober 2010

Die Regierungsmitglieder von SPÖ und ÖVP haben sich Samstag Nachmittag hinsichtlich der Einnahmen- und Ausgabenmaßnahmen beim Budget geeinigt. Im Steuerbereich kommt wie schon länger geplant die Bankenabgabe. Diese soll ca. 500 Mio. Euro Mehreinnahmen bringen. Allerdings fallen durch die Abschaffung der Kreditvertragsgebühr 150 Mio. an Einnahmen weg. Der Wegfall der Spekulationsfrist bei Aktien wird zunächst 30 Mio. bringen und soll jährlich steigen und ab 2014 schließlich 250 Mio. jährlich an Mehreinnahmen bescheren. Durch den Wegfall der Begünstigung der Zwischenbesteuerung in Stiftungen sollen 2011 50 Mio. mehr in die öffentlichen Haushalte fließen. Auch hier wird erwartet, dass die Einnahmen jährlich steigen. Durch ein Betrugsbekämpfungspaket werden 100 Mio. an zusätzlichen Steuerleistungen erwartet.

Durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer (plus 5 Cent bei Diesel, plus 4 Cent bei Benzin) soll 2011 417 Mio. mehr in die Staatskasse überführen. Allerdings steht dieser Maßnahme eine Erhöhung der Pendlerpauschale um 5% und Erleichterungen für LKW gegenüber, die  etwa 50 Mio. kosten werden.  Bei der Normverbrauchsabgabe, durch Flugticketzuschläge sollen weitere 85 Mio. aufgebracht werden. Durch eine Erhöhung der Tabaksteuer ist eine Mehreinnahme von 100 Mio. für den Staatssäckel zu erwarten.

Ausgabenseitig kommen vor allem für Familien einige Kürzungen zum Tragen. Durch die Auszahlung der Familienbeihilfe nur noch bis zum vollendeten 24. Lebensjahr und die Kürzung der 13. Familienbeihilfe auf pauschal 100 Euro und die Begrenzung auf Kinder zwischen 6 und 15 Jahren sind Einsparungen von 238 Mio. geplant. Die Streichung des Mehrkindzuschlags und der Wegfall des Alleinverdienerabsetzbetrags für kinderlose Familien sollen weitere 125 Mio. an Ersparnis bringen. Beim Pflegegeld gibt es eine Verschlechterung in den ersten beiden Stufen, da die Voraussetzungen um jeweils 10 Stunden Pflegebedarf erhöht werden. Bei der höchsten Pflegestufe gibt es eine kleine Erhöhung, sodass insgesamt eine Einsparung von 17 Mio. herauskommen soll.

Bei den Neupensionen wird es in Zukunft keine Erhöhung innerhalb des ersten Jahres geben. Bei der vorzeitigen Alterspension aufgrund langer Versicherungsdauer (= Hacklerregelung) wird die steuerliche Absetzbarkeit beim Nachkauf von Schulzeiten wegfallen, sodass die Kosten dafür um etwa 12 Mio. sinken. Bis 2013 bleibt diese Regelung unverändert bestehen und wird danach durch eine Regelung ersetzt, die weniger Kosten verursach soll. Das Antrittsalter wird ab 2014 sowohl bei Frauen wie auch bei den Männern um 2 Jahre erhöht.  Bei der vorzeitigen Pension aufgrund von Erkrankung soll durch verstärkte Rehabilitation zunächst ein Mehraufwand von ca. 7 Mio. gegeben sein, längerfristig sollen die Kosten jedoch deutlich sinken. Durch die positive Entwicklung der Arbeitslosigkeit sei bei der Arbeitsmarktförderung 2011 eine Ersparnis von 44 Mio. zu erwarten.

Im Bildungsbereich werden sowohl den Universitäten wie auch für den Ausbau der Gesamtschulen jeweils 80 Mio. mehr im Jahr zur Verfügung gestellt. Jedoch werden den Universitäten die Einführung von Studieneingangsphasen in überlaufenen Studienfächern zugestanden.

Zur weiteren Ankurbelung der positiven Konjukturentwicklung wird die thermische Sanierung mit 100 Mio. Euro gefördert.

Wie ist dieses Gesamtpaket im Hinblick auf eine gerechte und solidarische Gestaltung der Budgetkonsolidierung zu beurteilen? Dass die Bankenabgabe eingeführt wird, ist sehr zu begrüßen, da die Banken vom Staat durch das Bankenpaket gerettet wurden und somit mit Recht zum Abbau der dadurch entstandenen Schulden herangezogen werden. Entgegen anders lautenden Behauptungen werden die Banken diese Belastungen nicht unmittel an ihre Kunden weitergeben werden können, da sie die laufenden Verträge einhalten müssen und ein gesunder Wettbewerb dafür sorgen sollte, dass jene Banken, die ihren Neukunden keine höheren Gebühren verrechnen, im Vorteil sein sollten. Trotzdem ist nicht völlig auszuschließen, dass die Bankenabgabe im Laufe der Jahre indirekt zu einer Massensteuer wird. Der Wegfall der steuerlichen Begünstigung von Privatstiftungen und die Streichung der Spekulationsfrist bei Wertpapieren ist eine längst fällige Maßnahme, da diese Regelungen dazu geführt haben, dass Kapitalzuwächse keinen angemessenen solidarischen Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben beigetragen haben. Dass keine echte Vermögensteuer eingeführt wurde (z.B. zumindest durch Anpassungen bei der Grundsteuer) und auch die Gruppenbesteuerung nicht wesentlich reformiert wird, ist unter dem Gesichtspunkt, dass auch Konzerne und Vermögende einen fairen Beitrag leisten sollen, sehr bedauerlich.

Die getroffenen Maßnahmen bei den Massensteuern sind nicht eindeutig zu bewerten. Wenn man die gesundheitlichen Auswirkungen des Tabakkonsums ernsthaft in den Griff bekommen möchte, dann sind Lenkungsmaßnahmen selbstverständlich zu begrüßen. Jedoch waren die Erfolge bei der Tabaksteuer bisher schon eher bescheiden. Eindeutig zu begrüßen ist jedoch, dass 40 Mio. der Einnahmen dem Kassenstrukturfonds zur Verfügung gestellt werden, da dies eine gesundheitspolitisch sinnvolle Zweckbindung darstellt. Allerdings ist hier der Wermutstropfen zu beklagen, dass den Krankenkassen ursprünglich 100 Mio. im Jahr für diesen Zweck zugesagt wurden. Angesichts der weiterhin schlechten Einnahmesituation wird den Kassen dieses Geld sehr fehlen und eine Sanierung ihrer Finanzen verunmöglichen.

Wenn man die Kosten für die Umwelt in Rechnung stellt, dann ist es auch unumgänglich, bei der Mineralölsteuer und anderen den Individualverkehr betreffenden Abgaben anzusetzen. Dass die Mehreinnahmen jedoch rein budgetäre Ziele verfolgen und keine Zweckbindung dieser Einnahmen erfolgt, ist bedauerlich. Da auch die sozialen Auswirkungen (durch die Erhöhung der Pendlerpauschale) nur unzureichend abgefedert werden, hinterlässt uns mit einem weinenden Auge. Die Erleichterungen für Frächter wiederum können wohl nur als Lobbyingerfolg dieser Branche gewertet werden, da sie ein ökologisch völlig verkehrtes Signal geben. Dass auf Flugreisen eine Abgabe eingehoben wird, mag jene Reisenden, die das gewachsene Angebot an Billigflügen genutzt haben, verärgern, ist in ökologischer Hinsicht aber vollkommen richtig, da der zunehmende Flugverkehr sehr ungünstige Auswirkungen auf die globale Klimaentwicklung mit sich bringt.

Dass vor allem im Familienbereich deutliche Einsparungen erfolgen, ist einerseits überraschend, da die erklärte „Familienpartei“ ÖVP am Verhandlungstisch saß. Andererseits ist dies auch in Hinsicht auf sozialdemokratische Werte nicht besonders wohlüberlegt. Denn die Herabsetzung der Bezugsdauer der Familienbeihilfe trifft vor allem die Kinder aus ärmeren Schichten und wird hier das Erreichen höherer akademischer Grade in dieser Gruppe weiter erschweren. Hier kann auch eine Erhöhung des Unibudgets um 80 Mio. jährlich und die Investition von 80 Mio. in den Ausbau der Gesamtschulen nicht darüber hinwegtrösten, dass der Zugang zu höheren akademischen Weihen finanziell und durch Zugangsbeschränkungen noch stärker limitiert wird.

Die Kürzung bei der 13. Familienbeihilfe ist erstens skurril, da diese erst 2008 eingeführt wurde. Zweitens ist die Beschränkung auf das schulpflichtige Alter zwar im Einzelfall nicht allzu merklich, aber symbolisch ein deutliches Signal gegen eine gute Ausbildung von Kindern aus den unteren Schichten. Auch wenn bei den Familien die Einsparungen in einem Bereich erfolgen, den traditionell die ÖVP für sich gepachtet hat, so ist es für die SPÖ beschämend, dass sie diese Errichtung von Hürden bei der Bildung nicht verhindern konnte. Immerhin ist ein freier Zugang zur Bildung ein bewährtes Anliegen der Sozialdemokratie. Den StudentInnen ist also auch aus Sicht der ArbeitnehmrInnen viel Erfolg für ihren Kampf gegen die geplanten Maßnahmen zu wünschen und die solidarische Unterstützung zu unterbreiten.

Die Kürzungen beim Pflegegeld sind in einer Zeit zunehmenden Pflegebedarfs als eine rein fiskalische Maßnahme zu sehen, deren soziale Auswirkungen durchaus überprüft werden sollten. Es mag schon richtig sein, dass bei den ersten beiden Pflegestufen das Pflegegeld des Öfteren gar nicht für Pflegemaßnahmen verwendet wird. Dennoch dürfen jene, die sehr wohl darauf angewiesen sind, nicht für diesen unerwünschten Mitteleinsatz bestraft werden. Außerdem sollte umfassend erhoben werden, in welchem Ausmaß der Bedarf an Pflege mit weniger als 60 Stunden pro Woche tatsächlich guten Gewissens ohne Pflegegeldzahlung zumutbar ist.

Bei den Pensionen ist zunächst zu sagen, dass die Aufschiebung der ersten Erhöhung eine reine Sparmaßnahme darstellt, die willkürlich je nach Antrittsdatum zu einer mehr oder weniger großen Benachteiligung führt, die keineswegs als sozial anzusehen ist. Bei der vorzeitigen  Alterspension ist zu begrüßen, dass die Planungssicherheit jener gewahrt bleibt, die in den nächsten Jahren diese Form der Alterspension beabsichtigt hatten, da bei der Hacklerregelung bis 2013 keine Änderung erfolgt. Der Wegfall der steuerlichen Begünstigung beim Nachkauf von Schulzeiten macht insofern Sinn, als durch diese Möglichkeit die bisherige Regelung vor allem von Angestellten und Beamten in Anspruch genommen werden konnte. Dennoch kann man nicht erwarten, dass jene Bevölkerungsgruppe glücklich über diese Maßnahme ist. Bevor eine endgültige Bewertung der Neugestaltung, die eine Erhöhung des Antrittsalters beinhalten wird, erfolgen kann, muss abgewartet werden, wie die genaue Regelung ab 2014 aussieht. Die Absicht, bei Invaliditätspension/Berufsunfähigkeitspension ab nun verstärkt auf die Rehabilitation zu setzen, bevor der Übergang in den Ruhestand erfolgt, geht zwar in die richtige Richtung. Aber der Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen, dass finanzielle Erwägungen die Hauptrolle spielen und die Unternehmen nicht wirklich in die Pflicht genommen werden, um den Rehabilitationswilligen altersgerechtes Arbeiten auch zu ermöglichen. Bevor nichts Genaues über die geplante Lockerung des Berufsschutzes bekannt ist, lässt sich dazu wenig sagen. Es seien nur zwei prinzipielle, aber konträre Bemerkungen erlaubt: Erstens ist der Berufsschutz in einer Zeit der veränderten Berufsbiografie antiquiert, da die klassische Erwerbsbiografie einer durchgängigen Berufsausübung eine Seltenheit geworden ist. Aber zweitens macht er dennoch auch heute noch Sinn, um Menschen vor dem ungebremsten Abstieg in Arbeitswelt zu bewahren.

Die weitere Investition in die thermische Sanierung ist als konjunkturbelebende Maßnahme zu begrüßen. Unbefriedigend ist jedoch, dass die Sozialmilliarde nicht umgesetzt wird, da diese einen noch stärker positiven Effekt auf Arbeitsmarkt und Wirtschaftsentwicklung hätte.


Bernhard Felderers Kritik an den Steuerplänen der Regierung

17. April 2010

Der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) und  Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, hat am letzen Donnerstag die Steuerpläne der Regierungsparteien einer Kritik unterzogen. Sein Resümee lautet: Die derzeit diskutierten Steuererhöhungen können dem Budget zwar kurz Luft verschaffen, sanieren lässt sich der Staatshaushalt damit aber nicht. Seine Voraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung des Budgets: diese müsse in der Realität zumindest zu zwei Dritteln auf der Ausgabenseite, also durch Einsparungen, erfolgen. Die bisher diskutierten Steuervorschläge würden nach Berechnungen des IHS entweder viel zu wenig bringen oder das Wachstum zu stark bremsen.

Wie ist diese Einschätzung zu beurteilen? Dass die Sanierung zumindest zu zwei Dritteln auf der Ausgabenseite zu erfolgen habe, ist finanzpolitischer Fundamentalismus und wissenschaftlich nicht untermauert. Außerdem haben sich die Regierungsparteien darauf festgelegt, dass sie zu 60 Prozent bei den Ausgaben einsparen. Damit sind sie vom Wert Felderers nicht weit entfernt.

Die Steuerpläne der ÖVP:

Bei dem Vorwurf, die Steuerpläne der Regierungsparteien würden das Wachstum bremsen, ist zu differenzieren. Bei den Plänen von Finanzminister Josef Pröll und der ÖVP – einer „ökologischen Steuerreform“ -, die de facto auf eine Erhöhung der Treibstoff- und Heizkosten hinausläuft, ist ihm beizupflichten. Die höhere Abgaben auf Treibstoffe und Heizöl würde zu rund einem Drittel Private treffen (wo sie den Konsum abbremst) und zu zwei Dritteln die Wirtschaft, wo sie das Wachstum verlangsamt. Über diese Effekte würde das Steueraufkommen in anderen Bereichen gedrückt. Hinsichtlich des Effektes hat also Felderer sicher recht, wenn auch die genaue Höhe dieser Auswirkung nur schwer einzuschätzen ist, sodass seinen konkreten Zahlen nicht unbedingt zu trauen ist (bis zum zehnten Jahr würde die Steuer über diesen Effekt netto nur noch die Hälfte bringen; aber bis dahin würde die Steuer das Wirtschaftswachstum um 0,3Prozentpunkte dämpfen).

Die Steuerpläne der SPÖ:

Ganz anders sieht es bei den Steuerplänen der SPÖ aus, die Werner Faymann präsentiert hat. Felderer stellt den Nutzen von Bankenabgabe, Änderung bei der Stiftungsbesteuerung und Vermögenssteuern in Frage.

Zur Bankenabgabe:

Hier glaubt der IHS-Chef nicht an großartige Einnahmen. Bei der Bankensteuer hat sich die Regierung zwar bereits auf ein Aufkommen von 500 Mio. Euro im Jahr festgelegt. Nicht bedacht habe man dabei aber, dass die Banken „noch nicht dort sind, wo sie sein sollten“. Anders gesagt: Sie werden „noch sehr viel Kapital benötigen“ und haben deshalb nur eingeschränkte Melkkuh-Eignung. Es stimmt zwar, dass die österreichischen Banken große Probleme mit ihren Aktivitäten in Ost- und Südosteuropa haben. Nichtsdestotrotz schreiben die meisten von ihnen schon wieder gute Gewinne, die sie sehr wohl in die Lage versetzen, sich eine Bankenabgabe zu leisten und so Steuermehreinnahmen von 500 Millionen Euro im Jahr zu finanzieren.

Zur Stiftungsbesteuerung:

Die vom damaligen SP-Finanzminister Ferdinand Lacina in den Neunzigerjahren eingeführte Privatstiftung solle der Kapitalflucht entgegenzuwirken. Felderer hält es deshalb für nicht besonders schlau (und für den Staatssäckel auch nicht besonders ertragreich), diesen Prozess ohne Aussicht auf allzu große Staatseinnahmen umzukehren. Außerdem sieht er sogar die Gefahr eines Verfassungsbruchs: Die angedachte Erhöhung der Stiftungssteuern laufe dem Versprechen des Staates an rund 3300 Stiftungen zuwider. Zudem sei die niedrige Steuer nur eine Stundung: Bei Entnahme würden nochmals 12,5 Prozent Steuern fällig, mit den bei Stiftungsgründung bezahlten 12,5 Prozent entspreche das der Kapitalertragssteuer.

Zu diesem wahren Gruselkabinett an abstrusen Behauptungen rund um die Stiftungsbesteuerung ist einiges zu bemerken: 1. Die Angst vor der Kapitalflucht ist in diesem Zusammenhang stark übertrieben. Klarerweise ist Kapital sehr beweglich und kann blitzschnell außer Landes transferiert werden. Wahr ist aber auch, dass Kapitaleigner nicht nur auf die Höhe der Besteuerung schauen, sondern auch Wert auf die Sicherheit und die Lebensqualität eines Landes achtet. Und in dieser Hinsicht hat ihnen Österreich sehr viel zu bieten. 2. Was nützt es den anderen Menschen in einem Land, wenn Kapital im Lande verbleibt, es jedoch nicht angemessen besteuert wird, damit alle über Sozialtransfers davon profitieren können. 3. Die Verfassungskonformität einer Änderung bei der Stiftungsbesteuerung müssen die Verfassungsjuristen beurteilen. Eine Verfassungswidrigkeit ist aber sehr unwahrscheinlich. Denn sonst wären auch alle anderen Änderung bei den Steuern oder Pensionen nach dem gleichen Grundsatz nicht verfassungskonform. 4. Bei Felderers Vergleich zwischen Stiftungsbesteuerung und Kapitalertragssteuer auf Spareinlagen wird ein wichtiger Unterschied verschwiegen: Bei der KESt auf normale Spareinlagen sind 25% von den jährlichen Zinseinnahmen fällig. Bei den Privatstiftungen sind nur 12,5% von den Gewinnzuwächsen zu entrichten. Und bei der Ausschüttung der Gewinne an Begünstige sind einmalig (sic!) 25% zu entrichten.

Zur Vermögenssteuer:

Die Argumentation, höhere Vermögenssteuern seien ein Akt der Verteilungsgerechtigkeit und würden für eine gerechtere Verteilung des Volkseinkommens sorgen, hält Felderer für schlicht falsch: Aus dem europäischen Vergleich der vermögensbezogenen Steuern und des sogenannten Gini-Koeffizienten (der die Gleichmäßigkeit der Verteilung misst) lasse sich das jedenfalls nicht ablesen. Die Belastung mit vermögensbezogenen Steuern sei in den Niederlanden beispielsweise fast viermal so hoch wie in Österreich. Die Einkommensverteilung ist in den beiden Ländern aber annähernd gleich. Frankreich hat eine extrem hohe Belastung mit vermögensbezogenen Steuern – aber eine Einkommensverteilung, die sich nur unwesentlich von der österreichischen unterscheidet. Fazit des IHS-Chefs daher: Verteilungsgerechtigkeit erreicht man nicht mit Vermögenssteuern, sondern mit Transfers. Und das funktioniere in Österreich ohnehin gut. Felderer: „Die österreichische Umverteilung ist relativ wirksam, weil sie von ganz oben nach ganz unten verteilt.“

Einzig Grundsteuern hält Felderer deshalb für steuertechnisch sinnvoll. Sie ist die einzige Vermögenssteuer, die Sinn ergäbe, weil sich Immobilien eben nicht ins Ausland verlagern lassen. Aber: Entweder man setzt sie sehr hoch an und trifft damit „Häuslbauer“, Wohnungsbesitzer und Mieter sehr hart. Dann ist sie politisch nicht durchzusetzen. Oder man macht großzügige Ausnahmen für die Kleinen, dann bringt sie nicht viel.

Zu Felderers Analysen ist zu bemerken: 1. Dass der GINI-Koeffizient keinen Hinweis auf eine bessere Verteilungsgerechtigkeit durch höhere vermögensbezogene Steuern liefert, ist kein eindeutiges Indiz, da in der Volkswirtschaft ja bekannt ist, dass dieser Wert keine absolute Wertung der Konzentration der Verteilung liefert, wenn sich die Einkommensverteilung innerhalb der Segmente unterschiedlich entwickelt. 2. Dass Umverteilung durch Transfers erreicht werden kann, dem ist beizupflichten. Aber es ist zu ergänzen, dass der Staat  dazu Einnahmen braucht, die er auf diese Weise gerecht umverteilen kann. Vermögensbezoge Steuern und Vermögenssteuer sind eine höchst geeignete Quelle, um diese Transfers pekuniär zu füttern. 3. Dass der Mittelstand von Vermögenssteuern in Mitleidenschaft gezogen werden muss (auch in Form von Grundsteuern), damit sich diese rechnen, ist eine beliebte Mär der Kritiker von Vermögensteuern – und falsch. Das Vermögenssteuermodell der GPA-djp zeigt, dass auch mit Freibeträgen von 1 Million Euro – was den Mittelstand in jedem Falle vor Belastungen schützen würde – Mehreinnahmen von 3 Milliarden Euro im Jahre möglich sind.