Nach langer Pause melde ich mich mit meinem Blog wieder zurück. Der heutige Artikel soll der Auftakt zu einer Serie sein, die sich mit der Frage beschäftigt: Wie wird eine Gesellschaft in Zukunft aussehen, die die Transformation der Automatisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt durchgemacht hat?
Im ersten Teil werde ich mich mit den Grundideen befassen, die der englische Journalist Paul Mason in seinem Buch „Postkapitalismus. Grundrisse einer kommenden Ökonomie“ entwickelt hat (deutsche Ausgabe bei Suhrkamp, 2016). Die Grundthese seines Buches ist: „Der Kapitalismus ist ein komplexes, anpassungsfähiges System, das jedoch an die Grenzen seiner Anpassungsfähigkeit gestoßen ist.“ (S.14) Daher stehe der Übergang in den Postkapitalismus an. Möglich werde eine postkapitalistische Gesellschaft durch die technologische Revolution der letzten Jahrzehnte, insbesondere durch die Entwicklung der Informationstechnologie. Wie kommt er zu dieser Ansicht? Seine Begründung ist ähnlich wie die von Jeremy Rifkin in dem Buch „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“. Mit den Worten Masons: „Die Informationstechnologie ist möglicherweise nicht mit einer Marktwirtschaft vereinbar, zumindest nicht mit einer Wirtschaft, die in erster Linie von den Marktkräften reguliert wird.“ (S.55) Rifkin wird übrigens von Mason erwähnt, aber als Autor für die Flughafenbuchhandlung angetan, obwohl sein Einfluss auf die Grundideen von Mason deutlich erkennbar ist.
Kondratjew
Bevor Mason am Ende seines Buches zu zeigen versucht, wie dieser Übergang durch die Möglichkeiten der neuen Technologie angegangen werden kann, zieht sein Buch einen großen Bogen durch die Geschichte der letzten 500 Jahre. Den Anfang macht die heute weitgehend ignorierte Theorie eines russischen Ökonomen zu den langen Wellen der Konjunktur: Nikolai Kondratjew. Mason fasst Kondratjews Grundidee wie folgt zusammen: „Kondratjews Theorie besagt, dass sich jeder lange Zyklus aus einem Aufschwung von etwa 25 Jahren, der durch die Entwicklung neuer Technologien und einem hohen Kapitaleinsatz ermöglicht wird, und einem etwa gleich langen Abschwung zusammensetzt, der mit einer tiefen Rezession endet.“ (S.64) Im Wesentlichen übernimmt Mason von Kondratjew das Konzept der langen Wellen der Konjunktur. Und er teilt jene Ansicht Kondratjew, die diesem im Stalinismus das Leben gekostet hat: „Der Kapitalismus … würde an keiner Krise zugrunde gehen, sondern mit Mutationen darauf reagieren und sich immer von Neuem anpassen“ (S.63). Der entscheidende Unterschied zu Kondratjew ist, dass Mason zu dem Ergebnis kommt, das nach einigen Zyklen des Auf und Ab der Kapitalismus doch an seine Grenzen stoßen werde.
Marx
Und an dieser Stelle kommt Marx ins Spiel. Masons Verhältnis zur Marxschen Theorie ist ambivalent. Er schreibt: „Der Marxismus ist sowohl eine Geschichtstheorie als auch eine Krisentheorie. Er ist eine wunderbare Geschichtstheorie … Als Theorie der Krise ist der Marxismus allerdings mangelhaft.“ (S.83) An der Geschichtstheorie des Marxismus schätzt Mason, wie dieser die Dynamik des Kapitalismus erklärt. „Richtig verstanden, erklärt die von Marx entwickelte Krisentheorie besser als Kondratjews Zyklentheorie, was hinter den großen Mutationen des Kapitalismus steckt – und warum er schließlich möglicherweise die Fähigkeit verliert, sich durch Veränderung anzupassen.“ (S.85)
An der Krisentheorie der Marxisten bemängelt Mason, dass der Marxismus zu schnell den Zusammenbruch des Kapitalismus erwartet. Marx, so Mason, „unterschätzte die Anpassungsfähigkeit des Kapitalismus“. (S.84) Marx und seine SchülerInnen gingen vorschnell davon aus, dass das Grundgesetz des Kapitalismus von der „Tendenz sinkender Profitraten“ bald zum Zusammenbruch des Kapitalismus durch eine der üblichen Krisen führe. „Ende des 19. Jahrhunderts kündigten die Marxisten den Untergang des Kapitalismus an, doch ihre Prognose erwies sich als falsch.“ (S.89f.) Die Abfolge der Kondratjew-Zyklen seit 1780 habe bewiesen, so Mason, dass der Kapitalismus neue Technologien, neue Geschäftsmodelle oder neue Absatzmärkte Krisen bewältigen können.
Neoliberalismus
Erst mit dem Neoliberalismus gerät für Mason der Kapitalismus in eine Situation, wo er in der Krisenbewältigung versagt. Davon, und warum es nicht die Arbeiterklasse ist, die bei Mason dem Kapitalismus den Garaus machen wird, möchte ich das nächste Mal sprechen. An dieser Stelle will darauf mit den Worten Masons neugierig machen: „Die alte Linke wollte die Zerstörung der Marktmechanismen erzwingen. Den entsprechenden Druck sollte die Arbeiterklasse an der Wahlurne oder auf den Barrikaden ausüben. […] Wie sich herausstellt, wird der Kapitalismus nicht durch einen Sturmangriff überwunden werden. Stattdessen wird er durch etwas Dynamischeres ersetzt werden, durch etwas, das sich fast unbemerkt im alten System entwickelt …“ (S.15)