Kritische Analyse des Budgets für 2011

25. Oktober 2010

Die Regierungsmitglieder von SPÖ und ÖVP haben sich Samstag Nachmittag hinsichtlich der Einnahmen- und Ausgabenmaßnahmen beim Budget geeinigt. Im Steuerbereich kommt wie schon länger geplant die Bankenabgabe. Diese soll ca. 500 Mio. Euro Mehreinnahmen bringen. Allerdings fallen durch die Abschaffung der Kreditvertragsgebühr 150 Mio. an Einnahmen weg. Der Wegfall der Spekulationsfrist bei Aktien wird zunächst 30 Mio. bringen und soll jährlich steigen und ab 2014 schließlich 250 Mio. jährlich an Mehreinnahmen bescheren. Durch den Wegfall der Begünstigung der Zwischenbesteuerung in Stiftungen sollen 2011 50 Mio. mehr in die öffentlichen Haushalte fließen. Auch hier wird erwartet, dass die Einnahmen jährlich steigen. Durch ein Betrugsbekämpfungspaket werden 100 Mio. an zusätzlichen Steuerleistungen erwartet.

Durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer (plus 5 Cent bei Diesel, plus 4 Cent bei Benzin) soll 2011 417 Mio. mehr in die Staatskasse überführen. Allerdings steht dieser Maßnahme eine Erhöhung der Pendlerpauschale um 5% und Erleichterungen für LKW gegenüber, die  etwa 50 Mio. kosten werden.  Bei der Normverbrauchsabgabe, durch Flugticketzuschläge sollen weitere 85 Mio. aufgebracht werden. Durch eine Erhöhung der Tabaksteuer ist eine Mehreinnahme von 100 Mio. für den Staatssäckel zu erwarten.

Ausgabenseitig kommen vor allem für Familien einige Kürzungen zum Tragen. Durch die Auszahlung der Familienbeihilfe nur noch bis zum vollendeten 24. Lebensjahr und die Kürzung der 13. Familienbeihilfe auf pauschal 100 Euro und die Begrenzung auf Kinder zwischen 6 und 15 Jahren sind Einsparungen von 238 Mio. geplant. Die Streichung des Mehrkindzuschlags und der Wegfall des Alleinverdienerabsetzbetrags für kinderlose Familien sollen weitere 125 Mio. an Ersparnis bringen. Beim Pflegegeld gibt es eine Verschlechterung in den ersten beiden Stufen, da die Voraussetzungen um jeweils 10 Stunden Pflegebedarf erhöht werden. Bei der höchsten Pflegestufe gibt es eine kleine Erhöhung, sodass insgesamt eine Einsparung von 17 Mio. herauskommen soll.

Bei den Neupensionen wird es in Zukunft keine Erhöhung innerhalb des ersten Jahres geben. Bei der vorzeitigen Alterspension aufgrund langer Versicherungsdauer (= Hacklerregelung) wird die steuerliche Absetzbarkeit beim Nachkauf von Schulzeiten wegfallen, sodass die Kosten dafür um etwa 12 Mio. sinken. Bis 2013 bleibt diese Regelung unverändert bestehen und wird danach durch eine Regelung ersetzt, die weniger Kosten verursach soll. Das Antrittsalter wird ab 2014 sowohl bei Frauen wie auch bei den Männern um 2 Jahre erhöht.  Bei der vorzeitigen Pension aufgrund von Erkrankung soll durch verstärkte Rehabilitation zunächst ein Mehraufwand von ca. 7 Mio. gegeben sein, längerfristig sollen die Kosten jedoch deutlich sinken. Durch die positive Entwicklung der Arbeitslosigkeit sei bei der Arbeitsmarktförderung 2011 eine Ersparnis von 44 Mio. zu erwarten.

Im Bildungsbereich werden sowohl den Universitäten wie auch für den Ausbau der Gesamtschulen jeweils 80 Mio. mehr im Jahr zur Verfügung gestellt. Jedoch werden den Universitäten die Einführung von Studieneingangsphasen in überlaufenen Studienfächern zugestanden.

Zur weiteren Ankurbelung der positiven Konjukturentwicklung wird die thermische Sanierung mit 100 Mio. Euro gefördert.

Wie ist dieses Gesamtpaket im Hinblick auf eine gerechte und solidarische Gestaltung der Budgetkonsolidierung zu beurteilen? Dass die Bankenabgabe eingeführt wird, ist sehr zu begrüßen, da die Banken vom Staat durch das Bankenpaket gerettet wurden und somit mit Recht zum Abbau der dadurch entstandenen Schulden herangezogen werden. Entgegen anders lautenden Behauptungen werden die Banken diese Belastungen nicht unmittel an ihre Kunden weitergeben werden können, da sie die laufenden Verträge einhalten müssen und ein gesunder Wettbewerb dafür sorgen sollte, dass jene Banken, die ihren Neukunden keine höheren Gebühren verrechnen, im Vorteil sein sollten. Trotzdem ist nicht völlig auszuschließen, dass die Bankenabgabe im Laufe der Jahre indirekt zu einer Massensteuer wird. Der Wegfall der steuerlichen Begünstigung von Privatstiftungen und die Streichung der Spekulationsfrist bei Wertpapieren ist eine längst fällige Maßnahme, da diese Regelungen dazu geführt haben, dass Kapitalzuwächse keinen angemessenen solidarischen Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben beigetragen haben. Dass keine echte Vermögensteuer eingeführt wurde (z.B. zumindest durch Anpassungen bei der Grundsteuer) und auch die Gruppenbesteuerung nicht wesentlich reformiert wird, ist unter dem Gesichtspunkt, dass auch Konzerne und Vermögende einen fairen Beitrag leisten sollen, sehr bedauerlich.

Die getroffenen Maßnahmen bei den Massensteuern sind nicht eindeutig zu bewerten. Wenn man die gesundheitlichen Auswirkungen des Tabakkonsums ernsthaft in den Griff bekommen möchte, dann sind Lenkungsmaßnahmen selbstverständlich zu begrüßen. Jedoch waren die Erfolge bei der Tabaksteuer bisher schon eher bescheiden. Eindeutig zu begrüßen ist jedoch, dass 40 Mio. der Einnahmen dem Kassenstrukturfonds zur Verfügung gestellt werden, da dies eine gesundheitspolitisch sinnvolle Zweckbindung darstellt. Allerdings ist hier der Wermutstropfen zu beklagen, dass den Krankenkassen ursprünglich 100 Mio. im Jahr für diesen Zweck zugesagt wurden. Angesichts der weiterhin schlechten Einnahmesituation wird den Kassen dieses Geld sehr fehlen und eine Sanierung ihrer Finanzen verunmöglichen.

Wenn man die Kosten für die Umwelt in Rechnung stellt, dann ist es auch unumgänglich, bei der Mineralölsteuer und anderen den Individualverkehr betreffenden Abgaben anzusetzen. Dass die Mehreinnahmen jedoch rein budgetäre Ziele verfolgen und keine Zweckbindung dieser Einnahmen erfolgt, ist bedauerlich. Da auch die sozialen Auswirkungen (durch die Erhöhung der Pendlerpauschale) nur unzureichend abgefedert werden, hinterlässt uns mit einem weinenden Auge. Die Erleichterungen für Frächter wiederum können wohl nur als Lobbyingerfolg dieser Branche gewertet werden, da sie ein ökologisch völlig verkehrtes Signal geben. Dass auf Flugreisen eine Abgabe eingehoben wird, mag jene Reisenden, die das gewachsene Angebot an Billigflügen genutzt haben, verärgern, ist in ökologischer Hinsicht aber vollkommen richtig, da der zunehmende Flugverkehr sehr ungünstige Auswirkungen auf die globale Klimaentwicklung mit sich bringt.

Dass vor allem im Familienbereich deutliche Einsparungen erfolgen, ist einerseits überraschend, da die erklärte „Familienpartei“ ÖVP am Verhandlungstisch saß. Andererseits ist dies auch in Hinsicht auf sozialdemokratische Werte nicht besonders wohlüberlegt. Denn die Herabsetzung der Bezugsdauer der Familienbeihilfe trifft vor allem die Kinder aus ärmeren Schichten und wird hier das Erreichen höherer akademischer Grade in dieser Gruppe weiter erschweren. Hier kann auch eine Erhöhung des Unibudgets um 80 Mio. jährlich und die Investition von 80 Mio. in den Ausbau der Gesamtschulen nicht darüber hinwegtrösten, dass der Zugang zu höheren akademischen Weihen finanziell und durch Zugangsbeschränkungen noch stärker limitiert wird.

Die Kürzung bei der 13. Familienbeihilfe ist erstens skurril, da diese erst 2008 eingeführt wurde. Zweitens ist die Beschränkung auf das schulpflichtige Alter zwar im Einzelfall nicht allzu merklich, aber symbolisch ein deutliches Signal gegen eine gute Ausbildung von Kindern aus den unteren Schichten. Auch wenn bei den Familien die Einsparungen in einem Bereich erfolgen, den traditionell die ÖVP für sich gepachtet hat, so ist es für die SPÖ beschämend, dass sie diese Errichtung von Hürden bei der Bildung nicht verhindern konnte. Immerhin ist ein freier Zugang zur Bildung ein bewährtes Anliegen der Sozialdemokratie. Den StudentInnen ist also auch aus Sicht der ArbeitnehmrInnen viel Erfolg für ihren Kampf gegen die geplanten Maßnahmen zu wünschen und die solidarische Unterstützung zu unterbreiten.

Die Kürzungen beim Pflegegeld sind in einer Zeit zunehmenden Pflegebedarfs als eine rein fiskalische Maßnahme zu sehen, deren soziale Auswirkungen durchaus überprüft werden sollten. Es mag schon richtig sein, dass bei den ersten beiden Pflegestufen das Pflegegeld des Öfteren gar nicht für Pflegemaßnahmen verwendet wird. Dennoch dürfen jene, die sehr wohl darauf angewiesen sind, nicht für diesen unerwünschten Mitteleinsatz bestraft werden. Außerdem sollte umfassend erhoben werden, in welchem Ausmaß der Bedarf an Pflege mit weniger als 60 Stunden pro Woche tatsächlich guten Gewissens ohne Pflegegeldzahlung zumutbar ist.

Bei den Pensionen ist zunächst zu sagen, dass die Aufschiebung der ersten Erhöhung eine reine Sparmaßnahme darstellt, die willkürlich je nach Antrittsdatum zu einer mehr oder weniger großen Benachteiligung führt, die keineswegs als sozial anzusehen ist. Bei der vorzeitigen  Alterspension ist zu begrüßen, dass die Planungssicherheit jener gewahrt bleibt, die in den nächsten Jahren diese Form der Alterspension beabsichtigt hatten, da bei der Hacklerregelung bis 2013 keine Änderung erfolgt. Der Wegfall der steuerlichen Begünstigung beim Nachkauf von Schulzeiten macht insofern Sinn, als durch diese Möglichkeit die bisherige Regelung vor allem von Angestellten und Beamten in Anspruch genommen werden konnte. Dennoch kann man nicht erwarten, dass jene Bevölkerungsgruppe glücklich über diese Maßnahme ist. Bevor eine endgültige Bewertung der Neugestaltung, die eine Erhöhung des Antrittsalters beinhalten wird, erfolgen kann, muss abgewartet werden, wie die genaue Regelung ab 2014 aussieht. Die Absicht, bei Invaliditätspension/Berufsunfähigkeitspension ab nun verstärkt auf die Rehabilitation zu setzen, bevor der Übergang in den Ruhestand erfolgt, geht zwar in die richtige Richtung. Aber der Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen, dass finanzielle Erwägungen die Hauptrolle spielen und die Unternehmen nicht wirklich in die Pflicht genommen werden, um den Rehabilitationswilligen altersgerechtes Arbeiten auch zu ermöglichen. Bevor nichts Genaues über die geplante Lockerung des Berufsschutzes bekannt ist, lässt sich dazu wenig sagen. Es seien nur zwei prinzipielle, aber konträre Bemerkungen erlaubt: Erstens ist der Berufsschutz in einer Zeit der veränderten Berufsbiografie antiquiert, da die klassische Erwerbsbiografie einer durchgängigen Berufsausübung eine Seltenheit geworden ist. Aber zweitens macht er dennoch auch heute noch Sinn, um Menschen vor dem ungebremsten Abstieg in Arbeitswelt zu bewahren.

Die weitere Investition in die thermische Sanierung ist als konjunkturbelebende Maßnahme zu begrüßen. Unbefriedigend ist jedoch, dass die Sozialmilliarde nicht umgesetzt wird, da diese einen noch stärker positiven Effekt auf Arbeitsmarkt und Wirtschaftsentwicklung hätte.


Entgegnung auf die neoliberalen Ergüsse der Industriellenvereinigung

8. Oktober 2010

Am 5. Oktober 2010 hat die Industriellenvereinigung eine Pressekonferenz abgehalten, wo Markus Beyrer und Veit Sorger neben ihrer Position in den Lohnverhandlungen mit der Gewerkschaft auch  ihre Vorstellungen zu Pensionsreform, Budgetkonsolidierung und neue Steuern präsentierten. Im folgenden möchte ich auf die einzelnen Themen eingehen und notwendige Richtigstellungen vornehmen bzw. ergänzende Überlegungen anstellen.

Zu den Lohnverhandlungen:

Mitten im Auftakt zu den Lohnverhandlungen in der Metallindustrie malt Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), die Zukunft der heimischen Betriebe in düsteren Farben: Zwar habe sich die Auslastung gebessert, für den erhofften Investitionsschub reiche das aber lange nicht. Zudem fange der heurige Produktionszuwachs gerade die Hälfte dessen ab, was im Krisenjahr weggebrochen sei. Der US-Dollar werde zum Leidwesen der Exporteure schwächer, und ein Aufschwung, der diesen Namen auch ohne staatliche Geldspritzen verdienen würde, sei nicht in Sicht.

Außerdem liegt dem IV-Präsidenten noch der „viel zu hohe“ Lohnabschluss aus dem vorigen Herbst im Magen. Damals hatten die Gewerkschaften – trotz rückläufiger Produktivität und niedriger Inflationsrate – eine Anhebung der Kollektivvertragslöhne um 1,5 Prozent durchgesetzt. Die Industrie habe sich damals bereit erklärt, 0,6 Prozentpunkte an zusätzlichem Lohnplus als „Vorleistung“ zu akzeptieren, wenn im Gegenzug die Arbeitszeit flexibilisiert würde. Im April brachen die Arbeitgeber die Verhandlungen darüber „wegen Sinnlosigkeit“ ab. Heuer müsse diese Vorleistung abgegolten werden, forderte IV-Generalsekretär Markus Beyrer. Entweder werde die Frist, innerhalb der Überstunden durch Zeitausgleich abgegolten werden können, endlich erhöht, oder man müsse die 0,6 Prozentpunkte aus dem Vorjahr eben „vom heurigen Ergebnis abziehen“.

Wie die beiden Chefverhandler der Gewerkschaft Rainer Wimmer, Bundesvorsitzender der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, und Karl Proyer, stv. Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft GPA-djp betonen, hat das Krisenjahr 2009 „[w]eit mehr als 20.000 Arbeitsplätze … allein in der Metallindustrie gekostet. Trotzdem wurden im Krisenjahr 2009 alleine in den 150 wichtigsten Metallindustrie-Unternehmen Gewinnausschüttungen von rund 2,2 Milliarden Euro an die Eigentümer oder Muttergesellschaften getätigt.“ Das Gejammere der Industrie ist somit ganz und gar nicht angebracht. Wenn man sich außerdem die Zahlen der letzten zehn Jahre anschaut, dann ist deutlich zu erkennen, dass die Produktivität und die Gewinne stets deutlich stärker gestiegen sind als die Löhne. So sind etwa in Österreich über alle Bereiche zwischen 2000 und 2008 die Gewinne um 60%, die Löhne jedoch nur um 30% gestiegen! Und dass die Produktion im Jahre 2009 aufgrund der Weltwirtschaftskrise stark eingebrochen ist (-10%), soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Produktivität je geleisteter Arbeitsstunde und je unselbstständig Beschäftigten deutlich weniger stark gesunken ist(-4,8% bzw. -7% laut Statistik Austria) und in den Jahren davor deutliche Zuwächse hatte (siehe auch nachfolgende Grafik).

Metallindustrie_Wachstum_2000_09

Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass durch steigende Arbeitslosigkeit und den massiven Einsatz von Kurzarbeit die Auswirkungen der Krise im Jahr 2009 auf die Industrie gebremst und solidarisch auf die Allgemeinheit übertragen werden konnten. Damit haben die ArbeitnehmerInnen in Österreich einen wichtigen Beitrag für den Industriesektor geleistet, für den sie nicht 2011 mit Lohneinbußen bestraft werden dürfen.

Deshalb betonen Rainer Wimmer und Karl Proyer, dass die Gewerkschaft bei keiner der anstehenden Lohn- und Gehaltsrunden die Gewerkschaften irgendwelche Versprechen einzulösen hätte. „Die Industrie soll endlich ihr Krisengejammere aufgeben und die gute Wirtschaftsentwicklung durch positive Signale an die Beschäftigten, die durch ihr Engagement einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, weiter stärken. Wir lassen uns nicht von den Herren Sorger und Beyrer vorschreiben, was wir im Auftrag der Beschäftigten und ihrer BetriebsrätInnen fordern. Es bleibt bei unserer Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten“.

Zum Reformbedarf in der Pensionsversicherung:

Martin Beyrer beklagte auf der Pressekonferenz zunächst, Österreich sei ,Frühpensionsweltmeister‘, von den Neuzugängen in den Ruhestand würden nur noch 21 Prozent auf die normale Alterspensionen entfallen, der Rest der Neuzugänge falle unter ,Hacklerregelung‘ oder Invaliditätspension. Dann rechnete er vor: Ein 60-Jähriger, der heute in eine ,Hacklerpension‘ gehe, habe im Schnitt nur für 9,5 Pensionsjahre eingezahlt, habe aufgrund seiner hohen Lebenserwartung aber fast 23 Bezugsjahre zu erwarten. Deshalb müsse diese Pensionsform nach einer ,Ausschleifregelung‘ bis 2013 abgeschafft werden. Dadurch könnten rund 500 Mio. Euro gespart werden.

Nach einem grundsätzlichen Bekenntnis zur Invaliditätspensio, mit dem Vorbehalt ,Rehabilitation vor Rente‘, gab Beyrer zu Bedenken, dass eine verstärkte Rehabilitation nicht ausreichen werde, um die hohe Anzahl der krankheitsbedingten Frühpensionen zu reduzieren. Daher müsse dringend der Berufsschutz gelockert werden, damit der Zugang zur Invaliditätspension endlich erschwert wird.

Die Klage, Österreich sei ein Paradis für Frühpensionisten begleitet die neoliberalen Angriffe auf das österreichische Pensionssystem wie das Amen im Gebet. Da mir nun die Zahlen des Bundesministerium für Soziales, Arbeit und Konsumentschutz zur Verfügung stehen, möchte ich der IV mit aller Deutlichkeit ihre falschen Zahlen bewusst machen. Wenn man Inland und Ausland zusammennimmt, dann macht die normale Alterspension kanpp unter 28% der Neuzugänge aus. Wenn man nur das Inland heranzieht, dann ergeben sich knapp 23%. Wie die IV also auf einen Wert von 21% kommt, bleibt vollkommen räselhaft. Dass ein Mann, der mit 60 Jahren in die vorzeitige Alterspension aufgrung langer Versicherungsdauer übertritt, im Schnitt für 9,5 Jahre Beiträge eingezahlt habe, ist erstens nicht nachvollziehbar, wie die IV auf diese Werte kommt. Zweitens ist es irrelevant, da es für das Funktionieren des Umlageverfahrens keine Rolle spielt. Dieses funktioniert ja nicht auf die Weise, dass die Versicherten auf die eigene Pension ansparen. Vielmehr werden alle gegenwärtigen Pensionsleistungen aus den Einnahmen aus den Pensionsversicherungsbeiträgen finanziert.  Weiters erscheint es aufgrund der durchschnittlichen Lebenserwartung von Mänern eher unwahrscheinlich, dass ein 60jähriger im Durchschnitt 23 Jahre lang seine Alterspension beziehe wird. Hier scheint die IV auf den Fall eines 60jährigen die Lebenserwartung von Frauen anzuwenden.

Zur gewünschten Abschaffung der vorzeitigen Alterspension aufgrund langer Versicherungsdauer ist zu bemerken, dass die sogenannte Hacklerregelung zwar reformbedürftig ist, eine völlige Abschaffung mit 2013 aber 1. verfassungsrechtlich mehr als bedenklich wäre, 2. das allgemein anerkannte Prinzip „45 Jahre sind genug“ in Frage stellt. Statt sich Gedanken zu machen, wie durch größere Hürden auf dem Weg in die Pension ein paar hundert Mio. Euro eingespart werden können, sollte sich die IV einmal überlegen, wie die Bemessungsgrundlage der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer vergrößert werden kann, damit unser System der Kranken- und Pensionsversicherung langfristig gesichert ist. Hier käme z.B. die oftmals geschmähte Wertschöpfungsabgabe in Frage, wodurch die Industrie endlich weniger Anreize für Personalabbau hätte und durch Einbeziehung der Kapitalfaktoren wieder einen angemessenen Beitrag zu einer solidarischen Gesellschaft leisten würde.

Was die Invaliditäts- und Erwerbsunfähigkeitspension betrifft, so ist den unsozialen Überlegungen der IV der Spiegel vorzuhalten. Statt sich Gedanken darüber zu machen, wie die Arbeitsplätze in der Industrie so verbessert werden könnten, dass die ArbeitnehmerInnen länger gesund bleiben und auch im Alter einen Arbeitsplatz haben, der ihnen den Verbleib ermöglicht, möchte die IV alte und kranke Menschen einfach auf unqualifizierte und schlecht bezahlte Arbeitsplätze abschieben.

Zu Budgetkonsolidierung und neuen Steuern:

Die Spitzenvertreter der Industriellenvereinigung  beharren für die geplante Sanierung des Staatsbudgets auf möglichst hohen Einsparungen bei den Ausgaben, ehe neue Einnahmen-Belastungen angedacht werden dürften. Zwar werde die Sanierung des Budgets nicht ganz ohne zusätzliche Einnahmen auskommen, aber ein absolutes „no go“ sei eine Vermögenssubstanz-Besteuerung oder ein Antasten der günstigen Gruppenbesteuerung, bemerkte Veit Sorger. Vorstellen könne er sich, eine längere Spekulationsfrist für Aktien, aber zum niedrigen 25-Prozent-KESt-Satz. Er selbst etwa versteuere Aktienverkäufe mit Gewinn unter einem Jahr Behaltefrist.

Und generell zum Thema höhere oder neue Steuern führt Sorger ins Treffen, ständig den Leistungsträgern und Leistungswilligen mit höheren Steuer-Belastungen zu drohen, sei nicht zielführend. Die Bestrafung der Leistungsträger führe nicht zu höheren Einnahmen, „sondern es werden dann Schlupflöcher gesucht“. „Da wird es eher zu Abflüssen als zu Zuflüssen kommen.“

Dass die IV in erster Linie sparen möchte, ging schon aus den Überlegungen zu den Pensionen hervor. Die Regierung hat sich ohnehin festgelegt, dass im Verhältnis 60:40 die ausgabenseitigen Maßnahmen überwiegen sollen. Was wir bei den Überlegungen der IV uns merken sollten , das ist, dass sie vor allem bei den anderen sparen möchte – am liebsten z.B. bei jenen Menschen, denen das Schicksal nicht gut gesonnen war, weil sie aufgrund einer Krankheit den Beruf nicht mehr ausüben können. Aber bei den Eigentümern, den Industriekapitänen und Managern darf nicht gespart werden. Eine Vermögenssteuer etwa ist tabu, obwohl die obersten 1% in Österreich sich eine solche Steuer bei einem Steuersatz von ungefähr 1% locker leisten können. Denn der jährliche Zuwachs an Vermögenbei dieser Gruppe ist im Durchschnitt ein Vielfaches davon.

Wenn die IV weiters die günstige Gruppenbesteuerung für untastbar erklärt, dann sollten wir nicht übersehen, dass sie hiermit ihre Zustimmung dazu gibt, dass heimische Unternehmen unter Umständen gigantische Gewinne machen, aber in Österreich keinen Cent Steuer zahlen. Denn die Regelung, Verluste ausländischer Töchter mindernd geltend zu machen, eröffnet viele Möglichkeiten für eine kreative Bilanzierung – und hat sich 2009 als desaströs für die Steuereinnahmen aus der KÖSt erwiesen.

Den Managern wiederum, denn diese sind mit den „Leistungsträgern“ gemeint – und nicht die Schar der ArbeitnehmerInnen, die Jahr für Jahr mit der Arbeit ihrer Hände oder Köpfe die Gewinne für die Unternehmen erarbeiten -, dürfe nicht mit höheren Steuern gedroht werden, sonst würden sie Schlupflöcher suchen. Diese Schlupflöcher haben diese doch längst schon gefunden, denn durch ihre Stock Options, die nach Ablauf der Spekulationsfrist steuerfrei bleiben, werden sie steuerlich begünstigt und durch die Verschleierung ihrer Vermögenszugewinne durch Transaktionen über Steueroasen entziehen sie sich teilweise ohnehin der heimischen Steuerpflicht.

Dass Veit Sorger sich wenigstens eine Verlängerung der Spekulationsfrist vorstellen kann, mag zwar löblich erscheinen. Aber eine freiwillige Versteuerung von längerfristigen Spekulationsgewinnen durch ihn macht steuerrechtlich keinen Sinn, da es dem Finanzamt nicht möglich ist, etwas einzuheben, das nach aktuellem Gesetzesstand nicht vorgesehen ist.