Warum wir den Fiskalpakt ablehnen sollten

9. Mai 2012

1. Was ist der Fiskalpakt?

Der Fiskalpakt ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen 25 Mitgliedstaaten der EU (alle außer Großbritannien und Tschechien), der unter anderem vorsieht, dass alle Unterzeichnerstaaten bis zum 1. Januar 2014 sogenannte Schuldenbremsen einführen. Diese Schuldenbremse ist in einigen Punkten schärfer als die in Österreich auf einfachgesetzlicher Ebene bereits beschlossene „Schuldenbremse“ und soll sie auf  dauerhaft gelten.

Die Möglichkeit, Budgetpolitik zu gestalten, wird einschneidend beschnitten, der Vertrag legt sich auf fortwährende einseitige Sparpolitik fest, mit vielen Automatismen, die Gestaltungsmöglichkeiten der Regierung und des Parlamentes drastisch beschneiden. Andererseits wird insbesondere der Europäischen Kommission ein großer Spielraum bei der Ausgestaltung der Regeln gegeben, ebenso wie bei der Interpretation, wann Mitgliedstaaten von einem ausgeglichenen Haushalt abweichen. Letzteres insbesondere dadurch, dass im Vertrag festgelegt ist, dass Staaten die Grenze eines strukturellen – konjunkturbereinigten – Defizits von maximal 0,5% des BIP einhalten müssen. Die Berechnung des strukturellen Defizits ist allerdings auch unter ÖkonomInnen sehr umstritten, es gibt viele verschiedene Berechnungsarten, die je nach den benutzten Annahmen in ihrem Ergebnis weit voneinander abweichen können.

Der Vertrag ist so gestaltet, dass kein Staat einseitig austreten kann, auch wenn er es will. In Österreich liegt der Vertrag derzeit zur Abstimmung im Parlament, es wurde jedoch noch kein Zeitplan für die Behandlung bekanntgegeben.

2. Warum sollten wir den Fiskalpakt ablehnen?

Der Fiskalpakt ist ein massiver Angriff auf Demokratie und soziale Errungenschaften. Insbesondere wird das „Königsrecht“ der Parlamente – das Recht, den eigenen Haushalt zu gestalten – massiv eingeschränkt und teilweise auf die nicht gewählte EU-Kommission übertragen. Rechte der Legislative sollen auf eine Institution der (europäischen) Exekutive übertragen werden – das ist demokratisch mehr als fragwürdig.

Die „Schuldenbremse“ des Fiskalpakts wirkt effektiv als „Haushaltsdeckel“, der den Druck steigert, mehr Sozialabbau durchzusetzen, Löhne im öffentlichen Sektor zu senken und öffentliche Investitionen zurückzufahren. Sinnvolle öffentliche Ausgaben sollen gekürzt werden, während gleichzeitig die Banken mit Milliarden gerettet werden. Mehr noch, es ist vorgesehen, dass bei Überschreiten des Defizits automatisch Ausgabenkürzungen einsetzen sollen und dass eine neue Institution geschaffen werden muss, die die permanente Sparpolitik – einseitige Kürzungspolitik – überwacht. Wie das genau zu geschehen hat, ist im Vertrag sehr vage formuliert („löst automatisch einen Korrekturmechanismus aus“), aber der Europäischen Kommission wird das Recht gegeben – wohl erst nach Beschluss des Fiskalpaktes – dazu Vorschläge vorzulegen. Die Staaten verpflichten sich aber auf jeden Fall, diese Vorschläge in nationales Recht umzusetzen. Falls sie dies nicht tun, droht eine Klage beim Europäischen Gerichtshof mit möglichen Strafzahlungen.

Außerdem ist ein späterer Ausstieg aus dem Fiskalpakt nicht vorgesehen: Der Vertrag enthält keine Kündigungsklausel. Er kann daher nur einstimmig von allen Unterzeichnerstaaten aufgehoben werden. Somit schreibt der Vertrag die einseitige Spar- und Kürzungspolitik für auf Dauer fest.

3. Der Fiskalvertrag ist undemokratisch

Der Fiskalvertrag beschränkt das wichtigste Recht der nationalen Parlamente: das Haushaltsrecht. Das Haushaltsrecht ist deshalb so zentral, weil die Entscheidung über die Einnahmen („Wer bezahlt wie viel Steuern?“) und die Ausgaben („Wofür wird Geld ausgegeben und wofür nicht?“) das Zusammenleben der Gesellschaft maßgeblich prägt.

Die Einschränkungen des Haushaltsrechts durch den Fiskalpakt geschehen zum einen über starre Regeln (z.B. die „Schuldenbremse“) und automatische Sanktionen bei Verfehlungen. Zum anderen erhält die nicht demokratisch gewählte Europäische Kommission ein großes Mitspracherecht: Alle Länder, die im sogenannten Defizitverfahren sind – wie auch Österreich – müssen ihre Haushaltsprogramme und Strukturreformprogramme künftig von der Kommission und dem Rat genehmigen lassen. Das heißt, die Kommission bekommt ein Vetorecht: Wenn ihr die Wirtschaftspolitik, die die österreichische Regierung und das österreichische Parlament vorschlagen, nicht passt, kann sie diese ablehnen!

Für Österreich bedeutet der Fiskalpakt faktisch, dass wesentliche Prinzipien unserer Verfassung – hinsichtlich der Gestaltung des Budgets – de facto außer Kraft gesetzt werden.

4. Der Fiskalpakt ist unsozial

Die meisten Euroländer sind verschuldet, weil sie über zu wenig Steuermittel verfügen – insbesondere die Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen wurden in den letzten Jahren drastisch gesenkt, auch durch den Steuersenkungswettbewerb innerhalb der Europäischen Union.

Der Fiskalvertrag ändert an diesen Ursachen der Verschuldung gar nichts, da er sich nur auf die Ausgabenseite bezieht und dort drastische Kürzungen verlangt. Diese treffen in aller Regel überwiegend die Bevölkerung am unteren Ende der Einkommensskala. Soziale Ungleichheit wird mit dem Fiskalvertrag somit weiter verschärft.

Bei Abweichung vom ausgeglichenen Haushalt muss ein automatischer Korrekturmechanismus greifen, d.h. wohl automatische Ausgabenkürzungen, wobei absehbar ist, dass diese ebenfalls vor allem die Sozialausgaben betreffen werden.

5. Der Fiskalpakt wirkt anti-europäisch

Der Vertrag selbst wirkt anti-europäisch, es sich um einen Vertrag außerhalb der EU-Verträge handelt, an dem nicht alle EU-Mitgliedstaaten teilnehmen. Der Fiskalpakt steht somit im Widerspruch zum EU-Recht. Außerdem sollte die europäische Integration laut dem Vertrag von Lissabon zu einem demokratischen und sozial gerechteren Europa führen – genau dem widerspricht jedoch der Fiskalpakt.

6. Der Fiskalpakt ist kein geeignetes Werkzeug, um die Krise zu überwinden

Der Fiskalvertrag zwingt alle Staaten zu einer Politik der Ausgabenkürzung und Privatisierung. Doch die Eurokrise wurde nicht dadurch verursacht, dass die Staaten „über ihre Verhältnisse“ gelebt und beispielsweise zu viel für Sozialleistungen ausgegeben haben. Vielmehr gaben die Staaten in der Finanzkrise Milliarden zur Rettung der Banken und zur Stützung der Konjunktur aus. Dadurch explodierten die Schulden.

Das Beispiel Griechenland zeigt noch dazu sehr deutlich, dass die Schulden eines Landes sogar noch steigen, wenn eine rigide Kürzungspolitik, wie sie im Fiskalvertrag vorgesehen ist, die wirtschaftliche Krise durch Einkommensausfälle noch verschärft. Wenn die Haushalte weniger Geld haben, gehen Unternehmen pleite und die Arbeitslosigkeit steigt. In weiterer Folge nimmt der Staat weniger Steuern ein und er hat mehr Ausgaben. Der Fiskalvertrag ist damit auch ökonomisch unsinnig.

7. Der Fiskalpakt führt zu Kürzungen und Privatisierungen

Der Fiskalvertrag sieht vor, dass alle Unterzeichnerstaaten bis zum 1. Januar 2014 Schuldenbremsen und automatische Korrekturmechanismen mit strenger Überwachung eingeführt haben und zwar möglichst in ihrer nationalen Verfassungen verankert. Wer dies nicht macht, kann dafür vor dem Europäischen Gerichtshof mit hohen Geldbußen belangt werden. Wird die Schuldenbremse – ein strukturelles Defizit von maximal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – nicht eingehalten, werden automatisch Ausgaben gekürzt.

Länder, die im Defizitverfahren sind, wie derzeit auch Österreich, müssen einen Plan vorlegen, wie sie das Defizit reduzieren wollen. Der Plan muss von der Europäischen Kommission und dem Rat genehmigt werden. Diese Gremien werden nur Maßnahmen billigen, die ihrer rigiden Spardoktrin folgen.

Für Länder mit einem Schuldenstand von über 60 Prozent des BIP gilt das gleiche; sie sind außerdem verpflichtet, alle über diesen Wert hinausgehenden Schulden um 5 Prozent pro Jahr abzubauen. Für viele Länder heißt das, dass sie künftig Haushaltsüberschüsse erzielen müssen, was nur mit noch stärkeren Ausgabenkürzungen und mit der Privatisierung öffentlicher Unternehmen erreichbar ist.

8. Alternativen zur Überwindung der Krise

Statt die Krise mit Einschränkungen der Ausgaben bewältigen zu wollen, wie es der Fiskalpakt vorsieht, ist eine Anpassung der Einnahmen zur Verringerung der Schulden wesentlich sinnvoller. Die negativen Effekte der Kürzungspolitik, Verarmung bis hin zur Verelendung breiter Bevölkerungsschichten bleiben aus, wenn die Hauptlast der Krisenkosten von den hohen EinkommensbezieherInnen und Vermögenden getragen wird.

Denkbare wirksame Maßnahmen sind beispielsweise eine EU-weite Vermögensabgabe, die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer, höhere Steuern auf Kapitalerträge und die Einführung der Finanztransaktionssteuer.

Um eine weitere Verschärfung der Krise zu verhindern, müssen außerdem die Finanzmärkte reguliert werden, damit diese nicht mehr gegen einzelne Staaten spekulieren können bzw. nicht durch notwendige Rettungsmaßnahen für Banken die Staatsschulden belasten können.

 

Fazit:

Wir sollten den Fiskalpakt (zumindest in der aktuellen Form) ablehnen und mit Frankreich den Weg einer Neuverhandlung einschlagen.


Wir können uns den Sozialstaat leisten

29. November 2010

Seit vielen Jahren geistern durch die Öffentlichkeit zwei Gespenster: 1. die Unfinanzierbarkeit der Pensionen aufgrund der demografischen Entwicklung; 2. Die Notwendigkeit von Einsparungen in der Verwaltung der Krankenkassen, um die Defizite derselben in den Griff zu bekommen. Mit unerbittlicher Vehemenz malt die neoliberale Phalanx  in den Medien das Bild einer überalterten Gesellschaft, wo am Ende jeder Erwerbstätige mit seinem Beitrag einen Pensionisten erhalten muss und der Staat schließlich unfinanzierbare Zuschüsse zur Bewahrung des derzeitigen Niveaus leisten muss. Außerdem wird von diesen Kassandrarufern in unsere Köpfe die Vorstellung von einem gigantischen und trägen Verwaltungsapparat gehämmert, der Unsummen unserer Krankenversicherungsbeiträge ohne entsprechende Gegenleistungen verschlingt. Dass dieses Bild völlig verzerrt ist, wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Es ist zwar richtig, dass die steigende Lebenserwartung in Kombination mit niedrigen Geburtenraten zu einem steigenden Anteil jener Personen in unserer Gesellschaft führt, die im Pensionsalter sind. Aber all dies ist auch in Zukunft finanzierbar, wenn das Wirtschaftswachstum hoch genug ist und die Anzahl der Beschäftigten weiter steigt. Wenn das Wachstum bei etwa 2 Prozent gehalten werden kann, dann reicht die Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Kuchens ohne Probleme dafür aus, um auf dem Wege einer leichten Erhöhung des Anteils der Staatsausgaben für die Pensionen (gut 1% des BIP) die Finanzierung unseres Systems sicherzustellen. Denn wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, ist es auch leistbar, dass in gut 30 Jahren auf 4 Erwerbstätige 3 Pensionisten kommen.

Seit vielen Jahren werden die (Gebiets)Krankenkassen öffentlich an den Pranger gestellt, da sie Defizite aufweisen. Als Rezepte sind schnell Einsparungen in der Verwaltung und die Zusammenlegung von Kassen gefunden. Was jedoch verschwiegen wird, das sind die wahren Ursachen der Defizite. Diese liegen nämlich nicht in den hohen Verwaltungskosten (diese sind in Österreich mit unter 3% international gesehen sehr niedrig), sondern am Missverhältnis von steigenden Leistungen und sinkenden Einnahmen. Denn durch die hohe Arbeitslosigkeit und den Anstieg des Anteils von Teilzeitarbeit stehen weniger Einnahmen aus den Beiträgen höhere Leistungen gegenüber, die z.T. in den letzten Jahren vom Gesetzgeber den Krankenkassen auch noch zusätzlich zugeschanzt wurden (z.B. Kinderbetreuungsgeld für Studentinnen, Bäuerinnen usw.). Hohe Kosten entstehen den Kassen außerdem durch ständig steigende Spitalskosten und wachsende Medikamentenkosten. Wenngleich Verbesserungen in der Verwaltung natürlich immer möglich sind, so ist dennoch das, was die Kassen vor allem Anderen ganz dringend brauchen, um die höheren Kosten zu bewältigen, das sind höhere Einnahmen.

Höhere Einnahmen sind beispielsweise durch die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu erzielen. Da diese aber ohnehin vor ein paar Jahren erhöht wurden und da diese Beiträge vor allem die unteren Einkommensbereiche besonders belasten, sind andere Wege dieser sozial nicht sonderlich ausgewogenen Lösung vorzuziehen. Möglichkeiten einer besseren Finanzierung der Krankenkassen, die genauso für das Pensionssystem herangezogen werden können, liegen in der Transformation unseres Steuersystems.

Statt immer höhere Belastungen dem Faktor Arbeit aufzuhalsen, sollte durch die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe, durch die Wiedereinführung von Vermögenssteuer sowie Erbschafts- und Schenkungssteuer wie auch durch die Etablierung einer europaweiten Finanztransaktionssteuern das Kapital ebenfalls einen angemessenen Beitrag zur Sicherung unseres Sozialsystems beitragen. Dadurch würde nicht nur mehr Verteilungsgerechtigkeit geschaffen, sondern dieser Umbau des Steuersystems hätte auch positive Effekte für die wirtschaftliche Gesamtentwicklung. Denn der neoliberale Weg der ständigen Kostensenkung der öffentlichen Haushalte hat gerade das Gegenteil dessen bewirkt, was seine Propheten versprochen haben: Statt eines höheren Wachstums hat uns die Sparphilosophie der neoklassischen Ökonomen geringeres Wachstum aufgrund sinkender Nachfrage beschert. Wegen der größeren Nachfrageimpulse bewirken höhere Ausgaben für den Sozialstaat nämlich höheres Wachstum der Gesamtwirtschaft. Was nämlich die Apologeten des Angebotsfetischismus gerne übersehen, das ist, dass höhere Ausgaben für Sozialleistungen nicht nur Kosten sind, sondern auch Einnahmen für die davon profitierenden Menschen – und diese Einnahmen kurbeln über den Konsum die Wirtschaft an. Deshalb können wir uns unser Sozialsystem sehr wohl leisten, da es sich in gewisser Weise über die Wachstumsimpulse für die Wirtschaft selbst finanziert.

Wir müssen es nur wollen – und diesen Willen politisch klar bekennen.


Die krause Logik des Bernhard Felderer

10. Juli 2010

Am 9. Juli 2010 hielt der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, eines Expertenteams von 40 Köpfen, eine Pressekonferenz ab. Bernhard Felderer, der mit einer violetten Krawatte auftrat, um die bevorstehende „Fastenzeit“ der Budgetkonsolidierung zu symbolisieren, berichtete vor den versammelten Pressevertretern von der Entwicklung der Staatsschulden in Österreich. Seit 2007 sei aufgrund der schweren Wirtschaftskrise die Verschuldung von 59% auf gut 70% gestiegen. Damit stehe Österreich im europäischen Vergleich relativ gut da. Denn etwa Irland habe eine Steigerung der Verschuldung um 52% zu vermelden. Und das schon zuvor hoch verschuldete Griechenland habe seinen Schuldenstand um weitere 29% vermehrt- mit den bekannten Folgen.

Das wären eigentlich gute Nachrichten für Österreich. Doch Felderer sieht sich dennoch veranlasst Warnungen auszusprechen: „Wir geraten ins Visier der Finanzmärkte“. Wie kommt er zu dieser Befürchtung? Nun, das Beispiel Spanien habe gezeigt, dass es trotz der dort vergleichsweise niedrigen Verschuldung, diese stieg um 29% auf noch immer moderate 64%,  zu heftigen Reaktionen der Finanzmärkte kommen könne. Und so etwas könne auch Österreich drohen, wenn die Finanzinvestoren die Bonität in Zweifel zögen.

Felderer gibt zwar zu, dass der Staat in der schweren Finanzkrise die Banken vor dem Zusammenbruch gerettet habe und die von der Regierung getätigten Konjunkturmaßnahmen in der schwersten Wirtschaftskrise seit mehr 75 Jahren erste Früchte zeigten, da das Wirtschaftswachstum langsam anspringe. Aber dass diese Rettungsaktionen die Ursache für die stark steigende Staatsverschuldung sind und die Finanzmärkte dankbar sein müssten, da sie von der öffentlichen Hand vor dem Zusammenbruch bewahrt wurden – das übergeht der IHS-Chef. Vielmehr beschwört er das Bild von prüfenden Finanzmärkten herauf, die Europa ins Visier nehmen. Sie prüfen jedes Land voller Misstrauen auf seine Fähigkeit, Schulden zurückzuzahlen – und bestrafen Problemstaaten mit hohen Risikoaufschlägen auf Staatsanleihen. Ratingagenturen stufen Länder herab, der Internationale Währungsfonds (IWF) marschiert „mit sorgenvollen Gesichtern“ auf, um die Regierungen zu massiven Sparprogrammen zu animieren. Felderer gibt zwar zu: „Es geht oft um Gerüchte, die Reaktionen sind oft irrational, zu scharf und ungerecht“. Aber dennoch müssten sich die Staaten diesen Urteilen beugen, denn: „Wir haben es nicht in der Hand.“ Außerdem seien die Gläubiger, die dem Staat Geld leihen, in der Regel keine gierigen Spekulanten, sondern vorsichtig agierende Pensions- und Investmentfonds: „Sie haben Staatsanleihen gekauft, weil sie als sicher galten, und dafür auf hohe Renditen verzichtet.“  Deshalb müssten wir uns dem Urteil der Finanzmärkte bauen und alles dafür tun, um das Vertrauen dieser nervös gewordenen Investoren zurückzugewinnen. Das könne nur durch einen „glaubwürdigen“ Konsolidierungsplan gelingen. Vorbild dafür, wie dies glaubwürdig gelingen könne, seien die Schweiz und Deutschland: „Ihnen werden Staatsanleihen aus der Hand gerissen, ihre Zinsen bleiben sehr niedrig.“ Beide Länder hätten Schuldenbremsen beschlossen, die strukturelle Defizite verbieten und in der Hochkonjunktur zu Überschüssen und dem Aufbau von Reserven zwingen. Während Österreich im Vergleich dazu im Jahre 2007, wo eine gute Konjunkturlage herrschte, dennoch Schulden gemacht habe. Felderer macht daher keinen Hehl daraus, dass er sich dieses Instrument einer strengen Budgetdisziplin auch für Österreich wünscht.

Dieser krausen Logik des Bernhard Felderer muss entschieden entgegengetreten werden. Es darf nämlich nicht sein, dass sich die Staaten, die die Finanzmärkte in der größten Not gerettet haben, nun von diesen erpressen lassen. Und um nichts Anderes handelt es sich, wenn die Finanzmärkte den Regierungen strenge Budgetdisziplin diktieren, um als kreditwürdig eingestuft zu werden und gute Konditionen zu bekommen. Nicht die Staaten müssen nun rigorose Sparpakete schnüren, die das zarte Pflänzchen der Konjunktur abwürgen würden und wodurch die nächste Krise schon vorprogrammiert wäre. Und die Mehrheit der Bevölkerung, die schuldlos an der Krise ist, darf nicht mit einer Einschränkung des Sozialsystems und ungenügend ausgestatteten Bildungseinrichtungen bestraft werden.

Vielmehr müssen jene zur Kasse gebeten werden, die von dieser Rettungsaktion profitiert haben: die Finanzmärkte und die Vermögenden. Die Finanzmärkte sind durch die fortschreitende Deregulierung der letzten Jahrzehnte immer instabiler geworden: exzessiven Blasenbildungen werden von dramatischen Crashs abgelöst, die die Realwirtschaft stets massiv in Mitleidenschaft ziehen. Deshalb müssen diese Märkte durch strenge Regeln diszipliniert werden und durch die Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer muss der Anreiz für hochspekulative kurzfristige Transaktionen beschränkt werden. Außerdem leisten die Finanzmärkte auf diese Weise einen notwendigen Beitrag zur Konsolidierung der Staatshaushalte, die gerade durch die organisierte Unverantwortlichkeit der Finanzmarktakteure in Schwierigkeiten geraten sind.

Die Vermögenden wiederum müssen einen Beitrag leisten, da sie über Jahrzehnte von steigenden Unternehmensgewinnen profitiert haben (während die Lohnquote sank und die Reallöhne stagnierten). Die Zugewinne beim Vermögen sind außerdem immer weniger in Investitionen in die Realwirtschaft geflossen, sodass das Wirtschaftswachstum in Europa seit vielen Jahren sehr bescheiden ausfällt, sondern haben die Spekulation auf den Finanzmärkten zusätzlich angeheizt.  Schließlich sind Einkommen aus Vermögenszuwachs im Vergleich mit Arbeitseinkommen steuerlich deutlich begünstigt, sodass ein höherer Beitrag nur fair wäre. Deshalb müssen die Vermögenden durch höhere Vermögenszuwachssteuern (die auf dem Niveau von Arbeitseinkommen sind), durch die Streichung der steuerlichen Begünstigung von Privatstiftungen und durch die Einführung einer eigenen Vermögenssteuer mit hohen Freibeträgen mehr zur Kasse gebeten werden, da auch sie von einer Gesellschaft profitieren, wo die Ungleichheit sich in Grenzen hält und der soziale Zusammenhalt gegeben ist. Und schließlich würden auch sie viel verlieren, wenn der nächste Crash zum Zusammenbruch der Finanzmärkte führt.


Die große Chance für die SPÖ in der aktuellen Situation: ein gerechtes Steuersystem

15. Mai 2010

Die SPÖ befindet sich im Vorfeld des Bundesparteitages im Juni 2010 in einer sehr schwierigen Situation. Es liegt eine Reihe von sehr mäßigen Wahlerfolgen auf europäischer und auf Landesebene hinter ihr. Daran ändert auch der Erfolg der Wiederwahl von Bundespräsident Heinz Fischer nichts, da er angesichts einer Gegnerschaft erzielt wurde, die schon von vorneherein nicht mehrheitsfähig war. Und nach den Wahlen in Burgenland Ende Mai stehen mit Steiermark und Wien zwei besonders wichtige Wahlentscheidungen im Herbst bevor, die nicht verloren werden dürfen. Dazu kommt, dass die SPÖ in der Koalition mit der ÖVP auf Bundesebene seit Beginn den Eindruck nicht zerstreuen kann, sie könne sich mit ihren Forderungen kaum durchsetzen und müsse ständig dem Koalitionspartner allzu große Zugeständnisse einräumen. Vor allem aber steht der SPÖ im Schatten der schwersten Wirtschaftskrise seit mehr als 70 Jahren mit der Herausforderung einer Budgetkonsolidierung, die nicht zu Lasten der Mehrheit der Werktätigen gehen darf und die nicht die noch immer schwächelnde Konjunktur abwürgen darf, eine fast unlösbare Aufgabe bevor. Die Situation ist schwierig, aber nicht hoffnungslos.

Die österreichische Sozialdemokratie kann alle diese Herausforderungen mit Bravour meistern. Dazu muss sie jedoch sofort entschlossen handeln und den Kurs der letzten 25 Jahre radikal ändern. Denn seit vielen Jahren ist die SPÖ zunehmend von ihren Wurzeln entfremdet. Um nämlich den Eindruck staatspolitischer Verantwortlichkeit zu erwecken und um grundsätzlich für alle Wählergruppen wählbar zu sein, hat die SPÖ darauf verzichtet, sich als jene Partei zu präsentieren, die die Interessen der ArbeitnehmerInnen vertritt. Das mag auf den ersten Blick klug erscheinen, da damit die Zahl der potentiellen Wähler sich erhöht hat. Wenn nicht nur die unselbstständig Erwerbstätigen als Wähler in Frage kommen, sondern auch Selbstständige, Unternehmer, Beamte und Bauern, dann werden scheinbar alle Wahlberechtigten in Österreich angesprochen. Doch tatsächlich war die Folge dieser Strategie, dass sich die Kernschichten der Sozialdemokratie, nämlich die ArbeitnehmerInnen mit kleinen und mittleren Einkommen immer weniger davon überzeugen ließen, dass die SPÖ ihre Interessen vertritt und deshalb zu wählen sei.
Der einzige Ausweg, den ich für die SPÖ in dieser verzwickten Situation sehe, ist daher die mutige Rückkehr zu ihren Wurzeln. Die Sozialdemokratie muss wieder den Werktätigen in diesem Land überzeugend vermitteln, dass sie ihre – und nur ihre – Interessen vertritt. Wenn ihr das gelingt, dann braucht die SPÖ auch keine Angst vor den nächsten Wahlentscheidungen haben. Denn die große Mehrheit der Wahlberechtigten ist unselbstständig erwerbstätig bzw. beziehen eine kleine oder mittlere ASVG-Pension. Das Wählerpotential für die SPÖ beträgt an die 4,5 Millionen Menschen! Also selbst wenn sich am Ende nur 80% dieses Potentials am Wahltag ausschöpfen lassen, ergibt das immer noch eine klare absolute Mehrheit für die Sozialdemokratie.
Wenn die SPÖ also endlich die Entschlossenheit aufbringt, die Interessen der Werktätigen in der Regierung, im Parlament und in den öffentlichen Auftritten ihrer Repräsentanten kompromisslos zu vertreten, dann hat sie keine Wahlen zu fürchten und sie kann das Joch einer sie lähmenden Koalition mit der ÖVP abschütteln, um die Freiräume der politischen Gestaltungsmöglichkeiten auf Grundlage einer absoluten parlamentarischen Mehrheit auszukosten.
Dazu muss sie nur eines tun: Unverrückbar darauf beharren, dass zur Budgetsanierung und zur langfristigen Sicherung unseres Sozial- und Bildungssystems sowie zur Entlastung des Faktors Arbeit auch jene Teile unserer Gesellschaft heranzuziehen sind, die die Krise (mit)verursacht haben bzw. seit vielen Jahren keinen angemessenen Beitrag zur Finanzierung einer solidarischen und gerechten Gesellschaft beitragen: die Vermögenden durch eine Vermögenssteuer mit hohen Freibeträgen und durch eine Kapitalertragsteuer, die Stiftungen und Börsengewinne nicht in ungerechter Weise privilegiert; die durch den Staat vor dem Zusammenbruch geretteten Banken durch eine Bankenabgabe; die großen Unternehmen durch die Leistung einer angemessenen Körperschaftsteuer, die den europaweiten Steuerwettbewerb ein Ende macht und nicht durch die Gruppenbesteuerung marginalisiert wird; die durch Deregulation aus dem Lot geratenen Finanzmärkte durch eine europaweite Finanztransaktionssteuer bzw. im Falle eines Scheiterns derselben durch eine lokale Börsenumsatzsteuer.


Budgetsanierung nicht zu Lasten der ArbeitnehmerInnen

14. März 2010

Wachsendes Budgetdefizit

In Folge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise wird Österreich bis 2011/12 ein Budgetdefizit von 5-6 Milliarden Euro über dem nach dem Maastrichtkriterium zulässigen 3% jährlich aufbauen. Da der Stabilitätspakt der EU – abgesehen von kurzfristigen Ausnahmen – jedoch nur ein Defizit von höchsten 3% jährlich für zulässig erachtet, wird Österreich in den nächsten Jahren gegensteuern müssen, um dieses Defizit wieder abzubauen. Auf welchem Wege soll dies geschehen?

Der falsche Weg

Es ist zu befürchten, dass wie in der Vergangenheit diese Sanierung des österreichischen Haushalts über Maßnahmen erfolgen soll, die in erster Linie die ArbeitnehmerInnen trifft. Denn neben Einsparungen auf der Ausgabenseite wie der Verwaltungsreform werden Maßnahmen, wie die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes, Einsparungen bei den sozialen Sicherungssystemen und sonstige Steuererhöhungen, die den Faktor Arbeit sowie die unteren und mittleren Einkommen noch stärker belasten, angedacht. Das wäre jedoch der vollkommen falsche Weg. Denn erstens haben die ArbeitnehmerInnen diese Krise nicht verursacht. Die Krise ist vielmehr eine Folge einer alle Vorsicht außer Acht lassenden Spekulationsblase auf den internationalen Finanzmärkten, der über eine massive Vertrauenskrise der Banken auf die gesamte Wirtschaft übergegriffen hat. Zweitens würden diese Maßnahmen jene Menschen treffen, die als Konsumenten als einzige dem Abwärtstrend der Wirtschaft Widerstand geleisten haben. Wenn durch diese Maßnahmen der Konsum ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wird, dann wird das zarte Plänzchen Konjuktur, das durch einige Maßnahmenpakete gehegt wurde, mit der Wurzel ausgerissen. Die Folge davon wäre, dass statt einer Verringerung des Budgetdefizits eine Zunahme aufgrund geringerer Steuereinnahmen durch sinkendes Wirtschaftswachstum eintreten würde.

Der richtige Weg

Statt jene zu bestrafen, die keine Schuld an der Krise trifft, und die Konjuktur abzuwürgenm, sollten vielmehr Maßnahmen getroffen werden, die erstens jene zur Kasse bittet, die diese Krise zu verantworten haben; zweitens jene trifft, die sich seit vielen Jahren aus der Verantwortung stehlen, einen solidarischen Beitrag an den Kosten zur Finanzierung unserer hochentwickelten Gesellschaft zu leisten. Maßnahmen, die die Verursacher der Krise treffen würde, sind:
a) Bankenabgabe: Diese sollte keiner weiteren Diskussion bedürfen, da der Bankensektor durch die massive Unterstützung der Öffentlichkeit vor dem Zusammenbruch gerettet wurde, sodass es nur fair ist, wenn sich die Banken durch eine spezifische Abgabe dem Staat gegenüber für seine Rettungsaktion dankbar zeigen.
b) Finanztransaktionssteuer: Da die Finanzmärkte durch ihr „System der organisierten Verantwortungslosigkeit“ (Erich Foglar) immer neue Spekulationsblasen nährt, die schließlich platzen müssen, ist es dringend notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, die dem ungeregelten Wildwuchs der Spekulation einen Riegel vorschiebt. Die Finanztransaktionssteuer wäre neben der Regulation der Hedgefonds und Private Equity Fonds sowie dem Austrocknen von Steueroasen ein wichtiger Schritt auf deisem Wege.

Maßnahmen, die jene treffen würde, die es sich erstens leisten können und zweitens zur Zeit einen nicht angemessenen Beitrag im Steuersystem leisten, sind:
a) Vermögenssteuer: In Österreich leisten Vermögende eine Beitrag von weniger als 2% des Steueraufkommens. Die ArbeitnehmerInnen hingegen tragen durch Lohn- und Umsatzsteuer gut zwei Dritteln der Steuerlast. Wenn ab einem Freibetrag von EUR 500.000,– eine progressive Vermögenssteuer von 0,25% bis 1,5% eingeführt wird, so bringt das dem österreichischen Staat Mehreinnahmen von 3,5 Milliarden Euro. Dadurch könnte der Faktor Arbeit entlastet und das Budgetdefizit abgebaut werden.
b) Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Privatstiftungen: Während auf alle sonstigen Zinserträge eine Kapitalertragssteuer von 25% anfällt, können Vermögende in Österreich durch die Gründung einer Privatstiftung einen begünstigten Steuersatz von 12,5% in Anspruch nehmen. Dieser völlig unverständliche Vorteil für Vermögende sollte dringend aus der Welt geschafft werden.
c) Einführung einer reformierten Schenkungs- und Erbschaftssteuer: Da von der Abschaffung vor allem eine kleine Gruppe von sehr Vermögenden profitiert hat, sollte diese in abgewandelter Form wieder eingeführt werden. Um z.B. nicht die Mittelschicht sowie die Klein- und Mittelbetriebe zu treffen, sollte ein hoher Freibetrag von EUR 400.000,– gelten.
d) Aufhebung der Spekulationsfrist bei Wertpapieren: Die in Österreich geltende Frist von einem Jahr begünstigt Börsengewinne gegenüber anderen Kapitalerträgen und sollten deshalb aufgehoben werden. Die Kursgewinne sollten somit generell mit 25% endbesteuert werden.
e) Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer: Die Börsenumsatzsteuer, die 2000 abgeschafft wurde, sollte mit einem höheren Steuersatz von 0,25% wiedereingeführt werden. Diese erübrigt sich jedoch, falls die oben genannte Einführung einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer gelingen sollte.
f) Abschaffung der Gruppenbesteuerung: Seit der Reform von 2005 können Unternehmen bei der Körperschaftsteuer die Verluste von ausländischen Beteiligungen gegenverrechnen, sodass sich der ohnehin geringe Steuersatz von 25% real weiter verringert. Dieser Möglichkeit muss dringend ein Riegel vorgeschoben werden, da sonst durch das starke Engagement von österreichischen Unternehmen im krisengeschüttelten Osten auf Jahre hinaus die Steuerleistung massiv sinken würde.

Durch all diese Maßnahmen könnte das Budgetdefizit in Österreich verringert werden, ohne dass die Mehrheit der Bevölkerung schmerzlich zur Kasse gebeten wird!