Österreichs Millionäre werden mehr – ihre Abgaben bisher nicht

5. Juni 2011

Wie der Kurier in seiner Ausgabe vom 1. Juni 2011 berichtet hat, gehört  die österreichische Volkswirtschaft nicht nur zu den reichsten der Welt, die Alpenrepublik beherbergt auch überproportional viele Superreiche – auf je hunderttausend österreichische Haushalte kommen statistisch gesehen acht Haushalte, die ein Vermögen von mehr als 100 Mio. Dollar besitzen. Dies entspricht umgerechnet 69,5 Mio. Euro. Damit befindet sich Österreich in Sachen Millionärsdichte an weltweit fünfter Stelle und wird dabei nur von ölreichen Staaten und Finanzzentren abgehängt (Saudi-Arabien, Schweiz, Hongkong, Kuwait). Dies geht aus dem 31. Mai 2011 publizierten aktuellen „Global Wealth Report“ der Boston Consulting Group (BCG) hervor.

Insgesamt verfügen 297 der 3,5 Millionen österreichische Haushalte über ein verwaltetes Vermögen von mehr als 100 Mio. Dollar. Weniger reich gesegnet ist die Alpenrepublik laut dieser Statistik mit einfachen Millionären – sie taucht im weltweiten Ranking der einfachen Millionärshaushalte nicht unter den ersten 15 auf. In Österreich gab es 2010 rund 37.000 Dollar-Millionäre. Die anteilsmäßig meisten (Dollar-) Millionäre gibt es in Singapur, wo 15,5 Prozent aller Haushalte über ein Vermögen von mehr als 1 Mio. Dollar (695.000 Euro) verfügen. In der Schweiz gehören 10 Prozent der Bevölkerung zu diesem „Club“. In Österreich belief sich das insgesamt verwaltete Vermögen von Privatanlegern 2010 auf 656 Mrd. US-Dollar (486 Mrd. Euro), was einem Zuwachs von rund 7 Prozent entspricht.

Ursache für das Wachstum des Reichtums war vor allem die gute Entwicklung der Finanzmärkte, die durch die kontinuierliche Umverteilung der Anlageformen verstärkt wurde, berichtet die BCG in ihrem Reichtumsbericht 2011. So stieg von Ende 2008 bis Ende 2010 der Anteil der in Aktien angelegten Vermögenswerte von 29 auf 35 Prozent. „Während der Krise setzten die Anleger vor allem auf Bargeld“, erläutert BCG-Expertin Ludger Kübel-Sorger. „Inzwischen haben die Kunden aber ihre Gelder wieder in risikoreichere Anlagen umgeschichtet.“

Weltweit sind die Vermögenswerte von Privatanlegern im vergangenen Jahr um acht Prozent auf rund 122 Billionen (122.000 Mrd.) US-Dollar gewachsen und lagen damit um 20 Billionen über dem Wert, der Ende 2008 während des Tiefpunktes der Finanzkrise erreicht wurde. Trotz der Finanzkrise war das globale Vermögen 2009 freilich noch schneller (10,3 Prozent) gewachsen. Bis 2015 wird es um jährlich „nur mehr“ sechs Prozent zunehmen – vor allem getrieben durch die Entwicklung der Kapitalmärkte und das weltweite BIP-Wachstum, schreibt BCG. Dabei werden die Vermögenswerte in den Emerging Markets am stärksten zulegen. Schon im vergangenen Jahr sind die Vermögenswerte in der Region Asien-Pazifik (exkl. Japan) mit einem Plus von 17,1 Prozent am stärksten gewachsen.

Der Reichtum ist jedoch ziemlich ungleich verteilt: Millionärs-Haushalte machen weltweit zwar weniger als 1 Prozent aller Haushalte aus, ihnen gehören aber 39 Prozent des weltweiten Vermögens. Die Zahl der Dollar-Millionärshaushalte beträgt weltweit rund 12,5 Millionen. Die meisten von ihnen wohnen in den USA (5,2 Millionen), gefolgt von Japan (1,5 Millionen), China (1,1 Millionen) und Großbritannien (570.000).

Daher fordern ÖGB und Arbeiterkammer seit Jahren einen höheren Beitrag der Reichen in Österreich zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben des Staates und zur Entlastung des Faktors Arbeit – wie zuletzt ÖGB-Präsident Erich Foglar in der ORF-Pressestunde. Der SPÖ Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter hat sich im Anschluss an den Reichtumsreport diesen Forderungen nun entschieden angeschlossen. In einer Aussendung am 3. Juni 2011 forderte er einen gesellschaftspolitischen Grundkonsens darüber, dass Vermögende einen größeren Beitrag zur Stabilität des Staatshaushaltes zu leisten haben. „Reichtum, Vermögen und Grundbesitz sind nicht nur einseitig verteilt, die Kluft zwischen arm und reich vergrößert sich Jahr für Jahr“, sagte er. Es sei aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit unerlässlich, dass die bereits 37.000 heimischen Dollarmillionäre, davon fast 300 Superreiche mit einem verwalteten Vermögen von jeweils mehr als 100 Millionen Dollar, über einen gerechten Beitrag zur Kasse gebeten werden, sagte Kräuter weiter.

Der SPÖ Bundesgeschäftsführer rechnete zur Erklärung nämlich vor: In Österreich kommen nur 1,4 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus vermögensbezogenen Steuern, in der EU sind dies 5,4 Prozent. Bei einer Anpassung an diesen Durchschnittswert würden vier Milliarden Euro jährlich zusätzlich für Bildungsinvestitionen, Gesundheitsaufgaben und zur Entlastung der wirklichen Leistungsträger zur Verfügung stehen.

Kräuter schloss seine Aussendung deshalb mit den Worten: „Letztendlich liegt sozialer Friede und gesellschaftspolitische Balance nicht nur im Interesse der hart arbeitenden Durchschnittsbevölkerung, es kommen Stabilität und sichere Rahmenbedingungen auch den Besitzenden und Vermögenden zugute. Daher sollte ein Grundkonsens für mehr Gerechtigkeit in Verteilungsfragen und eine höhere Besteuerung der Millionenvermögen in Österreich möglich sein.“ Da können wir ihm nur vollkommen beipflichten und darauf hoffen, dass die SPÖ diese Forderung endlich auch in der Koalition mit der Volkspartei durchsetzen kann. Die Chancen dafür sind freilich nicht allzu groß.


Bernhard Felderers Albtraum: Österreich als Europameister

19. Dezember 2010

Der Vorsitzende des Staatschuldenausschuss, IHS-Chef Bernhard Felderer, hat am Donnerstag einen Bericht präsentiert, der das Sprudeln der Steuereinnahmen in Österreich thematisiert. Laut den Zahlen der Europäischen Kommission von November liegen heuer nur drei Länder vor Österreich (44,1 Prozent): Belgien mit 45,8 Prozent, Schweden mit 45,7 Prozent und Dänemark mit 46,4 Prozent. Als Prognose wird für Österreich ein Steigen der Abgabenquote 2011 auf 44,3 Prozent erwartet. Allerdings sind in diesen Zahlen allerdings die mit dem Budget beschlossenen Steuererhöhungen und Steuereinführungen (Tabak, Mineralöl, Flugticket etc.) noch nicht berücksichtigt. Man könne somit von einem noch höheren Wert ausgehen.

Zu den sprudelnden Steuereinnahmen komme hinzu, so Felderer weiter, dass der Staat aufgrund des niedrigen Zinsniveaus günstig Kredite auf dem Kapitalmarkt aufnehmen könne. In Summe habe das heuer dazu geführt, dass die Einnahmen höher seien als erwartet und die Ausgaben niedriger. „Wir rechnen damit, dass wir rund 1,5 Milliarden Euro mehr Einnahmen haben werden als wir erwartet haben“, sagte Felderer im Ö1-Mittagsjournal. Dank der Mehreinnahmen werde auch das prognostizierte Defizit von 4,5 Prozent des BIP für 2010 deutlich kleiner ausfallen. Felderer geht von vier oder 4,1 Prozent, vielleicht sogar unter vier Prozent aus. Als persönliche Meinung regt der Chef des Staatsschuldenausschusses angesichts dieser Entwicklung langfristig eine Senkung der Abgabenquote an. Steuersenkungen seien zwar in der jetzigen Situation nicht möglich, man sollte aber darüber nachdenken und das langfristig planen.

Während ihm die Abgabenquote zu hoch ist, mahnt Felderer beim Schuldenabbau mehr Anstrengungen ein. In der Vergangenheit sei die Rückführung der Schuldenquote nämlich vernachlässigt worden. Um aber die Glaubwürdigkeit auf den Finanzmärkten zu behalten, müsse der Schuldenabbau ein zentrales Anliegen sein und die langfristige Konsolidierung dargelegt werden. Derzeit fehle allerdings die Perspektive für die Rückführung der Staatsverschuldung von über 70 auf die Maastricht-Grenze von 60 Prozent des BIP. Dazu dürfe das jährliche Defizit ab 2015 nicht über einem Prozent liegen. „Zwei Prozent sind zu viel“, so Felderer. Das Finanzministerium hat für 2014 derzeit noch ein Defizit von 2,2 Prozent vorgesehen. Berechnungen des Staatsschuldenausschusses zeigen folgendes Bild: Bei einem durchschnittlichen Wachstum und einem Defizit von einem Prozent könnte die Schuldenquote zwischen 2023 und 2028 auf 60 Prozent gesenkt werden, bei zwei Prozent würde das ein Jahrzehnt länger dauern (bis 2039).

Sehen wir uns zunächst an, was diese Europarangliste „des Grauens“ für Österreich tatsächlich zu bedeuten hat. So wie Felderer diesen Umstand darstellt, handelt es sich dabei um ein furchtbares Ergebnis, wenn Österreich hier auf Platz 4 liegt und Anstalten macht, Besserplatzierte zu überholen. Was Felderer jedoch verschweigt, das ist der Umstand, dass die Bestplatzierten bei der Abgabenquote (bis auf Belgien) auch auf anderen Ranglisten – die positiver besetzt sind – oft topplatziert sind. So liegt etwa Schweden während der letzten zehn Jahre beim Wirtschaftswachstum meist deutlich über dem EU-Durchschnitt, deutlich weniger Menschen als im Rest von Europa sind armutsgefährdet (hier liegt auch Dänemark sehr gut) und die Beschäftigungsquote (vor allem von Frauen) ist ebenfalls deutlich höher. Schweden ist überhaupt ein gutes Gegenbeispiel für die neoliberale Behauptung, hohe Abgaben schadeten dem Wirtschaftsstandort im internationalen Vergleich. Denn Schweden hat einen erfolgreichen Hochtechnologiebereich, der sich international sehen lassen kann, und ist generell wirtschaftlich erfolgreich. Einziger Wermutstropfen ist, dass Konjunkturschwankungen meist größer ausfallen als z.B. in Österreich. Schweden bietet den Menschen und damit auch den Unternehmen außerdem ein gut ausgebautes Bildungssystem, aus dem gut ausgebildete Absolventen hervorgehen, denen darüber hinaus ein breites Angebot an lebensbegleitenden Weiterbildungsmöglichkeiten offen steht.

Wir können somit festhalten: Es sind bessere Wege möglich als jener des neoliberalen Musterlands Deutschland (wobei Österreich in dieser Hinsicht kaum nachsteht), wo die Exportindustrie aufgrund jahrelanger Lohnzurückhaltung zwar große Erfolge feiert, bei der großen Masse der Menschen diese Erfolge aber nicht ankommen, da die Einkommen seit vielen Jahren stagnieren. Dies ist längerfristig auch für die Unternehmen nachteilig, da der Inlandskonsum daniederliegt und diese Erfolge nur durch Verschuldung der Importländer möglich sind. Die gegenwärtigen Instabilitäten in der Eurozone rühren gerade davon her (und nicht von der mangelnden Budgetdisziplin der südeuropäischen Länder), dass das wettbewerbsverzerrende Lohndumping der Überschussländer die anderen Staaten in die Schuldenfalle treibt.

Daher ist Felderer auch darin zu widersprechen, dass die Abgabenquote schon bald gesenkt werden muss. Erstens steht dies im Widerspruch zu seiner Forderung nach einem schnelleren Schuldenabbau der Republik. Denn wie sollen die Schulden abgebaut werden, wenn die Steuereinnahmen sinken? Es ist ein hartnäckiges neoliberales Märchen, dass Steuersenkungen über einen längeren Zeitraum sogar zu mehr Staatseinnahmen führen, weil die Unternehmen und Kapitaleigner dadurch ein günstiges Klima für hohes wirtschaftliches Wachstum vorfinden. Dies wurde in den USA unter Ronald Reagan propagiert. Die Realität am Ende seiner Amtszeit sah freilich völlig anders aus: Obwohl der Präsident große Steuererleichterungen geschaffen hatte, standen die Staatskassen der USA vor einem riesigen Schuldenberg, der dann unter Präsident Clinton abgebaut werden musste. Die viel beschworene Verwaltungsreform andererseits wird diese Reduktion der Schulden auch nicht allein leisten können, auch wenn von mancher Seite dieser Eindruck erweckt wird.

Was die Geschwindigkeit des Schuldenabbaus betrifft, bleibt uns Felderer eine wirkliche Erklärung schuldig, warum dieser schneller als bisher erfolgen müsse. Denn der Verweis auf die Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten kann nicht ernst gemeint sein. Die Finanzmärkte mussten 2008 aufgrund von Exzessen, die durch mangelnde Regulierung ermöglicht wurden, von den Staaten durch massive Finanzspritzen gerettet werden. Also haben nicht die Staaten ihre Glaubwürdigkeit den Finanzmärkten zu beweisen, sondern die Finanzmärkte müssen umgekehrt innerhalb einer strengen Regulierung den Nachweis erbringen, dass die doch noch in der Lage sind, sinnvolle Dienste für die Realwirtschaft zu erbringen.

Die Grenze der Gesamtverschuldung im Maastrichtvertrag von 60 Prozent des BIP ist rein willkürlich gesetzt und war während der Finanz- und Weltwirtschaftskrise nicht einzuhalten. Daher ist es Zeit von diesem Dogma abzurücken. Statt sich nur auf die Bekämpfung der Inflation zu fixieren, sollte die Europäische Zentralbank im Geiste Keynes‘ vielmehr eine Geldpolitik betreiben, die den Staaten und Unternehmen durch niedrige Zinsen eine günstige Verschuldung ermöglicht. Wenn dadurch das Wirtschaftswachstum nachhaltig angekurbelt wird, löst sich die Schuldenproblematik aufgrund höherer Staatseinnahmen ohnehin von selbst – auch wenn diese zeitweise höher ausfällt als die Maastrichtkriterien erlauben.

Um zum Abschluss auf die Abgabenquote zurückzukommen. Felderers Befürchtungen hinsichtlich der Folgen einer steigenden Quote kann entgegnet werden: Die Abgabenquote darf nicht isoliert gesehen werden, sondern ihr müssen die Leistungen des Staates für seine Bürger sowie die Ausgaben für Forschung und Innovation gegenübergestellt werden. Wenn Österreich bei der Abgabenquote tatsächlich bald Europameister sein sollte – und dies aufgrund der dadurch möglichen Rahmenbedingungen aber auch bei Wirtschaftswachstum, Armutsvermeidung und Vollbeschäftigung sowie bei der Förderung von Forschung und Technik wird, dann sollten wir einfach sagen: Nur zu!


An Josef Pröll: Gerechtigkeit ist nicht mit Neid gleichzusetzen

5. Dezember 2010

Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll hat in einem Interview mit dem Standard in Richtung SPÖ gesagt, diese würde mit ihrer Forderung der Einführung einer Vermögenssteuer den Neid gegen Eigentum schüren.

Wenn die Sozialdemokratie Hand in Hand mit der Gewerkschaft unter Schlagwörtern wie „Zeit für Gerechtigkeit“ und „FAIR teilen“ mehr Verteilungsgerechtigkeit fordert, dann hat das nichts mit Neid zu tun. Vielmehr geht es bei diesen Forderungen darum, einer jahrzehntelangen Fehlentwicklung bei der Verteilung von Einkommen und Vermögen endlich entgegenzutreten. Stark steigende Gewinne und Managergehälter auf der einen Seite, stagnierende Entwicklung der Reallöhne auf der anderen Seite haben in den letzen 25 Jahre dazu geführt, dass die Einkommensschere in Österreich immer weiter auseinandergeht und Vermögen immer stärker konzentriert ist.

Wenn man darauf aufmerksam macht und Korrekturen fordert, dann stellt das für Josef Pröll eine Neiddebatte dar, die die falschen treffe. Ihm liegen ja die Leistungsträger am Herzen, die nach seinen Worten die Hauptlast der Steuereinnahmen zu tragen hätten. Richtig ist, dass bei der Lohnsteuer die oberen Einkommensbereiche den größten Teil der Einkommensteuereinnahmen zu tragen haben. Zieht man jedoch die Gesamtbelastung heran, die die Haushalte an zu leisten haben (Einkommensteuer, Sozialversicherungsbeiträge, Umsatzsteuer), und berücksichtigt auch, wie stark Vermögen und Vermögenszuwächse (wo beides ja überwiegend nur in den obersten Einkommensbereichen vorhanden ist) besteuert werden, dann sieht die Bilanz jedoch ganz anders aus: Rechnet man Einkommen-, Umsatzsteuer und Sozialversicherung zusammen, dann ist die Belastung der Haushalte über alle Einkommensbereiche ziemlich gleich (sie steigt zunächst leicht an, sinkt aber im obersten Bereich wieder ab).

Vermögen wiederum ist praktisch steuerfrei, seit die Erbschafts- und Schenkungssteuer abgeschafft wurde. Diese Abschaffung wird damit gerechtfertigt, dass jene geschützt werden sollen, die von ihren Eltern eine Eigentumswohnung oder ein Einfamilienhaus erben. Jene wären aber auch durch entsprechend großzügige Freibeträge von dieser Steuerleistung auszunehmen. Wer tatsächlich von dieser Abschaffung profitiert, das sind jene Unternehmerfamilien, wo steuerfrei Vermögenswerte von Millionen oder gar Milliarden Euro weitergegeben werden. Lediglich über die Grundsteuer (die jedoch aufgrund eines völlig unzeitgemäßen Einheitswertes berechnet wird) fließen dem Staatshaushalt Einnahmen aus dieser Kategorie zu (das sind weniger als 1,5% des Gesamtsteueraufkommens).

Vermögenszuwächse werden ab 2011 einheitlich mit einer 25%tigen Quellensteuer belegt. Somit leisten Wertpapierspekulanten den gleichen Beitrag wie der/die Pensionist/in, der sein Erspartes auf einem Sparbuch hat. Einkommen aus selbstständiger oder unselbstständiger Arbeit wird jedoch mit einem Steuersatz bis zu 50% belegt.

Auf eine Antwort von Josef Pröll auf dieses Ungleichgewicht der steuerlichen Belastung von Arbeit und Kapital sowie auf die immer ungleichere Verteilung des Vermögens warten wir seit Jahren vergeblich. Wie es aussieht, werden wir noch weiter warten müssen.


Können wir uns das staatliche Pensionssystem noch leisten?

23. August 2010

Mit großer Regelmäßigkeit tritt ein vermeintlicher Experte an die Öffentlichkeit, um zu vermelden, dass die demografische Entwicklung und vor allem der Umstand, dass die Lebenserwartung stetig steigt, dazu führe, dass wir uns das derzeitige Pensionssystem nicht mehr leisten könnten. Deshalb müssten die Leistungen gekürzt und das Pensionsantrittsalter gehoben werden. Bei den Voraussetzungen liegen diese Kassandrarufer durchaus richtig: Die demografische Entwicklung geht dahin, dass der Anteil jener Menschen in Österreich, die älter als 60 Jahre sind, seit Jahrzehnten deutlich wächst – derzeit beträgt dieser Anteil ca. 22%; nach 2030 wird er wahrscheinlich ca. 30% ausmachen. Die Lebenserwartung von Männern beträgt zurzeit ca. 77 Jahre, die von Frauen etwa 83 Jahre; noch 1971 betrug diese 73 Jahre bei Männern und knapp 76 Jahre bei Frauen; und die Lebenserwartung wird weiter leicht steigen.

Obwohl also die demografischen Hintergründe korrekt sind, haben diese selbsternannten Experten bei ihren Schlussfolgerungen nicht recht. Denn für die Finanzierbarkeit des Pensionssystems ist nicht (allein) das Verhältnis der Altersgruppen und die Entwicklung der Lebenserwartung entscheidend, sondern die Entwicklung des Bruttosozialprodukts. Solange das BIP nicht langsamer wächst als die Aufwendungen für die Sozialausgaben, besteht keine Gefahr für das Pensionssystem. Zwar ist es für das bestehende Umlageverfahren wenig vorteilhaft, wenn das Verhältnis zwischen der erwerbstätigen Bevölkerung und jenen, die sich in Rente befinden, sich zu Ungunsten der Erwerbstätigkeit entwickelt. Aber solange noch das Bruttosozialprodukt jährlich um mindestens 2% steigt, steht der öffentlichen Hand eine ausreichende Finanzierungsquelle zur Verfügung, die die Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben im Umlageverfahren ausgleichen kann.

In den letzten 20 Jahren ist die Finanzierung des österreichischen Sozialsystems nicht aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmend unter Druck geraten, sondern aufgrund der sinkenden Lohnquote.  Denn die Löhne und Gehälter sind in Österreich die Beitragsgrundlage für die Sozialversicherungseinnahmen. Wenn der Anteil von Löhnen und Gehältern am gesellschaftlichen Reichtum gegenüber den Gewinnen ins Hintertreffen gerät, dann untergräbt dies die Finanzierungsgrundlage unseres Sozialsystems. Für die sich hier auftuende Lücke ist jedoch relativ einfach Abhilfe zu schaffen. Neben der alleinigen Belastung des Faktors Arbeit sind eben auch andere Quellen für die Finanzierung anzuzapfen: Die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe und eine stärkere steuerliche Belastung von Vermögen und Vermögenszuwächsen könnte hier z. B. einen guten Ausgleich für die fehlenden Einnahmen darstellen. Außerdem würden auf diesem Wege jene einen größeren Beitrag zu unserem Sozialsystem leisten, die sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend aus dem solidarischen System des gesellschaftlichen Ausgleichs ausgeklinkt haben: die Unternehmen und die Vermögenden.


Jetzt zu sparen wäre völlig verkehrt!

13. Juni 2010

Mitten in den Nachwehen der schwersten Wirtschaftskrise seit mehr als 75 Jahren wollen immer mehr europäische Regierungen strenge Sparprogramme zur Reduktion des Budgetdefizits ihrer Länder beschließen. Bevor ich darauf eingehe, was aus volkswirtschaftlicher Sicht von diesen Absichten zuhalten ist, werde ich kurz auf die Ereignisse eingehen, die überhaupt zu der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise geführt haben.

Die Ursachen der Krise
In den Jahren nach dem Platzen der Blase der New Economy im Jahre 2000 begannen die Immobilienpreise in den USA stark anzusteigen, da der Finanzsektor in großem Maße Kredite an den amerikanischen Mittelstand vergab, dessen Einkommen aus Arbeit in diesen Jahren jedoch stets gesunken war. Um seinen Lebensstandard und den gewohnten Konsum aufrecht zu erhalten, war dieser Mittelstand darauf angewiesen, in immer größerem Ausmaß Schulden zu machen. Da die Immobilienpreise stetig stiegen, bekamen die Hausbesitzer immer höhere Hypothekarkredite angeboten. Auch die Kreditkartenanbieter gewährten großzügige Einkaufsrahmen, damit die Steigerung des Konsums am Laufen gehalten wurde. Sowohl den Hypothekaranbietern, als auch den Kreditkartenfirmen musste bewusst sein, dass dies nicht auf Dauer gutgehen konnte, wenn die Arbeitseinkommen nicht stiegen. Hinzu kam, dass der Finanzsektor diese Hypothekensdarlehen, insbesondere die von zweitklassigen, also besonders risikobehafteten Schuldnern (= subprime), deren Immobilien zu mehr als 80% belehnt waren, in konplizierte Wertpapieren verpackt hatten, von Ratingagenturen sehr wohlwollend bewerten ließen und weltweit auf den Finanzmärkten angeboten hatten. Da diese Wertpapiere von den Ratingagenturen oftmals sogar mit einem AAA ausgezeichnet wurden und aufgrund der steigenden Gewinne der Unternehmen Kapital im Überfluss auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten war, verkauften sich diese Papiere wie die warmen Semmeln. Sogar die privaten Pensionsversicherungen griffen fleissig zu, da ihnen diese Anlagen als sicher erschienen. Als schließlich die Steigerung der Immobilienpreise ein Ende fand, fiel das Ganze wie ein Kartenhaus zusammen: Hypothekenschuldner konnten aufgrund des Wertverlustes ihre Darlehen nicht mehr bedienen, sodass ihre Häuser zwangsversteigert wurden. Dies brachte eine ungeheure Lawine ins Rollen, da dadurch die Immobilienpreise im schneller sanken, wodurch immer noch mehr Hausbesitzer ins Straucheln kamen und ihre Häuser verloren.

Und die Folgen für die Weltwirtschaft
Viele Banken rund um den Globus saßen nun auf jenen Wertpapieren, in denen verpackt die Hypothekarsdarlehen schlummerten, die nun nicht mehr einzubringen waren. Da die Banken in Folge des Immobiliendesasters nicht von einander wussten, wie viele dieser Papieren sie jeweils in ihren Portfolios hatten, misstrauten die Banken einander immer mehr. Somit stiegen die Interbankenzinsen stark an und die gegenseitige Kreditvergabe kam praktisch zum Erliegen. Im Sommer 2008 gerieten schließlich einige große amerikanische Investmentbanken in massive Zahlungsschwierigkeiten und sie mussten vom Staat gerettet werden. Lediglich Lehmann Brothers wurde die nötige Finanzspritze verweigert, sodass Lehmann Brothers im Herbst 2008 insolvent wurde. Das versetze die ganze Finanzwelt in eine helle Panik. In einer konzerdierten globalen Aktion retteten die Regierungen der USA, Europas und Asiens das Finanzsystem durch staatliche Garantien in gigantischem Ausmaß.

Da jedoch trotz der massiven staatlichen Hilfspakete die Kreditvergabe mehr oder weniger zum Erliegen gekommen war, griff die Finanzkrise nun auf die gesamte Wirtschaft über. Weltweit brachen die Aufträge in der Industrie ein und die Exporte der Industriegüter gingen stark zurück, sodass die Weltwirtschaft in eine schwere Rezession gestürzt wurde. So sank z.B. in Österreich das BIP um 3,4% und die Arbeitslosigkeit stieg trotz Konjunkturpaketen und weiterer arbeitsmarktpolitischer Begleitaktionen (z.B. Kurzarbeit) deutlich an: Nach einer erfreulichen Arbeitslosenrate von 5,7% 2008 stieg sie auf über 7,2% 2009 und wird 2010 etwa 7,7% betragen.

Die Krisenbekämpfung
Durch die staatlichen Hilfspakete für die Banken und die Konjunkturpakete zur Ankurbelung des Konsums sowie die steigenden Sozialausgaben für die gestiegene Arbeitslosigkeit ist die Verschuldung des österreichischen Staatshaushaltes deutlich, aber nicht dramatisch gestiegen: Nach einigen Jahren, in denen das Defizit stets unter einem Prozent lag, stieg das Defizit 2009 auf 3,5% an, 2010 wird es voraussichtlich 4,7% betragen. Wenn Österreich den Kurs von 2009 und 2010 hinsichtlich der konjukturellen Ankurbelung beibehält, dann wird die Gesamtverschuldung bis 2013 auf etwa 70% des BIPs steigen (zum Vergleich: im langjährigen internationalen Vergleich stieg das Defizits nach einer Krise um durchschnittlich 86%).

Aktuell gibt es erste zarte Anzeichen der wirtschaftlichen Erholung: Die Wirtschaft wächst 2010 wieder langsam und die Arbeitslosigkeit ist in Östereich seit Mai nicht mehr weiter angestiegen. Das Wirtschaftswachstum wird 2010 und 2011 ca. 1,5% betragen. Wie aus der Volkswirtschaftslehre bekannt ist, reicht ein solches Wachstum nicht aus, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Erst wenn wieder ein stabiles Wachstum von mehr als 2% gegeben ist, kann die Arbeitslosigkeit dauerhaft reduziert werden. Also ist aus Sicht der Arbeitnehmervertreter erst dann die Krise wirklich bewältigt. Das wäre in Österreich frühestens 2013 der Fall.

Aber dann kam mit der Griechenlandkrise die Sparwut
Nun ist es jedoch so, dass in Folge der Griechenlandkrise und der größeren Budgetprobleme von Portugal, Spanien und Italien die neoliberale Propaganda die Angst vor der Überschuldung der europäischen Staaten schürt. Vor allem in den konservativ (mit)regierten Staaten grasiert seitdem das Sparfieber. Schon 2011 soll deshalb mit dem Sparen begonnen werden, um schnellstmöglich wieder die Maastrichtgrenzen von 3% Neuverschuldung und 60% Gesamtverschuldung einzuhalten. Deutschland beispielsweise  hat, obwohl das Land vor der Krise budgetär gut dastand und auch in der Krisebekämpfung keine große Schuldenlast aufgebaut hat, ein 80 Milliarden Euro Sparpaket beschlossen, das in jedem Fall sich auch auf die anderen Eu-Staaten konjunkturschwächend auswirken wird.

Auch der österreichische Finanzminister mischt hier kräftig mit: Er möchte bis 2013 das Ziel von 2,7% Neuverschuldung erreichen. Dazu soll zu 60% bei den Ausgaben eingespart werden und 40% sollen über zusätzliche Einnahmen ins Budget fließen. Der Rahmen für die Einsparungen wurde im Parlament bereits fixiert, die genauen Festlegungen erfolgen dann im Herbst. Bei den zusätzlichen Einnahmen bestehen zwischen den Regierungsparteien sehr unterschiedliche Vorstellungen: Während die ÖVP unter dem Titel „ökologische Steuerreform“ auf Massensteuern setzt, will die SPÖ mit vermögensbezogenen Steuern jene verstärkt zur Kasse bitten, die in den letzten 20 Jahren von Steuererleichterungen besonders profitiert hatten: die Vermögenden. Auf die sehr konträren Ansätze bei den Einnahmen möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, obwohl natürlich auch diese sehr unterschiedliche Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum hätten.

Die fatalen Folgen des Sparens
An dieser Stelle werde ich mich vielmehr auf die Sparpläne und deren makroökonomischen Folgen konzentrieren. Wenn nun die Regierungen die Sparpakete, die überall in Europa für 2011 geschnürt werden, in die Tat umsetzen, um die durch die Krisenbekämpfung gestiegenen Budgetdefizite schnellstmöglich abzubauen, dann wird dies das zarte Pflänzchen Konjunktur in Europa ersticken. Vor allem im Falle von Österreich ist ein solches Sparprogramm ganz sicher nicht notwendig, da die Verschuldung keine Bedrohung darstellt. Budgetdefizite steigen nach einer Wirtschaftskrise durch die notwendigen Konjunkturbelebungsmaßnahmen stets an: der Staat gibt mehr aus, um die fehlende Investitionstätigkeit der Unternehmen auszugleichen und die sozialen Folgen der Krise durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen abzuferdern. Wenn sich die Wirtschaft nach einigen Jahren nachhaltig erholt hat, d.h. wenn die Wirtschaft wieder stetig um mehr als 2% wächst, lässt sich das aufgebaute Defizit durch die steuerlichen Mehreinnahmen, die eine Hochkonjunktur mit sich bringt, ohne Probleme wieder reduzieren – wie es auch früher immer wieder gemacht wurde. Wird dieser Konjunkturaufschwung jedoch durch staatliche Sparmaßnahmen und eine inflationsphobische Reaktion der europäischen Notenbank abgewürgt, bevor er sich stabilisiert hat, dann ist das Wirtschaftswachstum für viele Jahre mehr als gefährdet. Vielmehr ist damit eine langwierige Rezession und die nächste Krise vorprogrammiert.

Deshalb müssen alle vernünftigen Kräfte europaweit in einer gemeinsamen Aktion diese um sich greifende Sparwut verhindern und dafür sorgen, dass die konjunkturbelebenden Maßnahmen so lange fortgesetzt werden, wie die Folgen der Krise auf dem Arbeitsmarkt noch spürbar sind.


Bernhard Felderers Kritik an den Steuerplänen der Regierung

17. April 2010

Der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) und  Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, hat am letzen Donnerstag die Steuerpläne der Regierungsparteien einer Kritik unterzogen. Sein Resümee lautet: Die derzeit diskutierten Steuererhöhungen können dem Budget zwar kurz Luft verschaffen, sanieren lässt sich der Staatshaushalt damit aber nicht. Seine Voraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung des Budgets: diese müsse in der Realität zumindest zu zwei Dritteln auf der Ausgabenseite, also durch Einsparungen, erfolgen. Die bisher diskutierten Steuervorschläge würden nach Berechnungen des IHS entweder viel zu wenig bringen oder das Wachstum zu stark bremsen.

Wie ist diese Einschätzung zu beurteilen? Dass die Sanierung zumindest zu zwei Dritteln auf der Ausgabenseite zu erfolgen habe, ist finanzpolitischer Fundamentalismus und wissenschaftlich nicht untermauert. Außerdem haben sich die Regierungsparteien darauf festgelegt, dass sie zu 60 Prozent bei den Ausgaben einsparen. Damit sind sie vom Wert Felderers nicht weit entfernt.

Die Steuerpläne der ÖVP:

Bei dem Vorwurf, die Steuerpläne der Regierungsparteien würden das Wachstum bremsen, ist zu differenzieren. Bei den Plänen von Finanzminister Josef Pröll und der ÖVP – einer „ökologischen Steuerreform“ -, die de facto auf eine Erhöhung der Treibstoff- und Heizkosten hinausläuft, ist ihm beizupflichten. Die höhere Abgaben auf Treibstoffe und Heizöl würde zu rund einem Drittel Private treffen (wo sie den Konsum abbremst) und zu zwei Dritteln die Wirtschaft, wo sie das Wachstum verlangsamt. Über diese Effekte würde das Steueraufkommen in anderen Bereichen gedrückt. Hinsichtlich des Effektes hat also Felderer sicher recht, wenn auch die genaue Höhe dieser Auswirkung nur schwer einzuschätzen ist, sodass seinen konkreten Zahlen nicht unbedingt zu trauen ist (bis zum zehnten Jahr würde die Steuer über diesen Effekt netto nur noch die Hälfte bringen; aber bis dahin würde die Steuer das Wirtschaftswachstum um 0,3Prozentpunkte dämpfen).

Die Steuerpläne der SPÖ:

Ganz anders sieht es bei den Steuerplänen der SPÖ aus, die Werner Faymann präsentiert hat. Felderer stellt den Nutzen von Bankenabgabe, Änderung bei der Stiftungsbesteuerung und Vermögenssteuern in Frage.

Zur Bankenabgabe:

Hier glaubt der IHS-Chef nicht an großartige Einnahmen. Bei der Bankensteuer hat sich die Regierung zwar bereits auf ein Aufkommen von 500 Mio. Euro im Jahr festgelegt. Nicht bedacht habe man dabei aber, dass die Banken „noch nicht dort sind, wo sie sein sollten“. Anders gesagt: Sie werden „noch sehr viel Kapital benötigen“ und haben deshalb nur eingeschränkte Melkkuh-Eignung. Es stimmt zwar, dass die österreichischen Banken große Probleme mit ihren Aktivitäten in Ost- und Südosteuropa haben. Nichtsdestotrotz schreiben die meisten von ihnen schon wieder gute Gewinne, die sie sehr wohl in die Lage versetzen, sich eine Bankenabgabe zu leisten und so Steuermehreinnahmen von 500 Millionen Euro im Jahr zu finanzieren.

Zur Stiftungsbesteuerung:

Die vom damaligen SP-Finanzminister Ferdinand Lacina in den Neunzigerjahren eingeführte Privatstiftung solle der Kapitalflucht entgegenzuwirken. Felderer hält es deshalb für nicht besonders schlau (und für den Staatssäckel auch nicht besonders ertragreich), diesen Prozess ohne Aussicht auf allzu große Staatseinnahmen umzukehren. Außerdem sieht er sogar die Gefahr eines Verfassungsbruchs: Die angedachte Erhöhung der Stiftungssteuern laufe dem Versprechen des Staates an rund 3300 Stiftungen zuwider. Zudem sei die niedrige Steuer nur eine Stundung: Bei Entnahme würden nochmals 12,5 Prozent Steuern fällig, mit den bei Stiftungsgründung bezahlten 12,5 Prozent entspreche das der Kapitalertragssteuer.

Zu diesem wahren Gruselkabinett an abstrusen Behauptungen rund um die Stiftungsbesteuerung ist einiges zu bemerken: 1. Die Angst vor der Kapitalflucht ist in diesem Zusammenhang stark übertrieben. Klarerweise ist Kapital sehr beweglich und kann blitzschnell außer Landes transferiert werden. Wahr ist aber auch, dass Kapitaleigner nicht nur auf die Höhe der Besteuerung schauen, sondern auch Wert auf die Sicherheit und die Lebensqualität eines Landes achtet. Und in dieser Hinsicht hat ihnen Österreich sehr viel zu bieten. 2. Was nützt es den anderen Menschen in einem Land, wenn Kapital im Lande verbleibt, es jedoch nicht angemessen besteuert wird, damit alle über Sozialtransfers davon profitieren können. 3. Die Verfassungskonformität einer Änderung bei der Stiftungsbesteuerung müssen die Verfassungsjuristen beurteilen. Eine Verfassungswidrigkeit ist aber sehr unwahrscheinlich. Denn sonst wären auch alle anderen Änderung bei den Steuern oder Pensionen nach dem gleichen Grundsatz nicht verfassungskonform. 4. Bei Felderers Vergleich zwischen Stiftungsbesteuerung und Kapitalertragssteuer auf Spareinlagen wird ein wichtiger Unterschied verschwiegen: Bei der KESt auf normale Spareinlagen sind 25% von den jährlichen Zinseinnahmen fällig. Bei den Privatstiftungen sind nur 12,5% von den Gewinnzuwächsen zu entrichten. Und bei der Ausschüttung der Gewinne an Begünstige sind einmalig (sic!) 25% zu entrichten.

Zur Vermögenssteuer:

Die Argumentation, höhere Vermögenssteuern seien ein Akt der Verteilungsgerechtigkeit und würden für eine gerechtere Verteilung des Volkseinkommens sorgen, hält Felderer für schlicht falsch: Aus dem europäischen Vergleich der vermögensbezogenen Steuern und des sogenannten Gini-Koeffizienten (der die Gleichmäßigkeit der Verteilung misst) lasse sich das jedenfalls nicht ablesen. Die Belastung mit vermögensbezogenen Steuern sei in den Niederlanden beispielsweise fast viermal so hoch wie in Österreich. Die Einkommensverteilung ist in den beiden Ländern aber annähernd gleich. Frankreich hat eine extrem hohe Belastung mit vermögensbezogenen Steuern – aber eine Einkommensverteilung, die sich nur unwesentlich von der österreichischen unterscheidet. Fazit des IHS-Chefs daher: Verteilungsgerechtigkeit erreicht man nicht mit Vermögenssteuern, sondern mit Transfers. Und das funktioniere in Österreich ohnehin gut. Felderer: „Die österreichische Umverteilung ist relativ wirksam, weil sie von ganz oben nach ganz unten verteilt.“

Einzig Grundsteuern hält Felderer deshalb für steuertechnisch sinnvoll. Sie ist die einzige Vermögenssteuer, die Sinn ergäbe, weil sich Immobilien eben nicht ins Ausland verlagern lassen. Aber: Entweder man setzt sie sehr hoch an und trifft damit „Häuslbauer“, Wohnungsbesitzer und Mieter sehr hart. Dann ist sie politisch nicht durchzusetzen. Oder man macht großzügige Ausnahmen für die Kleinen, dann bringt sie nicht viel.

Zu Felderers Analysen ist zu bemerken: 1. Dass der GINI-Koeffizient keinen Hinweis auf eine bessere Verteilungsgerechtigkeit durch höhere vermögensbezogene Steuern liefert, ist kein eindeutiges Indiz, da in der Volkswirtschaft ja bekannt ist, dass dieser Wert keine absolute Wertung der Konzentration der Verteilung liefert, wenn sich die Einkommensverteilung innerhalb der Segmente unterschiedlich entwickelt. 2. Dass Umverteilung durch Transfers erreicht werden kann, dem ist beizupflichten. Aber es ist zu ergänzen, dass der Staat  dazu Einnahmen braucht, die er auf diese Weise gerecht umverteilen kann. Vermögensbezoge Steuern und Vermögenssteuer sind eine höchst geeignete Quelle, um diese Transfers pekuniär zu füttern. 3. Dass der Mittelstand von Vermögenssteuern in Mitleidenschaft gezogen werden muss (auch in Form von Grundsteuern), damit sich diese rechnen, ist eine beliebte Mär der Kritiker von Vermögensteuern – und falsch. Das Vermögenssteuermodell der GPA-djp zeigt, dass auch mit Freibeträgen von 1 Million Euro – was den Mittelstand in jedem Falle vor Belastungen schützen würde – Mehreinnahmen von 3 Milliarden Euro im Jahre möglich sind.


Worauf die Sozialdemokratie dringend eine Antwort finden muss

22. September 2009

MarxAm Sonntag hat die Sozialdemokratie in Österreich im kleinsten Bundesland Vorarlberg eine schmerzlich Niederlage hinnehmen müssen. Nur noch rund 10% der Wähler gaben ihr die Stimme. Damit drohr ihr sogar der Rückfall an die vierte Stelle. Am 27. September finden in Deutschland Bundestagswahlen statt. Die Aussichten der Sozialdemokratie sind sehr ernüchternd. Es droht eine schwere Niederlage und ein deutlicher Abstand zur CDU/CSU. Und wenn sich die Befürchtungen bewahrheiten, dann steht der Sozialdemokratie die Opposition ins Haus, da CDU/CSU wahrscheinlich eine Koalition mit den Liberaldemokraten eingehen.

Diese sehr schwierige Zeit sollte die Sozialdemokratie dafür nützen, um eine Antwort darauf zu finden, wen und wie sie in Zukunft dazu bewegen will, sie zu wählen. Eines ist jedenfalls gewiss, der dritte Weg, New Labour und der Kuschelkurs des es-allen-recht-machen ist gescheitert. Aber bevor wir eine Lösung aufblitzen lassen, blicken wir in die Geschichte zurück. Seit der Abkehr der Sozialdemokratie vom orthodoxen Marxismus stellt sich ihr die Herausforderung, die Menschen für ihr Programm zu mobilisieren. Der orthodoxe Marxismus vertrat zuvor ja einen historischen Determinismus, der von der Grundthese ausging, dass der Natur des Kapitalismus notwendig der eigene Untergang innewohnte: die Arbeiterbewegung musste nur darauf warten, dass dieser Moment eintrat, um die historische Rolle des Proletariats wahrzunehmen. Solange diese Geschichtsteleologie vorherrscht, benötigt die Sozialdemokratie kein wirkliches politisches Konzept der Wählermobilisierung, da der Sozialismus nicht durch demokratische Überzeugungsarbeit, sondern aufgrund einer historischen Notwendigkeit verwirklicht wird.

KautskySobald die Sozialdemokratie mit dem Revisionismus diesen Geschichtsdeterminismus und die damit verbundene Vorstellung einer unumgänglichen revolutionären Umwälzung ablegt und sich dem demokratischen Paradigma verpflichtet, kann sie sich nicht darauf verlassen, dass die Masse der Werktätigen uneingeschränkt hinter ihr steht und ihr in freien, gleichen und allgemeinen Wahlen die Macht sichert. Während der kapitalistisch orientierte Bürgerstaat im 19. Jahrhundert die Machtübernahme der Sozialisten durch seltsame Konstruktionen eines Kurienwahlrechts verhindert, ist es im 20. Jahrhundert zunächst der Nationalismus und Faschismus, der die internationale Einheit der Arbeiterbewegung im Kampf gegen das vom Kapitalismus profitierende Bürgertum verhindert. Und seit Mitte des 20. Jahrhunderts entfaltet der Kapitalismus ein immer größeres Geschick in der sozialen Fragmentierung der Menschen. Dies führt dazu, dass die Werktätigen sich nicht mehr als eine Klasse empfinden, die ein gemeinsames Interesse durch den Gegensatz zu den Produktionsmitteleignern und Finanzkapitaleignern einigt. Besonders durch die Medien, die heute fast ausschließlich im Besitz von riesigen Konzernen sind, wird sichergestellt, dass dieses Bewusstsein eines gemeinsamen Interesses aller Werktätigen nicht mehr entstehen kann.

BernsteinDa die Sozialdemokratie praktisch über keine Medienmacht mehr verfügt, um dieses Bewusstsein zu befördern, resigniert sie vor der Fragmentierung und versucht, alle sozialen Schichten anzusprechen. Außerdem gibt sie mit dem dritten Weg und New Labour den Kampf gegen die kapitalistische Dominanz in Form der neoliberalen Meinungsführerschaft auf. Sie beschränkt sich lediglich darauf, da und dort die Folgen des globalisierten Kapitalismus zu mildern. Nach anfänglichen Erfolgen in Großbritannien und Deutschland tritt schon bald Enttäuschung bei ihren Wählern ein. Und nun befindet sich die Sozialdemokratie in einer schweren Krise, weil sie mit dem dritten Weg den Werktätigkeiten keine wirkliche Identifikation anzubieten hat. Sie hat zwar jeder Wählergruppe in ihrem Programm etwas anzubieten. Aber nichts davon ist überzeugend genug, um eine deutliche Mehrheit der Wähler zu überzeugen: Den willfährigen Ausführungsgehilfen der neoliberalen Ideologie stellen die konservativen Volksparteien überzeugender dar. Und die Enttäuschung jener, die im entfesselten Turbokapitalismus unter die Räder kommen, kann der Rechtspopulismus wesentlich besser politisch ausschlachten. Und jene, die eine soziale und ökologische Erneuerung wünschen, finden ihren Heimat eher bei den Grünen oder Bewegungen, die links der Sozialdemokratie angesiedelt sind.

Wenn die Sozialdemokratie also nicht bald eine Antwort darauf findet, wie sie die Interessen der Werktätigkeiten national und auf europäischer Ebene vertreten kann – und wie sie allen Werktätigkeiten ein Bewusstsein von einer gemeinsamen Interessenlage vermittelt kann, dann wird sie demnächst in die dritte Reihe der politischen Bühne zurücktreten müssen!


Die Schwächen der gegenwärtigen Sozialdemokratie

2. September 2009

faymann

Auch wenn die Sozialdemokratie in zahlreichen Ländern der EU in der Regierung vertreten ist, so gibt sie dort selten den Ton an. Die gegenwärtige Sozialdemokratie ist von einer manifesten Schwäche ihrer Durchsetzungskraft geprägt. Woran liegt das?

Es allen recht machen

Das beginnt schon bei der Ausrichtung der Wahlwerbung und der Programmatik. Die Parteiprogramme und die Wahlkämpfe der Sozialdemokraten möchten alle Bevölkerungsschichten ansprechen und niemanden vor den Kopf stoßen. Aber dadurch spricht sie nur noch einen Teil jener an, deren Interessen sie eigentlich vertreten sollte. Neben den Arbeitern und Angestellten und niederen Beamten soll sie auch für Bauern, Gewerbetreibende, leitende Angestellte, Akademiker und Unternehmer wählbar sein. Der Preis für diesen Versuch, es allen recht machen zu wollen, ist, dass immer weniger Menschen aus der Kernwählerschaft angesprochen werden. Und somit müssen sozialdemokratische Parteien schon froh sein, wenn sie bei den Wahlen ein Ergebnis von knapp über 30% erzielen. Und dabei ist diese Strategie völlig unverständlich. Würde die Sozialdemokratie nämlich die große Mehrheit der unselbstständig Beschäftigten gewinnen, dann wäre sie auch heute noch der überlegene Wahlsieger und selbst die Absolute nicht ausgeschlossen. Es wäre daher wesentlich zielführender auf die Stimme bestimmter Bevölkerungsgruppen zu verzichten, aber dafür dort zu punkten, wo eine sozialdemokratische Politik ihre programmatische Heimat hat. Aber die Sozialdemokratie überlässt immer größere Teile ihrer Kernwählerschaft dem Rechtspopulismus, der diesen Menschen zwar keine Lösungen zu bieten hat, aber ihren Frust und ihre Enttäuschung kanalisiert. Das ist nicht nur verhängnisvoll für die Sozialdemokratie, sondern auch für unsere Gesellschaft und ihr demokratisches Grundverständnis gefährlich.

steinbrueckHarmonie statt Hegemonie

In Folge dieser generellen Harmoniebedürftigkeit ist die Sozialdemokratie in ihrer politischen Praxis sowohl auf parlamentarischer Ebene als auch in der Regierungstätigkeit allzu zu sehr auf Konsens aus. Sie verkennt dabei, dass der Koalitionspartner nicht nur Partner, sondern auch der Vertreter eines grundlegenden Interessengegensatzes sein kann, der die Möglichkeit des harmonischen Miteinanders streng limitiert. Zwar verlangt die Zusammenarbeit auf dieser Ebene stets Kompromissbereitschaft. Aber es darf dabei nicht übersehen werden, wo der Kompromiss zum Verrat an den eigenen Werten wird. In dieser Hinsicht hat die Sozialdemokratie gegenüber den Konservativen seit Längerem das Nachsehen. Die Sozialdemokratie ist deshalb gefordert, die politische Hegemonie bei ihrer Regierungsarbeit anzustreben und diesen Anspruch auch den Wählern überzeugend zu vermitteln.

brownKein gesunder Machiavellismus

Das dies zur Zeit nicht gelingt, liegt auch daran, dass die Konservativen – die diesen Namen übrigens gar nicht mehr verdienen, da sie keine Werte mehr verteidigen, sondern den Neoliberalismus ungezähmt gewähren lassen – im Unterschied zu den Sozialdemokraten ihr Gefallen an der Macht zelebrieren. Die Konservativen punkten heute bei den Wählern weniger mit den Werten, die sie verteidigen, sondern vielmehr durch die masochistische Lust, die bei den Wählern durch diesen Triumph der reinen Macht hervorgerufen wird. Die Sozialdemokratie ist also dazu aufgerufen, endlich wieder den Ort der Macht positiv zu besetzen, indem sie Macht nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Verwirklichung des Guten anstrebt. Unter dieser Voraussetzung sollte sie auch wieder überzeugender einen gesunden Machiavellismus zur Schau stellen. Dazu ist es allerdings notwendig, strategische Spielräume offen zu haben. Am Beispiel Österreich kann man aber sehen, dass die Sozialdemokratie mit ihrem kategorischen Nein zur Zusammenarbeit mit dem Rechtspopulismus zwar moralisch punktet, aber sich taktisch gegenüber der konservativen Volkspartei vollkommen in die Defensive manövriert.

Deshalb ist es höchst an der Zeit, dass die Sozialdemokratie wieder zu ihrer Stärke zurückfindet, Macht im Interesse der ArbeitnehmerInnen wahrzunehmen!