Österreichs Millionäre werden mehr – ihre Abgaben bisher nicht

5. Juni 2011

Wie der Kurier in seiner Ausgabe vom 1. Juni 2011 berichtet hat, gehört  die österreichische Volkswirtschaft nicht nur zu den reichsten der Welt, die Alpenrepublik beherbergt auch überproportional viele Superreiche – auf je hunderttausend österreichische Haushalte kommen statistisch gesehen acht Haushalte, die ein Vermögen von mehr als 100 Mio. Dollar besitzen. Dies entspricht umgerechnet 69,5 Mio. Euro. Damit befindet sich Österreich in Sachen Millionärsdichte an weltweit fünfter Stelle und wird dabei nur von ölreichen Staaten und Finanzzentren abgehängt (Saudi-Arabien, Schweiz, Hongkong, Kuwait). Dies geht aus dem 31. Mai 2011 publizierten aktuellen „Global Wealth Report“ der Boston Consulting Group (BCG) hervor.

Insgesamt verfügen 297 der 3,5 Millionen österreichische Haushalte über ein verwaltetes Vermögen von mehr als 100 Mio. Dollar. Weniger reich gesegnet ist die Alpenrepublik laut dieser Statistik mit einfachen Millionären – sie taucht im weltweiten Ranking der einfachen Millionärshaushalte nicht unter den ersten 15 auf. In Österreich gab es 2010 rund 37.000 Dollar-Millionäre. Die anteilsmäßig meisten (Dollar-) Millionäre gibt es in Singapur, wo 15,5 Prozent aller Haushalte über ein Vermögen von mehr als 1 Mio. Dollar (695.000 Euro) verfügen. In der Schweiz gehören 10 Prozent der Bevölkerung zu diesem „Club“. In Österreich belief sich das insgesamt verwaltete Vermögen von Privatanlegern 2010 auf 656 Mrd. US-Dollar (486 Mrd. Euro), was einem Zuwachs von rund 7 Prozent entspricht.

Ursache für das Wachstum des Reichtums war vor allem die gute Entwicklung der Finanzmärkte, die durch die kontinuierliche Umverteilung der Anlageformen verstärkt wurde, berichtet die BCG in ihrem Reichtumsbericht 2011. So stieg von Ende 2008 bis Ende 2010 der Anteil der in Aktien angelegten Vermögenswerte von 29 auf 35 Prozent. „Während der Krise setzten die Anleger vor allem auf Bargeld“, erläutert BCG-Expertin Ludger Kübel-Sorger. „Inzwischen haben die Kunden aber ihre Gelder wieder in risikoreichere Anlagen umgeschichtet.“

Weltweit sind die Vermögenswerte von Privatanlegern im vergangenen Jahr um acht Prozent auf rund 122 Billionen (122.000 Mrd.) US-Dollar gewachsen und lagen damit um 20 Billionen über dem Wert, der Ende 2008 während des Tiefpunktes der Finanzkrise erreicht wurde. Trotz der Finanzkrise war das globale Vermögen 2009 freilich noch schneller (10,3 Prozent) gewachsen. Bis 2015 wird es um jährlich „nur mehr“ sechs Prozent zunehmen – vor allem getrieben durch die Entwicklung der Kapitalmärkte und das weltweite BIP-Wachstum, schreibt BCG. Dabei werden die Vermögenswerte in den Emerging Markets am stärksten zulegen. Schon im vergangenen Jahr sind die Vermögenswerte in der Region Asien-Pazifik (exkl. Japan) mit einem Plus von 17,1 Prozent am stärksten gewachsen.

Der Reichtum ist jedoch ziemlich ungleich verteilt: Millionärs-Haushalte machen weltweit zwar weniger als 1 Prozent aller Haushalte aus, ihnen gehören aber 39 Prozent des weltweiten Vermögens. Die Zahl der Dollar-Millionärshaushalte beträgt weltweit rund 12,5 Millionen. Die meisten von ihnen wohnen in den USA (5,2 Millionen), gefolgt von Japan (1,5 Millionen), China (1,1 Millionen) und Großbritannien (570.000).

Daher fordern ÖGB und Arbeiterkammer seit Jahren einen höheren Beitrag der Reichen in Österreich zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben des Staates und zur Entlastung des Faktors Arbeit – wie zuletzt ÖGB-Präsident Erich Foglar in der ORF-Pressestunde. Der SPÖ Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter hat sich im Anschluss an den Reichtumsreport diesen Forderungen nun entschieden angeschlossen. In einer Aussendung am 3. Juni 2011 forderte er einen gesellschaftspolitischen Grundkonsens darüber, dass Vermögende einen größeren Beitrag zur Stabilität des Staatshaushaltes zu leisten haben. „Reichtum, Vermögen und Grundbesitz sind nicht nur einseitig verteilt, die Kluft zwischen arm und reich vergrößert sich Jahr für Jahr“, sagte er. Es sei aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit unerlässlich, dass die bereits 37.000 heimischen Dollarmillionäre, davon fast 300 Superreiche mit einem verwalteten Vermögen von jeweils mehr als 100 Millionen Dollar, über einen gerechten Beitrag zur Kasse gebeten werden, sagte Kräuter weiter.

Der SPÖ Bundesgeschäftsführer rechnete zur Erklärung nämlich vor: In Österreich kommen nur 1,4 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus vermögensbezogenen Steuern, in der EU sind dies 5,4 Prozent. Bei einer Anpassung an diesen Durchschnittswert würden vier Milliarden Euro jährlich zusätzlich für Bildungsinvestitionen, Gesundheitsaufgaben und zur Entlastung der wirklichen Leistungsträger zur Verfügung stehen.

Kräuter schloss seine Aussendung deshalb mit den Worten: „Letztendlich liegt sozialer Friede und gesellschaftspolitische Balance nicht nur im Interesse der hart arbeitenden Durchschnittsbevölkerung, es kommen Stabilität und sichere Rahmenbedingungen auch den Besitzenden und Vermögenden zugute. Daher sollte ein Grundkonsens für mehr Gerechtigkeit in Verteilungsfragen und eine höhere Besteuerung der Millionenvermögen in Österreich möglich sein.“ Da können wir ihm nur vollkommen beipflichten und darauf hoffen, dass die SPÖ diese Forderung endlich auch in der Koalition mit der Volkspartei durchsetzen kann. Die Chancen dafür sind freilich nicht allzu groß.


Unsachliche Panikmache des IHS bei den Pensionen

21. Februar 2011

Am 17. Februar 2011 sind IHS-Chef Bernhard Felderer und der Pensionsexperte des Instituts für Höhere Studien Ulrich Schuh an die Öffentlichkeit gegangen, um ihre neuesten Daten zur Entwicklung der Pensionen zu präsentieren. Das IHS erstellt ja gemeinsam mit dem WIFO die Prognosen für die Pensionskommission. Die bereits im November vorgelegten Berechnungen – die einen massiven Anstieg der staatlichen Ausgaben auswiesen – wurden aber von Teilen der Kommission und vom Sozialministerium bezweifelt, weshalb die Kommission ihre Empfehlungen auf das heurige Frühjahr verschoben hat. Nun haben IHS und WIFO neuerlich gerechnet. Am Resultat habe sich nichts grundlegend geändert, betonte Schuh neuerlich. Hinsichtlich der derzeitigen Situation kommt das IHS zu dem schon bekannten Ergebnis: Der durchschnittliche Österreicher ist 2009 mit 59 Jahren, die durchschnittliche Österreicherin mit 57 in Pension gegangen. Allerdings interpretieren das IHS diese Zahlen anders als das Sozialministerium, das einen leichten Anstieg des faktischen Antrittsalters konstatiert. Die Zahlen zeigten nämlich, so Felderer und Ulrich Schuh, dass die Pensionsreform 2003 ihr Ziel, Menschen länger im Erwerb zu halten, verfehlt habe.

Noch erschreckender sei, wenn man auf das Jahr 2020 vorausblicke. Denn dabei offenbare sich eine „tickende Zeitbombe“. Bis dahin werde die Zahl der 55- bis 65-Jährigen nämlich von einer Million auf 1,3 Millionen angestiegen sein. Ohne Gegensteuern würden angesichts der weiter steigenden Lebenserwartung die Ausgaben der Pensionsversicherung von 11,2 Prozent des BIP im Jahr 2009 auf nahezu 15 Prozent bis 2050 ansteigen, der Zuschuss des Bundes werde sich von 2,8 auf rund sechs Prozent mehr als verdoppeln. Das ist wesentlich mehr als im Referenzszenario aus 2004: Die Gesamtausgaben liegen in den neuen Berechnungen für 2050 um vier Prozentpunkte, der Bundesanteil um drei Prozentpunkte höher. Das wäre, so führt Felderer weiter aus, weder für die PVA noch für den Bund „mehr zu finanzieren“.

Der Schlüssel, um dieser Problematik Herr zu werden, ergänzt Schuh, liege in der Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters, dort gelte es „Schlupflöcher“ zu schließen. Die mittlerweile verschärfte Hacklerregelung, der im Vorjahr 80.700 Österreicher die vorzeitige und abschlagsfreie Pension verdankten, sei „schleunigst“ abzuschaffen, ebenso wie die – nur von 2151 Personen in Anspruch genommene – Schwerarbeiterregel. Sehr viel verspricht  sich das IHS davon, die Invaliditätsrente, die im Vorjahr fast ein Drittel aller Neuzugänge ausgemacht hat, aus dem Pensionssystem herauszunehmen. Vorbilder dafür gebe es in Skandinavien, wo Betroffene im Arbeitsmarkt gehalten und für zumutbare Jobs umgeschult würden.

An den Ergebnissen von Felderer und Schuh ist vielfältig Kritik zu üben. So ist erstens der Arbeiterkammer  und dem ÖGB darin Recht zu geben, dass das IHS viel zu pessimistische Prognosen stellt und daraus abgeleitete langfristige Empfehlungen abgibt: „Offenbar hat das IHS zwar neue Berechnungen durchgeführt, geht aber trotzdem immer noch von den alten Ergebnissen und den alten viel zu pessimistischen Berechnungen aus“, kritisiert daher Alice Kundtner, Bereichsleiterin für Soziales in der AK Wien, „und das, obwohl mittlerweile auch wieder die aktuelle WIFO-Mittelfristprognose vom Jänner bestätigt, dass sich die Wirtschaft deutlich schneller erholt hat als noch im Langfristgutachten angenommen wurde.“ Nach Schätzungen der AK ergeben sich auf Basis der WIFO-Prognose allein im Bereich der Pensionsversicherung der Unselbständigen 2015 um rund 760 Millionen Euro niedrigere Bundesbeiträge als in der Mittelfristprognose vom Oktober 2010, weil die Beitragseinnahmen deutlich stärker steigen. Umso unverständlicher sei es daher, dass das IHS trotzdem an seinem pessimistischen Langfristszenario vom September des Vorjahres festhält. Skandalös ist es schon, dass daraus Empfehlungen für die die nächsten 50 Jahre gegeben werden. „Es ist einfach unsinnig, auf Basis von höchst unsicheren Szenarien politische Empfehlungen für eine mechanische und sofortige Aufteilung von ,Mehrkosten‘ für einen Zeitraum von 50 Jahren abzugeben. Das ist keine sinnvolle und vor allem keine verantwortungsvolle Pensionspolitik, sondern verunsichert die Bevölkerung, unterminiert das Vertrauen in die Politik und in das Pensionssystem nur noch mehr“, sagt daher völlig zu Recht Kundtner.

Zweitens ist dem IHS vorzuhalten, dass bei der Darstellung der Bundesmittel zur gesetzlichen Alterssicherung die Bundesbeamtenversorgung verschwiegen wird. Bezieht man diese nämlich in die Rechnung ein, dann steigt der Anteil der Bundesmittel wesentlich geringer. Deshalb hat  Karl Blecha, der Präsident des Pensionistenverbands, richtigerweise eingefordert, „dass bei der Beurteilung über die langfristige Sicherung der Pensionen auch der öffentliche Dienst einbezogen wird.“ Blecha moniert in berechtigter Weise, dass sich das IHS nur auf den langfristig steigenden Aufwand in der gesetzlichen Pensionsversicherung bezieht und der langfristig sinkende Aufwand bei den Pensionen im Öffentlichen Sektor unberücksichtigt bleibt.

Drittens ist dem IHS ein für ein Wissenschaftsinstitut überaus befremdlicher Umgang mit Fakten vorzuwerfen. So wird vom IHS beklagt, dass die Pensionsversicherung in Zukunft teurer wird als heute. Diese Feststellung ist nämlich gelinde gesagt trivial, zumal die Zahl der Pensionisten um 1,3 Millionen zunehmen wird. Will man nicht, dass die Älteren in die Armut getrieben werden, sind höhere Ausgaben unvermeidlich, wozu sich eine solidarische Gesellschaft auch bekennen sollte. Diese notwendigen Mehrausgaben jedoch als „tickende Zeitbombe“ zu bezeichnen, ist eine grobe Verunglimpfung jener älteren Menschen, die nach jahrzehntelanger Erwerbstätigkeit einen existenzsichernden Pensionsanspruch erworben haben.

Viertens zeigt eine Studie der AK außerdem, dass bei den von den Reformen betroffenen Altersgruppen das faktische Antrittsalter bei Männern und Frauen von 1999 auf 2009 sehr wohl um 1,3 Jahre angestiegen ist, während das IHS von einem Sinken spricht. Gemäß Budgetbegleitgesetz läuft die Langzeitversichertenregelung im Sinne eines vorzeitigen Pensionsantritts völlig aus. Abgesehen von der Schwerarbeitspension gibt es damit bereits in wenigen Jahren für Frauen keine Möglichkeit mehr vor dem 60 Lebensjahr in eine Alterspension zu gehen, für Männer keine mehr vor dem 62. Lebensjahr.  Im Bereich der Invalididtäts-Pensionen wiederum wurde mit dem verpflichtenden Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“, der Gesundheitsstraße und „fit2work“ substantielle Maßnahmen beschlossen, die einen Beitrag zur Anheben des faktischen Pensionsalters leisten werden. Eine Entwertung dieser Reformen – bevor diese überhaupt zu wirken begonnen haben – ist nicht nachvollziehbar. Die Zahl der Invaliditätspensionen ist seit zehn Jahren im Wesentlichen unverändert geblieben. Österreich liegt mit den Ausgaben für diese Pensionsart im europäischen Durchschnitt.

Richtig ist freilich, dass im Bereich der Invaliditäts-Pensionen Handlungsbedarf besteht, weil es nicht hinzunehmen ist, dass immer jüngere Menschen wegen psychischer Erkrankungen in Pension gehen müssen. Prävention zur Vermeidung von Invalidität sollte flächendeckend umgesetzt werden. Hier ist aber auch bei der Wirtschaft anzusetzen. Denn das Verhalten der Dienstgeber, Kranke und ältere Mitarbeiter so früh wie möglich zu kündigen, muss sich grundlegend ändern. Es kann nicht hingenommen werden, dass Unternehmen hier ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen, sondern die Kosten auf die Allgemeinheit überwälzen.

Das betont auch der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz. Wer wolle, dass die Menschen später in Pension gehen, muss zuerst dafür sorgen, dass sie auch länger arbeiten können. Das heißt: Arbeitsplätze schaffen, und die Arbeitsplätze so gestalten, dass die Menschen auch arbeitsfähig bleiben und nicht aus Gesundheitsgründen vorzeitig in Pension gehen müssen. Die Wirtschaft müsse auch älteren ArbeiterInnen und Angestellten eine Chance geben und diese nicht bei erstbester Gelegenheit durch jüngere ersetzen. Der ÖGB fordert daher zur Sicherung der Pensionen:

– Sicherung des Umlage-Pensionssystems

– Gerechtes System für alle Pensionsarten: gleiche Beiträge für alle

– unbefristete Regelung für Menschen, die 45 bzw. 40 Jahre Beiträge geleistet haben

– Verbesserung der Schwerarbeitspension

– Arbeitslosengeld bis zum Regelpensionsalter, statt vorzeitigen Pensionsantritt ermöglichen

– Pensionskassen: garantierter Mindestertrag

– Wahl- und Wechselmöglichkeit zwischen Pensionskassen

In eine ähnliche Richtung geht auch der sozialdemokratische Pensionistenverband. Karl Blecha fordert nämlich: „Ein uneingeschränktes Ja zu einem Heranführen des faktischen an das gesetzliche Pensionsalter. Aber da muss die Wirtschaft mitspielen. Denn auch die Unternehmen nützen die ‚Schlupflöcher‘ des Pensionssystems. So ist es gängige Praxis, dass ältere Beschäftigte in die Pension gedrängt werden oder ihnen mit Golden-Handshake-Programmen das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben schmackhaft gemacht wird. Dabei ist auch der öffentliche Sektor ein schlechtes Beispiel“.

Blecha verweist außerdem darauf, dass ein großer Teil der Neupensionisten aus der Arbeitslosigkeit heraus in die Pension geht. „Wir brauchen daher einen besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer und ich fordere eine Pönalisierung für Unternehmen, die ältere Beschäftigte rausschmeißen.“ Ebenso fordert Blecha, dass bereits entwickelte Programme wie z.B. fit2work oder die Gesundheitsstraße sowie Rehabilitation vor Pension rasch flächendeckend eingesetzt werden. Auch hier kritisiert Blecha die „Verweigerung“ der Wirtschaft, wenn es um die Finanzierung dieser Programme geht.


Former und Lenker der Gesellschaft werden. Victor Adlers Beitrag zur Bildungsdebatte

14. Februar 2011

Seit Monaten wird in Österreich eine intensive Bildungsdebatte geführt. Die Eckpfeiler der geführten Diskussion sind jedoch sehr unterschiedlich. Zwischen dem niederösterreichischen Landeshauptmann und der sozialdemokratischen Regierungsspitze konzentriert sich die Diskussion meist darauf, ob die Schulen nun allein der Landes- oder Bundesverwaltung unterstehen sollen. Zwischen Bildungs- und Wissenschaftsministerium konzentrieren sich die unterschiedlichen Standpunkte darauf, in welcher Form der Zugang zum Hochschulstudium nun eingeschränkt werden kann und ob die Studierenden einen Beitrag zur Finanzierung in Form von Gebühren leisten sollen oder nicht. Zwischen Bildungsministerin und Gewerkschaft Öffentlicher Dienst gab es 2009 monatelange Auseinandersetzung um die Erhöhung der Lehrverpflichtung, die auf beiden Seiten mit harten Bandagen geführt wurde. Im Dezember 2010 werden dann die Ergebnisse der neuesten PISA-Studie publik: Im OECD-Ländervergleich liegen beim Lesen nur mehr die Türkei, Chile und Mexiko hinter Österreich. Im Vergleich zu den letzten Ergebnissen erleidet Österreich also einen weiteren Rückschritt. Alle sind ob dieses Ergebnisses schockiert. Und noch bevor die PISA-Ergebnisse öffentlich werden, kündigt im Oktober der ehemalige Finanzminister Androsch ein „Volksbegehren Bildungsinitiative“ an.

Obwohl dieses Volksbegehren in die Bildungsdebatte eine Reihe von wichtigen Zielsetzungen einbringt, wie die frühe und kontinuierliche Förderung, das flächendeckende Angebot von Ganztagsschulen, die Erhöhung der sozialen Durchlässigkeit, die Aufwertung des Lehrerberufs, die Erhöhung des Hochschulbudgets und die Erhöhung der Akademikerquote,  so bleibt die Debatte dennoch davon geprägt, dass Bildung als Instrument zur Verbesserung des wirtschaftlichen Erfolgs gesehen wird. Die Bedeutung von Bildung wird allein darin gesehen, dass sie die Chancen des Einzelnen auf berufliches Weiterkommen erhöht und die Möglichkeiten, seinen Verdienst zu steigern, verbessert und einem Unternehmen oder Land durch eine Steigerung der Produktivität einen Vorteil im Standortwettbewerb verschafft.

Bildung kann aber  nicht nur als Mittel zum Zwecke des wirtschaftlichen Erfolgs gesehen werden, sondern als Zweck in sich selbst. Bei Wilhelm von Humboldt war Bildung ein Ideal der bürgerlichen Aufklärung, das das autonome Individuum und das Weltbürgertum zum Ziel hatte. Die Universität sollte der Ort sein, an dem autonome Individuen und Weltbürger hervorgebracht werden oder genauer gesagt, sich selbst hervorbringen. Damit die Universität dieses Zielverfolgen kann, fordert Humboldt die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Universität und die akademische Freiheit der Forschenden, die sich untereinander öffentlich austauschen können.

Obwohl in einer Zeit, wo durch zahlreiche Einflüsse auf die Universitäten und Hochschulen (z.B. Bologna-Prozess) der wirtschaftliche Einfluss stark zugenommen und die Orientierung auf die Berufsausbildung überhandgenommen hat, dem Humboldt’sche Bildungsideal insofern Bedeutung zukommt, als es uns daran erinnert, dass Bildung einen Zweck in sich selbst hat, gibt es eine Konzeption von Bildung, die darüber hinausgeht. Diese Konzeption von Bildung betrachtet Bildung zwar als ein Mittel. Aber als ein solches, dass einem Zweck dient, durch den Bildung den allerhöchsten Wert erlangt: Bildung als Voraussetzung der gesellschaftlichen Veränderung. Wir finden dieses Verständnis von Bildung beim aus bürgerlichem Haus stammenden Gründer der sozialdemokratischen Partei Österreichs: Victor Adler. Dieser bemerkt despektierlich über die Bedeutung der bürgerlichen Bildung, wie sie etwa Wilhelm von Humboldt als Ideal vorschwebte: „Das was man gewöhnlich unter Bildung versteht, das was die bürgerliche Gesellschaft als Bildung anerkennt, das ist vor Allem die Fähigkeit, korrekt zu schreiben, korrekt zu reden, korrekt zu essen und korrekt sich anzuziehen. Dazu muss man noch ein Quantum von Dichtern, Komponisten und Philosophen dem Namen nach kennen und muss beiläufig wissen, wann man im Theater ,Bravo!‘ zu rufen hat.“

Dieser bürgerlichen Vorstellung von Bildung setzt Adler daher eine Konzeption entgegen, die die Kraft von Bildung darin sieht, die gesellschaftliche Selbsterkenntnis zu befördern, um somit die Voraussetzungen für deren Veränderung zu schaffen. Und diese Konzeption wendet sich nicht an ein abstraktes Weltbürgertum, sondern an jene gesellschaftliche Gruppierung, die daran interessiert sein sollte, die gesellschaftlichen Verhältnisse ihrer Zeit zu verändern. Bei Adler sind das die unter dem Elend der Industrialisierung leidenden ArbeiterInnen. „Wir verlangen von euch keinerlei Korrektheit, wir verlangen von euch nichts als Selbsterkenntnis. Darüber nachzudenken, wie ihr geworden seid und was aus euch werden soll, euer Verhältnis zur Gesellschaft geistig zu erfassen, das nenne ich Bildung. Und auf eine noch höhere Bildung gelangt ihr, wenn einmal die Erkenntnis den Willen geweckt hat, wenn aus dem Bewusstsein, Produkte der Gesellschaft zu sein, das bewusste Streben erwächst, ihre Herren, ihre Former und Lenker zu werden.“

Ein solcher emanzipatorischer Bildungsbegriff wird heute schmerzlich vermisst. Es fehlt zum Beispiel weit verbreitet an einer kritischen Medienkompetenz, d.h. an der Fähigkeit, die Funktion und die Wirkungsweise von Medien zu erkennen und in weiterer Folge dieser Medienmacht aufklärendes Wissen gegenüberzustellen. Noch schmerzlicher fehlt es an politischem Bewusstsein für die Gefahren der schleichenden Unterwanderung der Demokratie durch die Einflussnahme dominanter ökonomischer Kräfte, die aufgrund ihrer unvergleichlichen Ressourcen die Meinungsbildung gestalten können. Bildung im Adlerschen Sinne ist unsere einzige Chance, um diesen Gefahren erfolgreich begegnen zu können. Deshalb ist es so ungeheuer wichtig, dass dieser Aspekt von Bildung nicht in Vergessenheit gerät.


An Josef Pröll: Gerechtigkeit ist nicht mit Neid gleichzusetzen

5. Dezember 2010

Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll hat in einem Interview mit dem Standard in Richtung SPÖ gesagt, diese würde mit ihrer Forderung der Einführung einer Vermögenssteuer den Neid gegen Eigentum schüren.

Wenn die Sozialdemokratie Hand in Hand mit der Gewerkschaft unter Schlagwörtern wie „Zeit für Gerechtigkeit“ und „FAIR teilen“ mehr Verteilungsgerechtigkeit fordert, dann hat das nichts mit Neid zu tun. Vielmehr geht es bei diesen Forderungen darum, einer jahrzehntelangen Fehlentwicklung bei der Verteilung von Einkommen und Vermögen endlich entgegenzutreten. Stark steigende Gewinne und Managergehälter auf der einen Seite, stagnierende Entwicklung der Reallöhne auf der anderen Seite haben in den letzen 25 Jahre dazu geführt, dass die Einkommensschere in Österreich immer weiter auseinandergeht und Vermögen immer stärker konzentriert ist.

Wenn man darauf aufmerksam macht und Korrekturen fordert, dann stellt das für Josef Pröll eine Neiddebatte dar, die die falschen treffe. Ihm liegen ja die Leistungsträger am Herzen, die nach seinen Worten die Hauptlast der Steuereinnahmen zu tragen hätten. Richtig ist, dass bei der Lohnsteuer die oberen Einkommensbereiche den größten Teil der Einkommensteuereinnahmen zu tragen haben. Zieht man jedoch die Gesamtbelastung heran, die die Haushalte an zu leisten haben (Einkommensteuer, Sozialversicherungsbeiträge, Umsatzsteuer), und berücksichtigt auch, wie stark Vermögen und Vermögenszuwächse (wo beides ja überwiegend nur in den obersten Einkommensbereichen vorhanden ist) besteuert werden, dann sieht die Bilanz jedoch ganz anders aus: Rechnet man Einkommen-, Umsatzsteuer und Sozialversicherung zusammen, dann ist die Belastung der Haushalte über alle Einkommensbereiche ziemlich gleich (sie steigt zunächst leicht an, sinkt aber im obersten Bereich wieder ab).

Vermögen wiederum ist praktisch steuerfrei, seit die Erbschafts- und Schenkungssteuer abgeschafft wurde. Diese Abschaffung wird damit gerechtfertigt, dass jene geschützt werden sollen, die von ihren Eltern eine Eigentumswohnung oder ein Einfamilienhaus erben. Jene wären aber auch durch entsprechend großzügige Freibeträge von dieser Steuerleistung auszunehmen. Wer tatsächlich von dieser Abschaffung profitiert, das sind jene Unternehmerfamilien, wo steuerfrei Vermögenswerte von Millionen oder gar Milliarden Euro weitergegeben werden. Lediglich über die Grundsteuer (die jedoch aufgrund eines völlig unzeitgemäßen Einheitswertes berechnet wird) fließen dem Staatshaushalt Einnahmen aus dieser Kategorie zu (das sind weniger als 1,5% des Gesamtsteueraufkommens).

Vermögenszuwächse werden ab 2011 einheitlich mit einer 25%tigen Quellensteuer belegt. Somit leisten Wertpapierspekulanten den gleichen Beitrag wie der/die Pensionist/in, der sein Erspartes auf einem Sparbuch hat. Einkommen aus selbstständiger oder unselbstständiger Arbeit wird jedoch mit einem Steuersatz bis zu 50% belegt.

Auf eine Antwort von Josef Pröll auf dieses Ungleichgewicht der steuerlichen Belastung von Arbeit und Kapital sowie auf die immer ungleichere Verteilung des Vermögens warten wir seit Jahren vergeblich. Wie es aussieht, werden wir noch weiter warten müssen.


Kritische Analyse des Budgets für 2011

25. Oktober 2010

Die Regierungsmitglieder von SPÖ und ÖVP haben sich Samstag Nachmittag hinsichtlich der Einnahmen- und Ausgabenmaßnahmen beim Budget geeinigt. Im Steuerbereich kommt wie schon länger geplant die Bankenabgabe. Diese soll ca. 500 Mio. Euro Mehreinnahmen bringen. Allerdings fallen durch die Abschaffung der Kreditvertragsgebühr 150 Mio. an Einnahmen weg. Der Wegfall der Spekulationsfrist bei Aktien wird zunächst 30 Mio. bringen und soll jährlich steigen und ab 2014 schließlich 250 Mio. jährlich an Mehreinnahmen bescheren. Durch den Wegfall der Begünstigung der Zwischenbesteuerung in Stiftungen sollen 2011 50 Mio. mehr in die öffentlichen Haushalte fließen. Auch hier wird erwartet, dass die Einnahmen jährlich steigen. Durch ein Betrugsbekämpfungspaket werden 100 Mio. an zusätzlichen Steuerleistungen erwartet.

Durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer (plus 5 Cent bei Diesel, plus 4 Cent bei Benzin) soll 2011 417 Mio. mehr in die Staatskasse überführen. Allerdings steht dieser Maßnahme eine Erhöhung der Pendlerpauschale um 5% und Erleichterungen für LKW gegenüber, die  etwa 50 Mio. kosten werden.  Bei der Normverbrauchsabgabe, durch Flugticketzuschläge sollen weitere 85 Mio. aufgebracht werden. Durch eine Erhöhung der Tabaksteuer ist eine Mehreinnahme von 100 Mio. für den Staatssäckel zu erwarten.

Ausgabenseitig kommen vor allem für Familien einige Kürzungen zum Tragen. Durch die Auszahlung der Familienbeihilfe nur noch bis zum vollendeten 24. Lebensjahr und die Kürzung der 13. Familienbeihilfe auf pauschal 100 Euro und die Begrenzung auf Kinder zwischen 6 und 15 Jahren sind Einsparungen von 238 Mio. geplant. Die Streichung des Mehrkindzuschlags und der Wegfall des Alleinverdienerabsetzbetrags für kinderlose Familien sollen weitere 125 Mio. an Ersparnis bringen. Beim Pflegegeld gibt es eine Verschlechterung in den ersten beiden Stufen, da die Voraussetzungen um jeweils 10 Stunden Pflegebedarf erhöht werden. Bei der höchsten Pflegestufe gibt es eine kleine Erhöhung, sodass insgesamt eine Einsparung von 17 Mio. herauskommen soll.

Bei den Neupensionen wird es in Zukunft keine Erhöhung innerhalb des ersten Jahres geben. Bei der vorzeitigen Alterspension aufgrund langer Versicherungsdauer (= Hacklerregelung) wird die steuerliche Absetzbarkeit beim Nachkauf von Schulzeiten wegfallen, sodass die Kosten dafür um etwa 12 Mio. sinken. Bis 2013 bleibt diese Regelung unverändert bestehen und wird danach durch eine Regelung ersetzt, die weniger Kosten verursach soll. Das Antrittsalter wird ab 2014 sowohl bei Frauen wie auch bei den Männern um 2 Jahre erhöht.  Bei der vorzeitigen Pension aufgrund von Erkrankung soll durch verstärkte Rehabilitation zunächst ein Mehraufwand von ca. 7 Mio. gegeben sein, längerfristig sollen die Kosten jedoch deutlich sinken. Durch die positive Entwicklung der Arbeitslosigkeit sei bei der Arbeitsmarktförderung 2011 eine Ersparnis von 44 Mio. zu erwarten.

Im Bildungsbereich werden sowohl den Universitäten wie auch für den Ausbau der Gesamtschulen jeweils 80 Mio. mehr im Jahr zur Verfügung gestellt. Jedoch werden den Universitäten die Einführung von Studieneingangsphasen in überlaufenen Studienfächern zugestanden.

Zur weiteren Ankurbelung der positiven Konjukturentwicklung wird die thermische Sanierung mit 100 Mio. Euro gefördert.

Wie ist dieses Gesamtpaket im Hinblick auf eine gerechte und solidarische Gestaltung der Budgetkonsolidierung zu beurteilen? Dass die Bankenabgabe eingeführt wird, ist sehr zu begrüßen, da die Banken vom Staat durch das Bankenpaket gerettet wurden und somit mit Recht zum Abbau der dadurch entstandenen Schulden herangezogen werden. Entgegen anders lautenden Behauptungen werden die Banken diese Belastungen nicht unmittel an ihre Kunden weitergeben werden können, da sie die laufenden Verträge einhalten müssen und ein gesunder Wettbewerb dafür sorgen sollte, dass jene Banken, die ihren Neukunden keine höheren Gebühren verrechnen, im Vorteil sein sollten. Trotzdem ist nicht völlig auszuschließen, dass die Bankenabgabe im Laufe der Jahre indirekt zu einer Massensteuer wird. Der Wegfall der steuerlichen Begünstigung von Privatstiftungen und die Streichung der Spekulationsfrist bei Wertpapieren ist eine längst fällige Maßnahme, da diese Regelungen dazu geführt haben, dass Kapitalzuwächse keinen angemessenen solidarischen Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben beigetragen haben. Dass keine echte Vermögensteuer eingeführt wurde (z.B. zumindest durch Anpassungen bei der Grundsteuer) und auch die Gruppenbesteuerung nicht wesentlich reformiert wird, ist unter dem Gesichtspunkt, dass auch Konzerne und Vermögende einen fairen Beitrag leisten sollen, sehr bedauerlich.

Die getroffenen Maßnahmen bei den Massensteuern sind nicht eindeutig zu bewerten. Wenn man die gesundheitlichen Auswirkungen des Tabakkonsums ernsthaft in den Griff bekommen möchte, dann sind Lenkungsmaßnahmen selbstverständlich zu begrüßen. Jedoch waren die Erfolge bei der Tabaksteuer bisher schon eher bescheiden. Eindeutig zu begrüßen ist jedoch, dass 40 Mio. der Einnahmen dem Kassenstrukturfonds zur Verfügung gestellt werden, da dies eine gesundheitspolitisch sinnvolle Zweckbindung darstellt. Allerdings ist hier der Wermutstropfen zu beklagen, dass den Krankenkassen ursprünglich 100 Mio. im Jahr für diesen Zweck zugesagt wurden. Angesichts der weiterhin schlechten Einnahmesituation wird den Kassen dieses Geld sehr fehlen und eine Sanierung ihrer Finanzen verunmöglichen.

Wenn man die Kosten für die Umwelt in Rechnung stellt, dann ist es auch unumgänglich, bei der Mineralölsteuer und anderen den Individualverkehr betreffenden Abgaben anzusetzen. Dass die Mehreinnahmen jedoch rein budgetäre Ziele verfolgen und keine Zweckbindung dieser Einnahmen erfolgt, ist bedauerlich. Da auch die sozialen Auswirkungen (durch die Erhöhung der Pendlerpauschale) nur unzureichend abgefedert werden, hinterlässt uns mit einem weinenden Auge. Die Erleichterungen für Frächter wiederum können wohl nur als Lobbyingerfolg dieser Branche gewertet werden, da sie ein ökologisch völlig verkehrtes Signal geben. Dass auf Flugreisen eine Abgabe eingehoben wird, mag jene Reisenden, die das gewachsene Angebot an Billigflügen genutzt haben, verärgern, ist in ökologischer Hinsicht aber vollkommen richtig, da der zunehmende Flugverkehr sehr ungünstige Auswirkungen auf die globale Klimaentwicklung mit sich bringt.

Dass vor allem im Familienbereich deutliche Einsparungen erfolgen, ist einerseits überraschend, da die erklärte „Familienpartei“ ÖVP am Verhandlungstisch saß. Andererseits ist dies auch in Hinsicht auf sozialdemokratische Werte nicht besonders wohlüberlegt. Denn die Herabsetzung der Bezugsdauer der Familienbeihilfe trifft vor allem die Kinder aus ärmeren Schichten und wird hier das Erreichen höherer akademischer Grade in dieser Gruppe weiter erschweren. Hier kann auch eine Erhöhung des Unibudgets um 80 Mio. jährlich und die Investition von 80 Mio. in den Ausbau der Gesamtschulen nicht darüber hinwegtrösten, dass der Zugang zu höheren akademischen Weihen finanziell und durch Zugangsbeschränkungen noch stärker limitiert wird.

Die Kürzung bei der 13. Familienbeihilfe ist erstens skurril, da diese erst 2008 eingeführt wurde. Zweitens ist die Beschränkung auf das schulpflichtige Alter zwar im Einzelfall nicht allzu merklich, aber symbolisch ein deutliches Signal gegen eine gute Ausbildung von Kindern aus den unteren Schichten. Auch wenn bei den Familien die Einsparungen in einem Bereich erfolgen, den traditionell die ÖVP für sich gepachtet hat, so ist es für die SPÖ beschämend, dass sie diese Errichtung von Hürden bei der Bildung nicht verhindern konnte. Immerhin ist ein freier Zugang zur Bildung ein bewährtes Anliegen der Sozialdemokratie. Den StudentInnen ist also auch aus Sicht der ArbeitnehmrInnen viel Erfolg für ihren Kampf gegen die geplanten Maßnahmen zu wünschen und die solidarische Unterstützung zu unterbreiten.

Die Kürzungen beim Pflegegeld sind in einer Zeit zunehmenden Pflegebedarfs als eine rein fiskalische Maßnahme zu sehen, deren soziale Auswirkungen durchaus überprüft werden sollten. Es mag schon richtig sein, dass bei den ersten beiden Pflegestufen das Pflegegeld des Öfteren gar nicht für Pflegemaßnahmen verwendet wird. Dennoch dürfen jene, die sehr wohl darauf angewiesen sind, nicht für diesen unerwünschten Mitteleinsatz bestraft werden. Außerdem sollte umfassend erhoben werden, in welchem Ausmaß der Bedarf an Pflege mit weniger als 60 Stunden pro Woche tatsächlich guten Gewissens ohne Pflegegeldzahlung zumutbar ist.

Bei den Pensionen ist zunächst zu sagen, dass die Aufschiebung der ersten Erhöhung eine reine Sparmaßnahme darstellt, die willkürlich je nach Antrittsdatum zu einer mehr oder weniger großen Benachteiligung führt, die keineswegs als sozial anzusehen ist. Bei der vorzeitigen  Alterspension ist zu begrüßen, dass die Planungssicherheit jener gewahrt bleibt, die in den nächsten Jahren diese Form der Alterspension beabsichtigt hatten, da bei der Hacklerregelung bis 2013 keine Änderung erfolgt. Der Wegfall der steuerlichen Begünstigung beim Nachkauf von Schulzeiten macht insofern Sinn, als durch diese Möglichkeit die bisherige Regelung vor allem von Angestellten und Beamten in Anspruch genommen werden konnte. Dennoch kann man nicht erwarten, dass jene Bevölkerungsgruppe glücklich über diese Maßnahme ist. Bevor eine endgültige Bewertung der Neugestaltung, die eine Erhöhung des Antrittsalters beinhalten wird, erfolgen kann, muss abgewartet werden, wie die genaue Regelung ab 2014 aussieht. Die Absicht, bei Invaliditätspension/Berufsunfähigkeitspension ab nun verstärkt auf die Rehabilitation zu setzen, bevor der Übergang in den Ruhestand erfolgt, geht zwar in die richtige Richtung. Aber der Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen, dass finanzielle Erwägungen die Hauptrolle spielen und die Unternehmen nicht wirklich in die Pflicht genommen werden, um den Rehabilitationswilligen altersgerechtes Arbeiten auch zu ermöglichen. Bevor nichts Genaues über die geplante Lockerung des Berufsschutzes bekannt ist, lässt sich dazu wenig sagen. Es seien nur zwei prinzipielle, aber konträre Bemerkungen erlaubt: Erstens ist der Berufsschutz in einer Zeit der veränderten Berufsbiografie antiquiert, da die klassische Erwerbsbiografie einer durchgängigen Berufsausübung eine Seltenheit geworden ist. Aber zweitens macht er dennoch auch heute noch Sinn, um Menschen vor dem ungebremsten Abstieg in Arbeitswelt zu bewahren.

Die weitere Investition in die thermische Sanierung ist als konjunkturbelebende Maßnahme zu begrüßen. Unbefriedigend ist jedoch, dass die Sozialmilliarde nicht umgesetzt wird, da diese einen noch stärker positiven Effekt auf Arbeitsmarkt und Wirtschaftsentwicklung hätte.


Erkenntnisse für die Sozialdemokratie aus der Wien-Wahl am 10. Oktober 2010

11. Oktober 2010

Der 10. Oktober 2010 war für die Sozialdemokratie ein Tag der herben Enttäuschung. Die absolute Mehrheit ist mit fast hundertprozentiger Sicherheit dahin und die FPÖ kann die Stimmen seit 2005 beinahe verdoppeln. Während die SPÖ vor Auszählung der Wahlkarten bei knapp 44,3% hält, kommt die FPÖ nun auf mehr als 27%. Wenn man jedoch ins Detail geht und sich die Ergebnisse in den einzelnen Bezirken ansieht, dann ist zu erkennen, dass es an diesem Tag nicht nur einen Trend gegeben hat: Während die SPÖ in den traditionellen Arbeiterbezirken Simmering, Favoriten und Floridsdorf Verluste bis zu knapp 13% hinnehmen musste, konnte sie in den traditionell bürgerlichen inneren Bezirken sogar moderate Zugewinne machen. Die SPÖ war diesmal deutlich erfolgreicher bei den jungen Wählern (46%), während die FPÖ bei diesen sogar nur auf Platz 3 ist. Die FPÖ wiederum war diesmal sehr stark bei den alten Wählern, während die SPÖ bei diesen deutlich verloren hat. Bei den Geschlechtern gab es bei SPÖ und FPÖ signifikante Unterschiede: die SPÖ kam bei den Männern nur auf 41%, bei den Frauen jedoch auf 50%; die FPÖ bei den Männern auf 28%, bei den Frauen nur auf 20%. Bei den Wählern mit Migrationshintergrund kam die SPÖ auf 55%, die FPÖ hingegen nur auf 16%. Im Gemeindebau erwarb die SPÖ 57%, die FPÖ 29% der Wählerstimmen. Bei den ArbeiterInnen hatte die SPÖ mit 52% die absolute Mehrheit, die FPÖ mit 40% aber ein überraschend gutes Ergebnis.

Für die Sozialdemokratie bedeutet dies, dass die Analyse dieser Wahl differenziert erfolgen muss: Einerseits ist Freude darüber angebracht, dass die SPÖ im bürgerlichen Milieu ihre Erfolgsbotschaft darüber, was sie für die Stadt geleistet hat, um sie besonders lebenswert zu machen, anbringen konnte. Erfreulich ist für sie auch, dass nach der herben Enttäuschung 2005 nun mehr Zuspruch bei den ganz jungen Wählern gewonnen werden konnte. Andererseits sollte die Sozialdemokratie sehr gründlich darüber nachdenken, warum sie bei den Männern deutlich weniger Anklang findet als bei den Frauen – und warum der früher so hohe Anteil bei den PensionistInnen deutlich gesunken ist und die FPÖ bei den ArbeiterInnen einen so signifikant hohen Zuspruch hat.

Einen Fehler sollte die Sozialdemokratie nach dem großen Erfolg einer rechtspopulistischen Partei in unserer Stadt jedenfalls nicht machen: zu glauben, dass sie selbst deshalb mehr nach rechts rücken müsse. Die SPÖ muss vielmehr in noch stärkerem Maße die Ängste jener Menschen ernst nehmen, die sich von der Zuwanderung, der wirtschaftlichen Dynamik einer globalisierten Welt und der europäischen Integration bedroht fühlen. Diese Ängste ernst nehmen heißt aber nicht, dass die psychologisch unreifen Abwehreflexe, die hinter einem solchen Votum stecken, übernommen werden müssen. Vielmehr muss die Sozialdemokratie diesen Menschen ein emotionales Angebot machen, indem sie ihnen klipp und klar sagt, wie sie gedenkt, diesen Menschen in den aktuellen Transformationsprozessen die nötige existenzielle Sicherheit bieten zu können. Dazu ist aber zu allererst nötig, in den eigenen Reihen das Bewusstsein noch mehr dafür zu schärfen, wessen Interessen die Sozialdemokratie auch im 21. Jahrhundert zu vertreten hat.


Das ideologische Schlachtfeld Erbschaftssteuer

21. Juli 2010

Im Jahr 2008 hat die Österreichische Nationalbank (ÖNB) eine Erhebung zu den Immobilienerbschaften in Österreich gemacht. Diese Immobilienvermögenserhebung ist Teil eines zukünftig für den ganzen Euroraum harmonisierten „Household Finance and Consumption Survey“, der umfassende Informationen zu den Vermögenspositionen privater Haushalte als wichtige Grundlage für Analysen zur Geldpolitik und Finanzmarktstabilität liefern soll. Sie wurde 2010 unter dem Titel „Immobilienerbschaften in Österreich“ publiziert.

Die von Martin Schürz gemeinsam mit Pirmin Fessler und Peter Mooslechner verfasste Studie kommt zu folgenden Ergebnis: „80 Prozent der Haushalte haben keine Immobilien geerbt, und auch innerhalb der Minderheit der Glücklichen sind die Hinterlassenschaften sehr ungleich verteilt. Nimmt man einen Werterhalt analog zum Verbraucherpreisindex an, dann haben die obersten zehn Prozent der Erben beinahe genauso viel geerbt wie die restlichen 90 Prozent zusammen“ (Standard vom 30.6.2010). D.h., zwei Prozent aller Haushalte können damit fast die Hälfte des gesamten Erbschaftsvolumens auf sich vereinen. Bzw. rund 0,06% DER Haushalte erben pro Jahr Immobilienvermögen von etwa 0,5% des BIP!

Deshalb kommt der Bericht im Standard, der die Ergebnisse der ÖNB-Studie zum Anlass nimmt, um über Folgerungen daraus nachzudenken, zu einem klaren Ergebnis: „Daraus lässt sich schließen, dass diverse Konzepte für ein Erbschaftsteuer-Comeback einen großen Teil der Empfänger ungeschoren ließen. Die Arbeiterkammer etwa würde im Familienkreis einen Freibetrag von 300.000 Euro vorsehen – gemäß den OeNB-Zahlen wären rund 70 Prozent der Erben bzw. 94 Prozent aller Haushalte aus dem Schneider.“ Denn das Erben sei unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedlich verteilt. „Starthilfe sind Erbschaften eher nicht: Von den 18- bis 29-Jährigen kommen nur fünf Prozent in den Genuss, am größten ist die Chance im Alter von 50 bis 69 Jahren (26 Prozent). Bauern erben mit einer Quote von 58 Prozent besonders häufig. Bei Freiberuflern und Beamten profitiert jeweils ein Drittel, spärlich sind Erben unter den Arbeitern (14 Prozent) “ (Ebd.).

Diesen Bericht des Standard nimmt Clemens Wallner, der wirtschaftspolitische Koordinator der Industriellenvereinigung (IV), zum Anlass, um Kritik an den Ergebnissen der ÖNB-Studie zu üben und den Autoren ideologische Verblendung vorzuwerfen. Am 13.7.2010 schreibt dieser ebenfalls im Standard, dass die Ergebnisse hinsichtlich der Verteilungswirkung von Erbschaften in Frage zu stellen seien – dass nämlich 80 Prozent der Haushalte keine Immobilien geerbt hätten, und dass unter denjenigen, die erben, die obersten 10 Prozent genau so viel erben wie die restlichen 90 Prozent gemeinsam. Er beruft sich dabei auf Zahlen aus dem Finanzministerium (BMF) zu den Einnahmen aus der Erbschaftssteuer des Jahres 2007 (dem Jahr vor der Abschaffung). „Was die Verteilungswirkung betrifft, zeigen die harten Zahlen der Erbschaftssteuer-Statistik des Jahres 2007 … jedenfalls ein ganz anderes Bild … Die Behauptung, dass ,die obersten 10 Prozent‘ genauso viel erben würden wie die restlichen 90 Prozent gemeinsam, lässt sich bei einem Blick auf die Erbschaftssteuerstatistik … nicht aufrecht erhalten. So waren von den 67.853 Erbfällen des Jahres 2007 25.373 Immobilienfälle, bei denen die Bemessungsgrundlage unter 7.300 Euro lag. Oberhalb einer Wertgrenze von 219.000 Euro gab es hingegen insgesamt (Immobilien- und sonstige Erbschaften) nur 487 Fälle. Es zeigt sich also ganz klar, dass die große Zahl der Erbschaften und Schenkungen nicht bei den ,obersten 10 Prozent‘ anfällt, sondern in Bereichen mit niedrigeren Wertgrenzen“.

  1. Zusätzlich zu dieser Argumentation beschwört Wallner die Aktivitäten von Martin Schürz als ideologisch eindeutig zweifelhaft herauf. „So tritt Schütz in öffentlichen Publikationen unter anderem für die Abschaffung von Konzernen ein. In einem Artikel vertritt er die Auffassung, dass Manager moderne Bankräuber seien, nur ohne MG. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf Ö1 vertrat Schürz die Auffassung, dass reiche Menschen einer Gesellschaft Gesundheitsprobleme bringen würden. Und im Rahmen einer anderen Podiumsdiskussion mit Presse-Wirtschaftsressortleiter Franz Schellhorn vertrat Schürz die Auffassung, dass die Erbschaftssteuer bei 100 Prozent liegen müsste, also beim Tod einer Person deren gesamtes Vermögen verstaatlicht werden müsste.“ Wallner versucht mit dieser Strategie, die wissenschaftliche Zuverlässigkeit der Studie zu erschüttern.

Zur Wissenschaftlichkeit dieser Studie, um mit dem letzten Punkt zu beginnen, bemerkt Peter Mooslechner von der ÖNB im Standard vom 16.7.2010, dass diese Studie eine mit der EZB akkordierte Angelegenheit sei, die hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen müsse. „Die OeNB erhebt, basierend auf einem Beschluss des EZB-Rats und gemeinsam mit allen anderen Notenbanken des Eurosystems – von der Bundesbank über die De Nederlandsche Bank bis zur Banca d’Italia und Banco de Espana -, Daten zu den Finanzen und Ausgaben privater Haushalte. Die OeNB-Studien erfolgen nach einer einheitlichen, von der EZB koordinierten Struktur und nach gemeinsamen wissenschaftlichen Qualitätskriterien. Für jeden einzelnen Schritt sind genaue Vorgaben einzuhalten und über jeden einzelnen Schritt der Erhebung muss gegenüber der EZB und den beteiligten Notenbanken Rechenschaft abgelegt werden“ (Standard vom 16.7.2010).

Nun zu den Zahlen Wallners und seinen Folgerungen selbst. Zunächst ist festzuhalten, dass Wallner in seinem Artikel von der Anzahl der Erbfälle in zwei Abstufungen, nämlich bei Erbfällen bis 219.000 Euro und jenen darüber, ableiten zu können meint, dass die von der ÖNB erhobene Verteilungswirkung nicht zutreffen könne. Doch dies mag zwar ideologisch vom Autor gewünscht sein, aber sachlich ist dies nicht nachvollziehbar. Auch dann nicht, wenn man die Zahlen durch die jene Angaben ergänzt, die einem Wallner auf Nachfrage zur Verfügung stellt: dass die Steuereinnahmen für alle Steuerfälle bis 219.000 Euro 86,6 Mrd. Euro ergeben, die aller Steuerfälle über 219.00 Euro nur 44,9 Mrd. Euro. Denn durch einen Vergleich von Äpfeln mit Birnen kann keine Aussage über die Quantitätsverhältnis unter den Äpfeln abgeleitet werden. Und genau dies tut Wallner, indem er von der Zahl der Fälle in zwei Gruppen auf die Verteilung der Erbschaftswerte zwischen den Erbenden schließt. Außerdem lässt sich Wallner auch bei einem peinlichen Fehler ertappen. Peter Mooslechner deckt nämlich folgenden Irrtum auf: „Wie eine kleine Nachrecherche überdies ergeben hat, dürfte Herrn Wallner ein nicht unrelevanter Datenirrtum unterlaufen sein. Tatsächlich unterstreichen die Daten der Erbschaftsteuerstatistik die Erhebungsergebnisse der OeNB: Von den insgesamt 67.853 von der Erbschaftssteuerstatistik erfassten Erbfällen (Immobilien und sonstige Erbschaften) des Jahres 2007 fallen rund 99,5 Prozent (67.625 Fälle) in die Klasse eines steuerpflichtigen Erwerbs von 219.000 Euro oder weniger. Lediglich rund ein halbes Prozent (228 Fälle) liegt über 219.000 Euro. Herr Wallner nennt in seinem Kommentar 487 Fälle oberhalb einer Grenze von 219.000 Euro. Dabei ist er offensichtlich eine Zeile abgerutscht, denn seine Fallzahl ergibt sich, wenn auch noch die Kategorie von 146.001 bis 219.000 Euro mit 259 Fällen hinzugerechnet wird.“ Die Zahlen, die auf Anfrage aus dem Finanzministerium geliefert werden, geben Mooslechner hier völlig recht. Wie nachfolgendes Balkendiagramm aus dem BMF (siehe Grafik unten) überdies zeigt, liegt eine noch stärkere Konzentration vor, als die Studie der Nationalbank ergibt, wenn man alle Erbschaftsformen berücksichtigt. Wird die durchschnittlich vorgeschriebene Steuer herangezogen, so zeigt sich, dass besonders die reichen Erben von Erbschaftssteuern betroffen sind. So lag die durchschnittlich vorgeschriebene Steuer bei jenen die weniger als 219.001 Euro erbten bei rund 1000 Euro, während jene darüber durchschnittlich rund 78.000 Euro vorgeschrieben bekamen. Jene, die 1.095.001 oder mehr an steuerpflichtigem Erwerb meldeten, waren mit Vorschreibungen von durchschnittlich mehr als einer halben Million Euro konfrontiert, was auf sehr hohe Erbsummen einiger weniger schließen lässt.

Auch wenn Peter Mooslechner meint, bei ÖNB-Studien wäre kein Platz für Ideologien, weil diese höchsten wissenschaftlichen Standards genügten, so zeigt die hitzige Debatte, die diese Studie ausgelöst hat, dass das Thema Erbschaftssteuer ein wahres ideologisches Schlachtfeld darbietet. Dies sollte auch gar nicht im negativen Sinne eines falschen Bewusstseins verstanden werden. Denn an der Diskussion wird offenbar, dass bei der Erbschaftssteuer – so wie bei der Vermögenssteuer – massive verteilungspolitische Zusammenhänge zur Debatte stehen. Die Abschaffung der Erbschaftssteuer hat nämlich nicht der breiten Masse der Kleinerben, die ihr hart erarbeitetes Vermögen weitergeben, sondern einer kleinen Gruppe von Hochvermögenden genützt, die auf diese Weise gigantische Vermögenswerte weitergeben können, die nicht durch Arbeitsleistung erworben wurden, sondern auf anderem Wege akkumuliert wurden. Die Allgemeinheit bekommt auf diese Weise keine Entschädigung dafür, dass sie die gesellschaftlichen Voraussetzungen für diesen Vermögensaufbau geboten hat und den Vermögenden ein Umfeld bietet, indem sie sich sicher und wohl fühlen können. Deshalb ist für jene, die für mehr soziale Gerechtigkeit eintreten, eine Wiedereinführung einer modifizierten Erbschaftssteuer eine conditio sine qua non. Und jene, die für die Interessen der Hochvermögenden die Lanze brechen, müssen die Erbschaftssteuer als Angriff gegen den Mittelstand darstellen, um ihre wahren Absichten ideologisch zu verschleiern. Diese Verschleierungstaktik aufzudecken, ist unsere erste Pflicht, um den Weg für eine gerechtere Steuerpolitik frei zu machen, die den Faktor Arbeit entlastet und den Vermögen einen höheren Beitrag für die soziale Gestaltung unserer Gesellschaft abverlangt.


Die krause Logik des Bernhard Felderer

10. Juli 2010

Am 9. Juli 2010 hielt der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, eines Expertenteams von 40 Köpfen, eine Pressekonferenz ab. Bernhard Felderer, der mit einer violetten Krawatte auftrat, um die bevorstehende „Fastenzeit“ der Budgetkonsolidierung zu symbolisieren, berichtete vor den versammelten Pressevertretern von der Entwicklung der Staatsschulden in Österreich. Seit 2007 sei aufgrund der schweren Wirtschaftskrise die Verschuldung von 59% auf gut 70% gestiegen. Damit stehe Österreich im europäischen Vergleich relativ gut da. Denn etwa Irland habe eine Steigerung der Verschuldung um 52% zu vermelden. Und das schon zuvor hoch verschuldete Griechenland habe seinen Schuldenstand um weitere 29% vermehrt- mit den bekannten Folgen.

Das wären eigentlich gute Nachrichten für Österreich. Doch Felderer sieht sich dennoch veranlasst Warnungen auszusprechen: „Wir geraten ins Visier der Finanzmärkte“. Wie kommt er zu dieser Befürchtung? Nun, das Beispiel Spanien habe gezeigt, dass es trotz der dort vergleichsweise niedrigen Verschuldung, diese stieg um 29% auf noch immer moderate 64%,  zu heftigen Reaktionen der Finanzmärkte kommen könne. Und so etwas könne auch Österreich drohen, wenn die Finanzinvestoren die Bonität in Zweifel zögen.

Felderer gibt zwar zu, dass der Staat in der schweren Finanzkrise die Banken vor dem Zusammenbruch gerettet habe und die von der Regierung getätigten Konjunkturmaßnahmen in der schwersten Wirtschaftskrise seit mehr 75 Jahren erste Früchte zeigten, da das Wirtschaftswachstum langsam anspringe. Aber dass diese Rettungsaktionen die Ursache für die stark steigende Staatsverschuldung sind und die Finanzmärkte dankbar sein müssten, da sie von der öffentlichen Hand vor dem Zusammenbruch bewahrt wurden – das übergeht der IHS-Chef. Vielmehr beschwört er das Bild von prüfenden Finanzmärkten herauf, die Europa ins Visier nehmen. Sie prüfen jedes Land voller Misstrauen auf seine Fähigkeit, Schulden zurückzuzahlen – und bestrafen Problemstaaten mit hohen Risikoaufschlägen auf Staatsanleihen. Ratingagenturen stufen Länder herab, der Internationale Währungsfonds (IWF) marschiert „mit sorgenvollen Gesichtern“ auf, um die Regierungen zu massiven Sparprogrammen zu animieren. Felderer gibt zwar zu: „Es geht oft um Gerüchte, die Reaktionen sind oft irrational, zu scharf und ungerecht“. Aber dennoch müssten sich die Staaten diesen Urteilen beugen, denn: „Wir haben es nicht in der Hand.“ Außerdem seien die Gläubiger, die dem Staat Geld leihen, in der Regel keine gierigen Spekulanten, sondern vorsichtig agierende Pensions- und Investmentfonds: „Sie haben Staatsanleihen gekauft, weil sie als sicher galten, und dafür auf hohe Renditen verzichtet.“  Deshalb müssten wir uns dem Urteil der Finanzmärkte bauen und alles dafür tun, um das Vertrauen dieser nervös gewordenen Investoren zurückzugewinnen. Das könne nur durch einen „glaubwürdigen“ Konsolidierungsplan gelingen. Vorbild dafür, wie dies glaubwürdig gelingen könne, seien die Schweiz und Deutschland: „Ihnen werden Staatsanleihen aus der Hand gerissen, ihre Zinsen bleiben sehr niedrig.“ Beide Länder hätten Schuldenbremsen beschlossen, die strukturelle Defizite verbieten und in der Hochkonjunktur zu Überschüssen und dem Aufbau von Reserven zwingen. Während Österreich im Vergleich dazu im Jahre 2007, wo eine gute Konjunkturlage herrschte, dennoch Schulden gemacht habe. Felderer macht daher keinen Hehl daraus, dass er sich dieses Instrument einer strengen Budgetdisziplin auch für Österreich wünscht.

Dieser krausen Logik des Bernhard Felderer muss entschieden entgegengetreten werden. Es darf nämlich nicht sein, dass sich die Staaten, die die Finanzmärkte in der größten Not gerettet haben, nun von diesen erpressen lassen. Und um nichts Anderes handelt es sich, wenn die Finanzmärkte den Regierungen strenge Budgetdisziplin diktieren, um als kreditwürdig eingestuft zu werden und gute Konditionen zu bekommen. Nicht die Staaten müssen nun rigorose Sparpakete schnüren, die das zarte Pflänzchen der Konjunktur abwürgen würden und wodurch die nächste Krise schon vorprogrammiert wäre. Und die Mehrheit der Bevölkerung, die schuldlos an der Krise ist, darf nicht mit einer Einschränkung des Sozialsystems und ungenügend ausgestatteten Bildungseinrichtungen bestraft werden.

Vielmehr müssen jene zur Kasse gebeten werden, die von dieser Rettungsaktion profitiert haben: die Finanzmärkte und die Vermögenden. Die Finanzmärkte sind durch die fortschreitende Deregulierung der letzten Jahrzehnte immer instabiler geworden: exzessiven Blasenbildungen werden von dramatischen Crashs abgelöst, die die Realwirtschaft stets massiv in Mitleidenschaft ziehen. Deshalb müssen diese Märkte durch strenge Regeln diszipliniert werden und durch die Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer muss der Anreiz für hochspekulative kurzfristige Transaktionen beschränkt werden. Außerdem leisten die Finanzmärkte auf diese Weise einen notwendigen Beitrag zur Konsolidierung der Staatshaushalte, die gerade durch die organisierte Unverantwortlichkeit der Finanzmarktakteure in Schwierigkeiten geraten sind.

Die Vermögenden wiederum müssen einen Beitrag leisten, da sie über Jahrzehnte von steigenden Unternehmensgewinnen profitiert haben (während die Lohnquote sank und die Reallöhne stagnierten). Die Zugewinne beim Vermögen sind außerdem immer weniger in Investitionen in die Realwirtschaft geflossen, sodass das Wirtschaftswachstum in Europa seit vielen Jahren sehr bescheiden ausfällt, sondern haben die Spekulation auf den Finanzmärkten zusätzlich angeheizt.  Schließlich sind Einkommen aus Vermögenszuwachs im Vergleich mit Arbeitseinkommen steuerlich deutlich begünstigt, sodass ein höherer Beitrag nur fair wäre. Deshalb müssen die Vermögenden durch höhere Vermögenszuwachssteuern (die auf dem Niveau von Arbeitseinkommen sind), durch die Streichung der steuerlichen Begünstigung von Privatstiftungen und durch die Einführung einer eigenen Vermögenssteuer mit hohen Freibeträgen mehr zur Kasse gebeten werden, da auch sie von einer Gesellschaft profitieren, wo die Ungleichheit sich in Grenzen hält und der soziale Zusammenhalt gegeben ist. Und schließlich würden auch sie viel verlieren, wenn der nächste Crash zum Zusammenbruch der Finanzmärkte führt.


Die große Chance für die SPÖ in der aktuellen Situation: ein gerechtes Steuersystem

15. Mai 2010

Die SPÖ befindet sich im Vorfeld des Bundesparteitages im Juni 2010 in einer sehr schwierigen Situation. Es liegt eine Reihe von sehr mäßigen Wahlerfolgen auf europäischer und auf Landesebene hinter ihr. Daran ändert auch der Erfolg der Wiederwahl von Bundespräsident Heinz Fischer nichts, da er angesichts einer Gegnerschaft erzielt wurde, die schon von vorneherein nicht mehrheitsfähig war. Und nach den Wahlen in Burgenland Ende Mai stehen mit Steiermark und Wien zwei besonders wichtige Wahlentscheidungen im Herbst bevor, die nicht verloren werden dürfen. Dazu kommt, dass die SPÖ in der Koalition mit der ÖVP auf Bundesebene seit Beginn den Eindruck nicht zerstreuen kann, sie könne sich mit ihren Forderungen kaum durchsetzen und müsse ständig dem Koalitionspartner allzu große Zugeständnisse einräumen. Vor allem aber steht der SPÖ im Schatten der schwersten Wirtschaftskrise seit mehr als 70 Jahren mit der Herausforderung einer Budgetkonsolidierung, die nicht zu Lasten der Mehrheit der Werktätigen gehen darf und die nicht die noch immer schwächelnde Konjunktur abwürgen darf, eine fast unlösbare Aufgabe bevor. Die Situation ist schwierig, aber nicht hoffnungslos.

Die österreichische Sozialdemokratie kann alle diese Herausforderungen mit Bravour meistern. Dazu muss sie jedoch sofort entschlossen handeln und den Kurs der letzten 25 Jahre radikal ändern. Denn seit vielen Jahren ist die SPÖ zunehmend von ihren Wurzeln entfremdet. Um nämlich den Eindruck staatspolitischer Verantwortlichkeit zu erwecken und um grundsätzlich für alle Wählergruppen wählbar zu sein, hat die SPÖ darauf verzichtet, sich als jene Partei zu präsentieren, die die Interessen der ArbeitnehmerInnen vertritt. Das mag auf den ersten Blick klug erscheinen, da damit die Zahl der potentiellen Wähler sich erhöht hat. Wenn nicht nur die unselbstständig Erwerbstätigen als Wähler in Frage kommen, sondern auch Selbstständige, Unternehmer, Beamte und Bauern, dann werden scheinbar alle Wahlberechtigten in Österreich angesprochen. Doch tatsächlich war die Folge dieser Strategie, dass sich die Kernschichten der Sozialdemokratie, nämlich die ArbeitnehmerInnen mit kleinen und mittleren Einkommen immer weniger davon überzeugen ließen, dass die SPÖ ihre Interessen vertritt und deshalb zu wählen sei.
Der einzige Ausweg, den ich für die SPÖ in dieser verzwickten Situation sehe, ist daher die mutige Rückkehr zu ihren Wurzeln. Die Sozialdemokratie muss wieder den Werktätigen in diesem Land überzeugend vermitteln, dass sie ihre – und nur ihre – Interessen vertritt. Wenn ihr das gelingt, dann braucht die SPÖ auch keine Angst vor den nächsten Wahlentscheidungen haben. Denn die große Mehrheit der Wahlberechtigten ist unselbstständig erwerbstätig bzw. beziehen eine kleine oder mittlere ASVG-Pension. Das Wählerpotential für die SPÖ beträgt an die 4,5 Millionen Menschen! Also selbst wenn sich am Ende nur 80% dieses Potentials am Wahltag ausschöpfen lassen, ergibt das immer noch eine klare absolute Mehrheit für die Sozialdemokratie.
Wenn die SPÖ also endlich die Entschlossenheit aufbringt, die Interessen der Werktätigen in der Regierung, im Parlament und in den öffentlichen Auftritten ihrer Repräsentanten kompromisslos zu vertreten, dann hat sie keine Wahlen zu fürchten und sie kann das Joch einer sie lähmenden Koalition mit der ÖVP abschütteln, um die Freiräume der politischen Gestaltungsmöglichkeiten auf Grundlage einer absoluten parlamentarischen Mehrheit auszukosten.
Dazu muss sie nur eines tun: Unverrückbar darauf beharren, dass zur Budgetsanierung und zur langfristigen Sicherung unseres Sozial- und Bildungssystems sowie zur Entlastung des Faktors Arbeit auch jene Teile unserer Gesellschaft heranzuziehen sind, die die Krise (mit)verursacht haben bzw. seit vielen Jahren keinen angemessenen Beitrag zur Finanzierung einer solidarischen und gerechten Gesellschaft beitragen: die Vermögenden durch eine Vermögenssteuer mit hohen Freibeträgen und durch eine Kapitalertragsteuer, die Stiftungen und Börsengewinne nicht in ungerechter Weise privilegiert; die durch den Staat vor dem Zusammenbruch geretteten Banken durch eine Bankenabgabe; die großen Unternehmen durch die Leistung einer angemessenen Körperschaftsteuer, die den europaweiten Steuerwettbewerb ein Ende macht und nicht durch die Gruppenbesteuerung marginalisiert wird; die durch Deregulation aus dem Lot geratenen Finanzmärkte durch eine europaweite Finanztransaktionssteuer bzw. im Falle eines Scheiterns derselben durch eine lokale Börsenumsatzsteuer.


Bernhard Felderers Kritik an den Steuerplänen der Regierung

17. April 2010

Der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) und  Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, hat am letzen Donnerstag die Steuerpläne der Regierungsparteien einer Kritik unterzogen. Sein Resümee lautet: Die derzeit diskutierten Steuererhöhungen können dem Budget zwar kurz Luft verschaffen, sanieren lässt sich der Staatshaushalt damit aber nicht. Seine Voraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung des Budgets: diese müsse in der Realität zumindest zu zwei Dritteln auf der Ausgabenseite, also durch Einsparungen, erfolgen. Die bisher diskutierten Steuervorschläge würden nach Berechnungen des IHS entweder viel zu wenig bringen oder das Wachstum zu stark bremsen.

Wie ist diese Einschätzung zu beurteilen? Dass die Sanierung zumindest zu zwei Dritteln auf der Ausgabenseite zu erfolgen habe, ist finanzpolitischer Fundamentalismus und wissenschaftlich nicht untermauert. Außerdem haben sich die Regierungsparteien darauf festgelegt, dass sie zu 60 Prozent bei den Ausgaben einsparen. Damit sind sie vom Wert Felderers nicht weit entfernt.

Die Steuerpläne der ÖVP:

Bei dem Vorwurf, die Steuerpläne der Regierungsparteien würden das Wachstum bremsen, ist zu differenzieren. Bei den Plänen von Finanzminister Josef Pröll und der ÖVP – einer „ökologischen Steuerreform“ -, die de facto auf eine Erhöhung der Treibstoff- und Heizkosten hinausläuft, ist ihm beizupflichten. Die höhere Abgaben auf Treibstoffe und Heizöl würde zu rund einem Drittel Private treffen (wo sie den Konsum abbremst) und zu zwei Dritteln die Wirtschaft, wo sie das Wachstum verlangsamt. Über diese Effekte würde das Steueraufkommen in anderen Bereichen gedrückt. Hinsichtlich des Effektes hat also Felderer sicher recht, wenn auch die genaue Höhe dieser Auswirkung nur schwer einzuschätzen ist, sodass seinen konkreten Zahlen nicht unbedingt zu trauen ist (bis zum zehnten Jahr würde die Steuer über diesen Effekt netto nur noch die Hälfte bringen; aber bis dahin würde die Steuer das Wirtschaftswachstum um 0,3Prozentpunkte dämpfen).

Die Steuerpläne der SPÖ:

Ganz anders sieht es bei den Steuerplänen der SPÖ aus, die Werner Faymann präsentiert hat. Felderer stellt den Nutzen von Bankenabgabe, Änderung bei der Stiftungsbesteuerung und Vermögenssteuern in Frage.

Zur Bankenabgabe:

Hier glaubt der IHS-Chef nicht an großartige Einnahmen. Bei der Bankensteuer hat sich die Regierung zwar bereits auf ein Aufkommen von 500 Mio. Euro im Jahr festgelegt. Nicht bedacht habe man dabei aber, dass die Banken „noch nicht dort sind, wo sie sein sollten“. Anders gesagt: Sie werden „noch sehr viel Kapital benötigen“ und haben deshalb nur eingeschränkte Melkkuh-Eignung. Es stimmt zwar, dass die österreichischen Banken große Probleme mit ihren Aktivitäten in Ost- und Südosteuropa haben. Nichtsdestotrotz schreiben die meisten von ihnen schon wieder gute Gewinne, die sie sehr wohl in die Lage versetzen, sich eine Bankenabgabe zu leisten und so Steuermehreinnahmen von 500 Millionen Euro im Jahr zu finanzieren.

Zur Stiftungsbesteuerung:

Die vom damaligen SP-Finanzminister Ferdinand Lacina in den Neunzigerjahren eingeführte Privatstiftung solle der Kapitalflucht entgegenzuwirken. Felderer hält es deshalb für nicht besonders schlau (und für den Staatssäckel auch nicht besonders ertragreich), diesen Prozess ohne Aussicht auf allzu große Staatseinnahmen umzukehren. Außerdem sieht er sogar die Gefahr eines Verfassungsbruchs: Die angedachte Erhöhung der Stiftungssteuern laufe dem Versprechen des Staates an rund 3300 Stiftungen zuwider. Zudem sei die niedrige Steuer nur eine Stundung: Bei Entnahme würden nochmals 12,5 Prozent Steuern fällig, mit den bei Stiftungsgründung bezahlten 12,5 Prozent entspreche das der Kapitalertragssteuer.

Zu diesem wahren Gruselkabinett an abstrusen Behauptungen rund um die Stiftungsbesteuerung ist einiges zu bemerken: 1. Die Angst vor der Kapitalflucht ist in diesem Zusammenhang stark übertrieben. Klarerweise ist Kapital sehr beweglich und kann blitzschnell außer Landes transferiert werden. Wahr ist aber auch, dass Kapitaleigner nicht nur auf die Höhe der Besteuerung schauen, sondern auch Wert auf die Sicherheit und die Lebensqualität eines Landes achtet. Und in dieser Hinsicht hat ihnen Österreich sehr viel zu bieten. 2. Was nützt es den anderen Menschen in einem Land, wenn Kapital im Lande verbleibt, es jedoch nicht angemessen besteuert wird, damit alle über Sozialtransfers davon profitieren können. 3. Die Verfassungskonformität einer Änderung bei der Stiftungsbesteuerung müssen die Verfassungsjuristen beurteilen. Eine Verfassungswidrigkeit ist aber sehr unwahrscheinlich. Denn sonst wären auch alle anderen Änderung bei den Steuern oder Pensionen nach dem gleichen Grundsatz nicht verfassungskonform. 4. Bei Felderers Vergleich zwischen Stiftungsbesteuerung und Kapitalertragssteuer auf Spareinlagen wird ein wichtiger Unterschied verschwiegen: Bei der KESt auf normale Spareinlagen sind 25% von den jährlichen Zinseinnahmen fällig. Bei den Privatstiftungen sind nur 12,5% von den Gewinnzuwächsen zu entrichten. Und bei der Ausschüttung der Gewinne an Begünstige sind einmalig (sic!) 25% zu entrichten.

Zur Vermögenssteuer:

Die Argumentation, höhere Vermögenssteuern seien ein Akt der Verteilungsgerechtigkeit und würden für eine gerechtere Verteilung des Volkseinkommens sorgen, hält Felderer für schlicht falsch: Aus dem europäischen Vergleich der vermögensbezogenen Steuern und des sogenannten Gini-Koeffizienten (der die Gleichmäßigkeit der Verteilung misst) lasse sich das jedenfalls nicht ablesen. Die Belastung mit vermögensbezogenen Steuern sei in den Niederlanden beispielsweise fast viermal so hoch wie in Österreich. Die Einkommensverteilung ist in den beiden Ländern aber annähernd gleich. Frankreich hat eine extrem hohe Belastung mit vermögensbezogenen Steuern – aber eine Einkommensverteilung, die sich nur unwesentlich von der österreichischen unterscheidet. Fazit des IHS-Chefs daher: Verteilungsgerechtigkeit erreicht man nicht mit Vermögenssteuern, sondern mit Transfers. Und das funktioniere in Österreich ohnehin gut. Felderer: „Die österreichische Umverteilung ist relativ wirksam, weil sie von ganz oben nach ganz unten verteilt.“

Einzig Grundsteuern hält Felderer deshalb für steuertechnisch sinnvoll. Sie ist die einzige Vermögenssteuer, die Sinn ergäbe, weil sich Immobilien eben nicht ins Ausland verlagern lassen. Aber: Entweder man setzt sie sehr hoch an und trifft damit „Häuslbauer“, Wohnungsbesitzer und Mieter sehr hart. Dann ist sie politisch nicht durchzusetzen. Oder man macht großzügige Ausnahmen für die Kleinen, dann bringt sie nicht viel.

Zu Felderers Analysen ist zu bemerken: 1. Dass der GINI-Koeffizient keinen Hinweis auf eine bessere Verteilungsgerechtigkeit durch höhere vermögensbezogene Steuern liefert, ist kein eindeutiges Indiz, da in der Volkswirtschaft ja bekannt ist, dass dieser Wert keine absolute Wertung der Konzentration der Verteilung liefert, wenn sich die Einkommensverteilung innerhalb der Segmente unterschiedlich entwickelt. 2. Dass Umverteilung durch Transfers erreicht werden kann, dem ist beizupflichten. Aber es ist zu ergänzen, dass der Staat  dazu Einnahmen braucht, die er auf diese Weise gerecht umverteilen kann. Vermögensbezoge Steuern und Vermögenssteuer sind eine höchst geeignete Quelle, um diese Transfers pekuniär zu füttern. 3. Dass der Mittelstand von Vermögenssteuern in Mitleidenschaft gezogen werden muss (auch in Form von Grundsteuern), damit sich diese rechnen, ist eine beliebte Mär der Kritiker von Vermögensteuern – und falsch. Das Vermögenssteuermodell der GPA-djp zeigt, dass auch mit Freibeträgen von 1 Million Euro – was den Mittelstand in jedem Falle vor Belastungen schützen würde – Mehreinnahmen von 3 Milliarden Euro im Jahre möglich sind.